Schneller als der Wind segeln

Schneller als der Wind segeln

Segelfahrzeuge (Segelboote, Eissegler und Landsegler) können Geschwindigkeiten erreichen, die größer sind als die Geschwindigkeit des wahren Windes.[1][2] Voraussetzung dafür ist ein geringer Widerstand bei der Bewegung über die Oberfläche und ein Segel mit einem ausreichend hohen Gleitverhältnis.

Inhaltsverzeichnis

Physik

Vektor-Diagramm

Der scheinbare Wind erzeugt an der Tragfläche (Segel) eine Kraft, die (je nach Gleitverhältnis der Tragfläche) einen Winkel von fast 90° zum scheinbaren Wind haben kann. Solange also der scheinbare Wind an der Tragfläche nicht direkt von vorn kommt, kann diese Kraft eine nach vorn gerichtete Komponente haben, die den Segler antreibt. Ein Segler kann also beschleunigen oder seine Fahrt halten, auch wenn der scheinbare Wind schräg von vorn kommt, wie es der Fall ist, wenn man schneller als der Wind fährt.[3][4]

Auf Raumwindkursen können Segler eine zum wahren Wind parallele Geschwindigkeits-Komponente (downwind VMG) entwickeln, die größer als die wahre Windgeschwindigkeit ist.[5][6] Damit können sie durch Kreuzen vor dem Wind die Luftmasse in Windrichtung überholen. Diese etwas kontra-intuitive Tatsache kann man sich am besten anhand eines Vektor-Diagramms veranschaulichen.

Ein klassischer Segler kann jedoch Folgendes nicht:

  • Direkt gegen den Wind segeln
  • Direkt vor dem Wind schneller als der Wind segeln

In beiden Fällen kommt der scheinbare Wind an der Tragfläche direkt von vorn. Wenn die Konstruktion es allerdings zulässt, dass sich die Tragflächen relativ zum Fahrzeug bewegen, gelten die oben genannten Einschränkungen für die Kurse zum Wind nicht mehr. Dies ist beim Rotorsegler der Fall.

Klassische Segler

Segelboote

Segelboote mit einem Verdränger-Rumpf schaffen es wegen des hohen Wasserwiderstands kaum schneller als der Wind zu segeln. Gleiter hingegen erreichen deutlich höhere Geschwindigkeiten. 2009 stellte der Trimaran Hydroptère einen Geschwindigkeits-Weltrekord von 95 km/h bei einem Wind von 55 km/h auf.[7]

Kitesurfer und Windsurfer erreichen zwar ähnliche Höchstgeschwindigkeiten, aber meistens ein geringeres Vielfaches der Windgeschwindigkeit. Rob Douglas stellte 2010 bei etwa 80 km/h Wind einen Rekord mit einem Kiteboard von 103 km/h auf.[8]

Die effizientesten Segelboote erreichen eine downwind VMG, die mehr als das Doppelte der Windgeschwindigkeit beträgt. Beim America’s Cup 2010 segelte die Siegeryacht 37 km mit dem Wind in 1 h 3 min. Damit betrug ihre downwind VMG das 2,5-fache der Windgeschwindigkeit. [9][10][11][12]

Eissegler

Eissegler erreichen wegen der geringen Reibung zwischen Kufen und Eis routinemäßig ein Vielfaches der Windgeschwindigkeit.[6] Es wurde zwar von Geschwindigkeiten über 200 km/h berichtet, zuverlässig durch Messungen mit GPS sind jedoch 135 km/h bestätigt.

Landsegler

Der Landsegler Greenbird [13] stellte 2009 einen Weltrekord für windgetriebene Landfahrzeuge von 203 km/h auf, wobei die Windgeschwindigkeit 50–65 km/h betrug.[14]

Rotorsegler

Beim Rotorsegler rotieren die Tragflächen um eine horizontale Achse, sie erfahren daher einen anderen scheinbaren Wind als das Fahrzeug. Die Rotation ist an die Bewegung zur Oberfläche gekoppelt (z. B. über Räder auf Land oder einen zweiten Rotor im Wasser).

Im Gegensatz zum klassischen Segler können Rotorsegler sowohl direkt gegen den Wind als auch direkt vor dem Wind schneller als der Wind fahren. Während der Rotor in beiden Fällen bremsend auf den wahren Wind einwirkt, unterscheidet sich die Richtung des Leistungsflusses zu bzw. von den Rädern (bzw. der Schiffsschraube). Die maximale Geschwindigkeit in beide Richtungen ist nur durch die Effizienz, nicht jedoch durch die Windgeschwindigkeit beschränkt.[15][16]

1969 baute Dr. Andrew Bauer einen Rotor-Wagen, der 1,2-fache Windgeschwindigkeit direkt vor dem Wind erreichte.[17] Dieses Ergebnis wurde am 2. Juli 2010 deutlich übertroffen, als der Rotor-Wagen Blackbird 2,8 mal schneller als der direkte Rückenwind fuhr und damit den ersten zertifizierten Weltrekord in dieser Kategorie aufstellte.[18][19]

Einzelnachweise

  1. Segelboote können schneller segeln als der Wind. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  2. YACHT-Leser fragen, Bobby Schenk antwortet. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  3. Die Aerodynamik am Segel. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  4. Erklärungen und Diagramme (auf englisch): The physics of sailing. Abgerufen am 11. Februar 2011., Physics for Architects: Can Sailboats Sail Faster than the Wind?. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  5. Bob Dill: Frequenty Asked Questions. North American Land Sailing Association. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  6. a b Bob Dill: Putting Numbers on Iceboat Performance. North American Land Sailing Association. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  7. http://www.sailspeedrecords.com/wssr-newsletter-no-177.-hydroptere-world-records.-23/09/09.html
  8. http://www.sailspeedrecords.com/500-metre-records.html
  9. Pierre Nusslé (February 13, 2010): La démonstration de puissance d’Oracle brise le rêve d’Alinghi. Tribune de Genève. Abgerufen am 25. August 2010.
  10. First blood to USA – News – 33rd America's Cup. Consorsio Valencia (25. Juni 2007). Abgerufen am 25. August 2010.
  11. BMW ORACLE Racing Wins Race One. BMW ORACLE Racing (30. September 2003). Abgerufen am 25. August 2010.
  12. America's Cup, the numbers of a victory. Yacht Online. Abgerufen am 9. März 2010.
  13. http://www.greenbird.co.uk/
  14. http://www.nalsa.org/MeasuremantReport/MeasuremantReport.html
  15. Mac Gaunaa, Stig Øye, Robert Mikkelsen: Theory and Design of Flow Driven Vehicles Using Rotors for Energy Conversion. Abgerufen am 11. Februar 2011., Präsentation über Rotor-Wagen
  16. Mark Drela: Dead-Downwind Faster Than The Wind (DFTTW) Analysis. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  17. Andrew Bauer: Faster Than The Wind. Abgerufen am 11. Februar 2011., Foto von Bauer mit seinem Rotor-Wagen
  18. Direct Downwind Record Attempts. NALSA. Abgerufen am 11. Februar 2011.
  19. Kimball Livingstone: Downwind Noir. Blue Planet Times. Abgerufen am 11. Februar 2011.

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