Senftöpfchen

Senftöpfchen

Das Senftöpfchen ist ein über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt gewordenes renommiertes Kabarett- und Kleinkunst-Theater in Köln, das im Jahr 1959 von Fred und Alexandra Kassen gegründet wurde und als Talentschmiede vielen Künstlern zu Ruhm verholfen hat.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Das Ehepaar Fred und Alexandra Kassen hatte 1955 in München-Schwabing die Künstlerkneipe „Stachelschwein“ gegründet, in der auch die Kabarettgruppe „Die Namenlosen“ auftrat. Aus dieser entstand das Kabarett „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“, für die Fred Kassen ab „Denn sie müssen nicht was sie tun“ (Premiere am 12. Dezember 1956) bis „Eine kleine Machtmusik“ (7. Mai 1958) die Couplets schrieb. Im Jahr 1958 verkaufte Kassen das Programm an den Regisseur Sammy Drechsel.

Theater Senftöpfchen

Das Ehepaar Kassen zog im Februar 1959 nach Köln und nahm als Anfangsbestand ein kleines Ensemble, bestehend aus Brigitte Mira, Heinz Junge, Gerd Martienzen und Bruno W. Pantel, mit. Fred Kassen fungierte beim ersten Kabarett in Köln als Texter, Komponist, Regisseur, Pianist und Direktor. In Köln gab es zu jener Zeit lediglich 7 Theater, aber kein Kabarett. Diese Marktlücke schlossen die Eheleute Kassen, als sie am 5. März 1959 das Senftöpfchen-Theater in Köln in der Pipinstraße eröffneten. Sohn Klaus und Tochter Alexandra Franziska (*1956) folgten den Eltern nach Köln. Es sollte ein kleines Theater der Aktualität sein, in dem Ironie, Satire und die scharfe Zeitkritik präsentiert werden sollten. Das war der Grund für die Namensgebung „Senftöpfchen“. Fred Kassen war kein Neuling in der Musik- und Theaterszene, denn bereits seit 1935 war er Mitglied der offiziellen Nachfolgegruppe der berühmten Comedian Harmonists, dem Meister-Sextett.

Zu den etablierten Schauspielern und Kabarettisten, die in den Anfängen im Senftöpfchen auftraten, gehörten unter anderem Gert Fröbe, Lore Lorentz, Ernst Stankowski, Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder oder Hanns Dieter Hüsch. Auch die Ikonen des deutschen Chansons wie Helen Vita, Gisela May, Evelyn Künneke oder Dora Dorette feierten hier große Erfolge.

Präsentiert wurden zeitgenössisches literarisch-politisches Kabarett, erotische „Chansons extra-ordinaire“ (Helen Vita), freche Boulevard-Stücke und die anfangs riskante Travestie-Show „Folies Parisiennes“ (1976).[1] Ein gemischtes Publikum traf sich im Theater, es wurde diskutiert, kritisiert und an der Bar bis morgens gefeiert. „Es lohnt sich zu kosten, was unser Kölner literarisches Kabarett Senftöpfchen zu bieten hat“, ließ der Kölner Oberbürgermeister verlauten.[2]

Nach dem Tod von Fred Kassen

Im Jahre 1972 starb plötzlich und unerwartet Fred Kassen. Nach dem Tod ihres Mannes entschloss sich die Witwe, dessen Arbeit fortzuführen. Mit Neugier und Risikobereitschaft, Geduld und Geschick verwandelte Alexandra Kassen das Senftöpfchen im Laufe der 1970er Jahre in eine moderne Kleinkunstbühne. Die Nachwuchsförderung ist seitdem ihr Hauptziel, und so wird das Senftöpfchen zum Karriere-Sprungbrett für junge Künstler – und ist es bis heute geblieben. Erste Beispiele hierfür sind Mike Krüger oder Wolf Biermann. Letzterer tritt hier nach seiner Ausbürgerung aus der DDR im November 1976 auf.

Solokabarett, Comedy und Musik dominierten das Programm. Im Jahr 1973 stellte Alfred Biolek der Hausherrin sein neues Format einer Live-Talkshow „Wer kommt, kommt“ vor. „Eine Talk-Show wollen Sie machen? Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber machen Sie nur.“[3] Über zwei Jahre lang und bei 43 Auftritten nahmen neben Biolek viele Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, und Showbusiness auf dem alten Sofa des kleinen Theaters Platz. So wurde es zu einer Adresse für prominente Künstler. Der WDR übernahm das Format als „Kölner Treff“ am 25. Januar 1976.[4] Die Kölner Karnevalsgruppen Bläck Fööss und De Höhner starteten hier ihre ersten Konzert-Auftritte (1975). Zu dem unbekannten Nachwuchs der Kabarett- und Kleinkunstszene, der im alten Senftöpfchen ein Sprungbrett gefunden hat, zählten außerdem Fredl Fesl, die Gebrüder Blattschuss, Jürgen von der Lippe, Konrad Beikircher, Robert Kreis, Georgette Dee, Sissi Perlinger, Harald Schmidt oder Konstantin Wecker. Ihre ersten Erfolge feierte das Travestieduo Mary & Gordy nach dem Karrierebeginn 1978 ebenfalls im Senftöpfchen. Das im Kölner Karneval unvergessene Colonia Duett trat im alten Theater beispielsweise vom 2. bis 4. Juni 1981 auf, wovon ein Live-Mitschnitt existiert (LP EMI #1 C 064-46 517). Carl Schell war zwischen 1981 und 1982 hier auf der Bühne.

Umzug

Im Jahr 1986 zog das weiterhin nicht mit öffentlichen Mitteln subventionierte Kleinkunsttheater in die Kölner Große Neugasse um. Hier befinden sich seither im 94 m² großen Zuschauerraum (Parkett und Balkon) insgesamt 174 Sitzplätze, von denen aus der Blick auf die 35 m² umfassende Bühne fällt. Das Foyer misst 50 m². Im Oktober 1987 trat der schwule Chor Triviatas hier auf. Kultstatus erreichte die WDR-Aufzeichnung aus dem neuen Senftöpfchen vom 12. Februar 1991 anlässlich des 90. Geburtstages vom Kölner Karnevalisten Jupp Schmitz. Neue Talente auf der Bühne waren Ingo Appelt, Missfits oder Dieter Nuhr. Das Theater entwickelte sich verstärkt zur Talentschmiede nicht nur für die Bühnen des Landes, sondern auch für die Medien, vom WDR bis zu den privaten Fernsehsendern, die verstärkt Comedy in ihr Programm nahmen.

Der WDR produzierte am 24. Oktober 2009 im Kölner Opernhaus die Fernseh-Gala-Sendung „50 Jahre Senftöpfchen“, in der viele ehemalige Wegbegleiter dieses Kabaretts auftraten. Alexandra Kassen leitet immer noch charmant und witzig die Senftöpfchen-Theater GmbH, trägt noch heute originelle Hütchen als ihr Markenzeichen und wird mittlerweile durch ihre Tochter Alexandra Franziska unterstützt. Neben Oper und Schauspielhaus beherbergt Köln mittlerweile rund 70 professionelle freie und private Theater, überwiegend in der 1979 gegründeten Kölner Theaterkonferenz e.V. organisiert,[5] zu der auch das Senftöpfchen gehört.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel 46/1976 vom 8. November 1976, Personalien, S. 248
  2. Theo Burauen, Oberbürgermeister der Stadt Köln, im Jahr 1964
  3. Alexandra Kassen zitiert aus der Aachener Zeitung vom 12. September 2009, Ein Tempel der Kleinkunst: Senftöpfchen wird 50
  4. Der Spiegel 6/1978 vom 6. Februar 1978, Großer Bahnhof, S. 178 f.
  5. Köln-Theater und Sehenswürdigkeiten
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