Chorda dorsalis

Chorda dorsalis
Bauplan eines Lanzettfischchen mit Chorda dorsalis (2) zwischen dem Neuralrohr (1, 3) und dem Kiemendarm (6, 9, 11)

Die Chorda dorsalis („Rückensaite“; von lat. chorda bzw. griech. chorde „Darm“, „Darmsaite“ und lat. dorsum „Rücken“), auch Notochord oder Achsenstab genannt, ist das ursprüngliche, mesodermale, innere Achsenskelett aller Chordatiere und ist für diese das namensgebende Merkmal. Sie befindet sich als elastischer Stab bei ursprünglichen Chordatieren wie den Lanzettfischchen sowie bei frühen Entwicklungsstadien der Wirbeltiere (Vertebrata) im Rückenbereich (dorsal) zwischen dem Neuralrohr und dem Darm. Sie dient als Endoskelett und verleiht dem Lanzettfischchen somit Schutz, Festigkeit und dient als Ansatzpunkt für die Muskulatur.

Bei allen Wirbeltieren wird die Chorda dorsalis embryonal angelegt und bildet sich im Laufe der Individualentwicklung (Ontogenese) meistens vollständig oder bis auf Rudimente innerhalb der sie ersetzenden Wirbelsäule zurück. Sie induziert durch ihre Lage jedoch auch bei den Chordatieren, bei denen sie zurückgebildet wird, die Bildung des Neuralrohrs, welches sich zum zentralen Nervensystem aus Rückenmark und Gehirn entwickelt.

Aufbau

Die Chorda dorsalis stellt in ihrer ursprünglichen Form einen langen, elastischen Stab aus spezialisierten Zellen, dem so genannten chordagenen Gewebe, dar. Dabei handelt es sich um Einzelzellen mit einer großen Vakuole, durch deren Innendruck (Turgor) die Chorda dorsalis ihre Steifheit erhält. Der Chordastab wird von einer Bindegewebshülle, der Chordascheide, umgeben. Bei den Lanzettfischchen ist dieser Aufbau ersetzt durch geldrollenartig hintereinanderliegende und spezialisierte Muskelzellen und bei einigen Manteltieren (Tunicata) handelt es sich um glykogenreiche Zellen mit Dottereinschlüssen.

Bildung und Ontogenese

Die Chorda dorsalis entsteht in der Frühphase der Embryonalentwicklung bei der Bildung der Keimblätter (Gastrulation) als eine mesodermale Abschnürung vom Primärknoten. Das entstandene Gebilde ähnelt anfangs einem Hohlzylinder, entwickelt sich aber mit der Zeit zu einem Vollzylinder. Dieser Notochordvorgänger fusioniert (ungefähr am 20. Tag der Embryonalentwicklung bei Menschen) mit dem unterliegenden Entoderm, um die Chordaplatte zu bilden. Diese Übergangsstruktur ist nur kurzlebig, sie findet (zum Beispiel schon am 22.–24. Tag der Embryonalentwicklung bei Menschen) ein Ende durch die Abschnürung der Chorda vom Urdarm. Öfters wird – fälschlicherweise – nur der letzte Teil des Prozesses betrachtet, worauf die Chorda dann als entodermales statt mesodermales Gewebe aufgefasst wird. Es ist aber auch wahr, dass durch diesen Vorgang wenige Entodermalzellen dauerhaft in der Chorda eingeschlossen werden können.

Bei den Schädellosen sowie anderen Tiergruppen, bei denen die Chorda als Teil des Bewegungs- und Stützapparates wirkt, entwickelt sich eine kräftige Kollagenhülle um den Chordastab. Bei den Schädellosen selbst werden die chordagenen Zellen durch Muskelzellen ersetzt und stehen in direktem Kontakt zum darüberliegenden Neuralrohr. Sowohl bei den Ascidienlarven wie auch bei den freischwimmenden Appendikularien bleibt das gallertige Gewebe enthalten und stabilisiert den Stab durch den Innendruck der Zellen. Auch bei den Wirbeltieren wird die Chorda dorsalis in Form großer vakuolenreicher Zellen angelegt, bleibt jedoch nur bei den Rundmäulern sowie einigen Fischen wie den Knorpelfischen, den Stören und Latimeria zeitlebens in der Form enthalten.

Bei allen anderen Wirbeltieren wird die Chorda nur embryonal angelegt und durch die Wirbelsäule ersetzt oder auf einzelne, kleine Bereiche derselben eingeengt. Neben ihr entstehen zunächst die Urwirbel, später die definitiven Wirbel. Mit der Entstehung der Wirbelsäule setzt die Rückbildung der Chorda ein. Ob sich innerhalb der Wirbelkörper von Vögeln ein Chorda-dorsalis-Rest befindet und ob der gallertige Nucleus pulposus in den Zwischenwirbelscheiben (Bandscheibe) der Säuger ein Chorda-dorsalis-Rest ist, ist nicht abschließend geklärt. Diese Gallertkerne werden heute jedoch überwiegend als Neubildung interpretiert.

Literatur

  • Alfred Goldschmid: Chordata, Chordatiere. In: Wilfried Westheide & Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie, Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, Jena, New York, 1996. Seite 650-651
  • Stichwort „Chorda dorsalis“ in: Herder-Lexikon der Biologie. Spektrum Akademischer Verlag GmbH, Heidelberg 2003. ISBN 3-8274-0354-5

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