Schwäbisch-Deutscher Kulturbund

Schwäbisch-Deutscher Kulturbund

Der Schwäbisch-Deutsche Kulturbund war ein Verein zur Pflege deutscher Kultur im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Er bestand von 1920 bis 1939 als freier und unabhängiger Verein. 1939 übernahmen Nationalsozialisten die Führung und lösten den Verein 1941 auf Weisung der reichsdeutschen NS-Führung noch vor dem Einmarsch der Wehrmacht auf.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Noch zur Zeit der Friedensverhandlungen in Trianon ergriff eine kleine Gruppe donauschwäbischer Akademiker die Initiative zur Gründung eines deutschen Kulturbundes im neu geschaffenen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Gründungstag war der 20. Juni 1920 in Neusatz. Die offizielle Bezeichnung war „Schwäbisch-Deutscher Kulturbund“. Gründungsmitglieder waren die Hauptinitiatoren Johann Keks, Georg Grassel, Stefan Kraft und Peter Heinrich. Als Vorbild dienten dabei einerseits der Deutsche Wirtschafts- und Kulturverein in Temeswar, der im November 1919 im rumänischen Banat gegründet worden war, andererseits der serbische Kulturverein Prosveta, der 1902 in Sarajewo gegründet worden war und sich um die Alphabetisierung der Serben in Bosnien und Herzegowina kümmerte. Der Vorstand führte erfolgreiche Verhandlungen mit der Provinzregierung der Wojwodina und der Staatsregierung in Belgrad. Die für das gesamte Staatsgebiet bewilligte Satzung enthielten als wesentliche Ziele Pflege der deutschen Sitten und Bräuche, Verbreitung von Büchern, Musikalien und Filmen, Förderung künstlerischer Darbietungen, die Ausbildung deutscher Lehrer und Geistlicher sowie die Förderung der sozialen Fürsorge und wirtschaftlicher Einrichtungen. „Staatstreu (dem Jugoslawischen Königreich) und volkstreu!“ war das Motto, ergänzt durch die Losung: „Muttersprache, Heimat, Väterglaube!“

Der Kulturbund begann mit der Beratung und Aufklärung der Bauern, bald auch mit der Organisation gemeinsamen Warenbezugs.

Skepsis von katholischer Seite

Die Aktivitäten des Bundes waren seitens der katholischen Kirche mit Skepsis begleitet, weil sie hinter deren Zielsetzungen auch lutherische Tendenzen vermuteten. Wenig hilfreich war auch die Neubildung der apostolischen Administraturen Batschka und Banat, die unter Führung des kroatischen Franziskanerpaters Rafael Rodić fielen. Während die rund 400.000 deutschen Katholiken in neun Bistümer aufgeteilt waren, schlossen sich die evangelischen und die reformierten Kirchen im neuen Königreich zusammen und unterstanden mit ihren 100.000 Mitgliedern einer einzigen Kirchenorganisation.

Erstes Verbot durch die jugoslawische Regierung

„Die Arbeit des SDKB wurde argwöhnisch durch die Belgrader Regierung beobachtet. Am 11. April 1924 kam es zu einem ersten Verbot, da der satzungsgemäße Wirkungskreis überschritten worden sei und der Kulturbund sich auch politisch engagiert hätte, das erst 1927 aufgehoben wurde.“ [1] Nach Goran Nikolić war der Anlass eher das Abstimmungsverhalten der deutschen Abgeordneten im Belgrader Parlament, die dort die oppositionelle Kroatische Bauernpartei unterstützten. Rasimus gibt an, das Verbot des SDKB sei als „Vergeltungsmaßname wegen der ungünstigen Behandlung der Kärntner Slowenen durch die österreichische Regierung“ und bezieht sich auf Aussagen des Belgrader Unterrichtsministers Svetovar Pribicević.[2]

Vereinnahmungsversuche durch Nationalsozialisten

1934 gründete der Arzt Dr. Jakob Awender aus Pantschowa mit Gleichgesinnten wie Gustav Halwax eine „Kameradschaft für die Erneuerungsbewegung“, eine Gegenbewegung, die vom Nationalsozialismus aus Berlin instrumentalisiert worden war. Am 3. Dezember 1934 kam es auf der Hauptversammlung des Kulturbundes zum ersten Umsturzversuch durch Awender, der jedoch nur 38 % der Stimmen auf sich ziehen konnte. Da sich die Awender-Gruppe mit ihrer Niederlage nicht abfinden wollte, wurde sie im Januar 1935 „wegen ihrer, dem Bundeszweck schädigenden Tätigkeit“ vom Kulturbund ausgeschlossen. Diese Maßnahme stieß sowohl bei der Auslandsorganisation der NSDAP als auch beim Auswärtigen Amt des Reiches auf scharfe Kritik.

Awender bündelte daraufhin seine Kräfte in der „Erneuerungsbewegung“, die starke Unterstützung von der NSDAP aber auch von der Deutschen Studentenschaft aus dem Reich erfuhr. Im Herbst 1935 gelang es dem Kulturbund in Neusatz ein letztes Mal, die Erneuerungsbewegung von Awender auf seiner Hauptversammlung nicht zuzulassen, auf der der Vorsitzende Keks an das Bekenntnis zur Staatstreue (des Königreiches Jugoslawien) appellierte. In Slawonien kam es am 29. März 1936 unter Branimir Altgayer zur Gründung einer weiteren Gegenbewegung, der „Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen“ (KWVD). Die Reichsdeutschen Stellen und auch der deutsche Gesandte in Zagreb bevorzugten die Zusammenarbeit mit Altgayer und stellten die Beziehungen zum Kulturbund ein.[3] Die tatkräftige Unterstützung der Kräfte aus dem Reich für die Erneuerungsbewegung und für den KWVD führte letztendlich zu einem ungleichen Kampf.

Durch die Annahme von Subventionsgeldern des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland (VDA) hatte sich der Kulturbund obendrein selbst geschwächt und sich den Interessen des Reiches ausgeliefert. Da Ende 1935 vier Ortsgruppen (u.a. Kikinda und Setschan) wegen „Tragen von Hakenkreuzfahnen“ (auf Druck des Innenministeriums) ausgeschlossen wurden, war auch die Position des Kulturbundes gegenüber der jugoslawischen Regierung geschwächt.

Der Gesandte in Belgrad, von Heeren, lobte zwar im Januar 1938 in einem Bericht an Adolf Hitler den Gründer des Kulturbundes Dr. Kraft als „spiritus rector“, doch auch er konnte dessen Absetzung durch die Awender-Gruppe (mittlerweile unterstützt durch Altgayer aus Esseg) nicht verhindern. Am 30. April 1939 trat auch Mitbegründer Keks von seinen Ämtern zurück. Damit war der Weg frei für eine Verschmelzung des nun von Altgayer geführten Kulturbundes mit der Erneuerungsbewegung von Awender. Durch das Übernehmen der NS-Ideologie im weitesten Sinne wurde der Kulturbund zur Volksgemeinschaft der Deutschen Volksgruppe im Königreich Jugoslawien umgeformt. Weisungen erhielt man zukünftig aus Berlin.[4]

Gleichschaltung

Die Kandidaten um den neuen Vorsitz im Kulturbund trafen sich am 15. Mai 1939 zum Schiedsspruch in Graz. Zum Vorsitzenden wurde weder Altgayer noch Awender ernannt, sondern der nichtanwesende, bis dahin unauffällige Gerichtsassessor Dr. Sepp Janko aus dem Banat, der dem gemäßigten Flügel der Erneuerungsbewegung zugerechnet war. Awender, der den Anspruch erhoben hatte, wurde von den Reichsstellen nicht akzeptiert, da er mit einer jugoslawischen Oppositionspartei zusammenarbeitete (das wäre ein Hindernis für eine angestrebte Zusammenarbeit des Deutschen Reiches mit Jugoslawien gewesen) und war zudem in seiner Zeitung "Volksruf" kirchenfeindlich eingestellt. Die Mitgliederzahl im „neuen“ Kulturbund belief sich im Mai 1939 nach Jankos Aufzeichnungen auf 30.000, und die Kassen waren leer. Ende März (bei Auflösung) betrug die Mitgliederzahl 200.000, wobei die Familienmitglieder ungefragt mitgezählt wurden.

In der Bundesleitung wurden neue Hauptämter geschaffen:

  • I. Organisationsamt
  • II. Kulturamt
  • III. Propagandaamt
  • IV. Sozialamt
  • V. Frauenamt

Damit war formell eine erste Stufe der Gleichschaltung vollzogen. Der Bundesobmann, Sepp Janko, hieß von nun an Volksgruppenführer. Nach der Errichtung des „Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKF) am 7. Oktober 1939 war der Kulturbund endgültig in Heinrich Himmlers Herrschaftsapparat integriert.

Dem serbischen Ministerpräsidenten Dragiša Cvetković konnte Janko einige Konzessionen auf dem Gebiet der Verwaltung und des Schulwesens abgewinnen. Ungewöhnlich war allerdings das Recht auf Erhebung einer Art Volkssteuer von jedem Deutschen.

Dies wurde später (auch von Casagrande) als Kollaboration mit der Besatzungsmacht ausgelegt. Die deutsche Reichsregierung sah das jedoch ganz anders. In einem Schreiben Hermann Behrends' an Himmler beklagte sich dieser über Janko: „In der Volksgruppe Banat besteht nach wie vor die verkrampfte antireichsdeutsch ausgerichtete Betschkereker Kirchturmshaltung.“ Am 28. März 1941 wurde die Tätigkeit des SDKB und seiner Gliederungen durch Janko auf Weisung der deutschen Reichsregierung endgültig eingestellt.

Situation in der Gottschee

Die Volksgruppe der Gottscheer lebte im Süden Unterkrains in Slowenien. In der Zeit des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen organisierten sich Gottscheer in der Gottscheer Bauernpartei und arbeiteten im Rahmen des 1924 gegründeten „Politischen und wirtschaftlichen Vereins der Deutschen in Slowenien“ mit. 1929 setzte jedoch König Alexander I. die Verfassung außer Kraft und ließ alle Parteien verbieten, die eine Nationalität repräsentierten. 1931 wurden deutsche Organisationen wieder zugelassen, und die Gottscheer organisierten sich im Rahmen des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes. Die wichtigsten Repräsentanten der Gottscheer waren in dieser Zeit der Pfarrer Josef Eppich aus Mitterdorf bei Gottschee und der Gottscheer Rechtsanwalt Hans Arko.[5] Nach Absetzung der bisherigen Führung des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes durch die nationalsozialistischen „Erneuerer“ im Mai 1939 übernahm der Gottscheer Nationalsozialist Wilhelm Lampeter die Führung der von ihm aufgebauten „Gottscheer Mannschaft“ im Kulturbund, während sein Stellvertreter der Jugendführer Richard Lackner wurde. Durch eine Satzungsänderung wurden sämtliche männlichen Mitglieder in der Gottschee automatisch Mitglieder der „Gottscheer Mannschaft“, die auf Gemeindeebene in so genannten „Stürmen“ organisiert war. So gelang es, eine in jedes Dorf reichende nationalsozialistische Organisation zu errichten und die bevorstehende Aussiedlung der Gottscheer vorzubereiten.[6] Mit der Auflösung des SDKB am 28. März 1941, kurz vor dem Balkanfeldzug, war in der Gottschee die „Gottscheer Mannschaft“ endgültig an seine Stelle getreten. Ehemalige Führungspersönlichkeiten wie Josef Eppich und seine Priesterkollegen August Schauer in Nesseltal, Josef Kraker in Rieg und Josef Gliebe in Göttenitz stellten sich jedoch gegen die Aussiedlung und blieben in der alten Heimat zurück.[7]

Vorwurf der Mitgliedschaft im Kulturbund

In den jugoslawischen Strafprozessen nach Kriegsende wegen Kollaboration mit dem Feind gab es bei Angeklagten der deutschen Volksgruppe neben anderen Vorwürfen wie Mitgliedschaft in der Waffen-SS auch den der Mitgliedschaft im Schwäbisch-Deutschen Kulturbund bzw. ihrer Nachfolgeorganisation, der Deutschen Volksgruppe. Die Bezeichnung für Kulturbundmitglieder war kulturbundovac (slowenisch kulturbundovec), Mehrzahl kulturbundovci.

Staatstreue gegenüber dem Königreich Jugoslawien

Arnold Suppan bescheinigt dem Schwäbisch-Deutschen Kulturbund bis zu seiner Gleichschaltung im Sommer 1939 ein (dem Jugoslawischen Königreich gegenüber) staatstreues und darüber hinaus antinationalsozialistisches Verhalten. Bis zum Juni 1939 war die Führung des Kulturbundes für nazistisch eingestellte Wojwodina-Deutsche gesperrt. Der Kulturbund gab jährlich einen Kalender für die dörfliche Bevölkerung heraus, der bis zur Okkupation die Geschichte des Herrscherhauses Karađorđević, eine Übersetzung der Staatshymne „Bože Pravde“ und bis 1934 ein Bild des Königs Aleksandar und später des Thronfolgers Peter II. beinhaltete.[8]

Quellen

  1. Markus Hische: Die Rolle der deutschen Volksgruppe in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Dritten Reich und dem Unabhängigen Staat Kroatien 1941-45, Examensarbeit 2001, ISBN (E-Book): 978-3-640-05786-3
  2. Hans Rasimus: Als Fremde im Vaterland, München 1989. S.161
  3. DERS.: Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen Großraum 1941-1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie [Studien zur Zeitgeschichte, Band 23], Stuttgart 1983 S. 195.
  4. PAIKERT, Geza Charles: The Danube Swabians. German Populations in Hungary, Rumania and Yugoslavia and Hitler′s impact on their Patterns, Den Haag 1967, S. 274.
  5. Hans Hermann Frensing: Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen. Das Ende einer südostdeutschen Volksgruppe. S. 11.
  6. Erich Petschauer: Jahrhundertbuch der Gottscheer, 1980 (PDF; 1,7 MB). S. 104.
  7. Erich Petschauer: Jahrhundertbuch der Gottscheer (1980). 110, 124.
  8. Nenad Stefanović: Jedan svet na Dunavu – Razgovori i komentari. Beograd, Tiker-Verlag 199

Literatur

  • Supan, Arnold: Jugoslawien und Österreich 1918 – 1938, Verlag für Geschichte und Politik Oldenbourg, 1998
  • Rasimus, Hans: Als Fremde im Vaterland. Der schwäbisch-deutsche Kulturbund u. die ehemalige deutsche Volksgruppe in Jugoslawien München, Donauschwäbisches Archiv 1989
  • Oberkersch, Valentin: Die Deutschen in Syrmien, Slawonien, Kroatien und Bosnien. Geschichte einer deutschen Volksgruppe in Südosteuropa [Beiträge zur donauschwäbischen Volks- und Heimatgeschichtsforschung, Reihe III], München1989

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