Runengedicht

Runengedicht
Das „Abecedarium Nordmannicum“ in der Abzeichnung Wilhelm Grimms, 1828.

Als Runengedicht bezeichnet man fünf mittelalterliche Merkverse die die Namen der Runenzeichen in Gedichtform überliefern. Sie sind zusammen mit den übrigen sogenannten Runica manuscripta, den gesammelten Handschriften mit Runentexten, die einzigen Quellen für die Runennamen.

Inhaltsverzeichnis

Runengedichte

Abecedarium Nordmannicum ca. 9. Jh.

Das Abecedarium Nordmannicum ist ein vermutlich aus dänischer Überlieferung stammendes Runengedicht welches in einer Handschrift der Stiftsbibliothek St. Gallen des Kloster St. Gallen erhalten ist. Das Gedicht listet die Runen des jüngeren Futharks auf die grob in ættir gegliedert sind. Hinter den Runen stehen jeweils weitere Einträge die mit den Runennamen staben (Stabreime sind fett markiert).

feu forman ᚢ ur after ᚦ thuris thritten stabu (ᚠ Vieh zuerst, ᚢ Ur danach, ᚦ thurse als dritten Stab)

Altenglisches Runengedicht ca. 10. Jh.

Das altenglische Runengedicht besteht aus 29 stabreimenden Strophen die 29 Runennamen nennen und umschreiben. Es war in einer Handschrift (Cotton Otho B X fol) erhalten die 1731 bei einem Brand in London beschädigt wurde. Heute müssen frühe Abschriften als Quelle herangezogen werden. Es ist das einzige Gedicht das auch die Namen der Runen des älteren Futharks überliefert weil diese im angelsächsischen Futhark enthalten sind.

ᚠ (feoh) byþ frofur || fira gehwylcum;
sceal ðeah manna gehwylc || miclun hyt dælan
gif he wile for drihtne || domes hleotan.

Reichtum ist Trost für jeden Menschen,
jedoch soll jeder es reichlich austeilen,
wenn er vor Gott Anerkennung verdienen möchte.

Altnorwegisches Runengedicht ca. 14. Jh.

Für das altnorwegische Runengedicht ist die Forschung ebenfalls auf Abschriften und Drucke angewiesen da es 1728 im Stadtbrand von Kopenhagen verbrannte. Es besteht aus 16 alliterierenden Runhentstrophen in denen sowohl der Stab- als auch der Endreim Anwendung findet.

ᚠ (fé) uældr frenda roge || fǫdezt ulfuer i skoghe.

Reichtum bewirkt den Streit der Verwandten, der Wolf ernährt sich im Wald.

Altisländisches Runengedicht ca. 13 Jh.

Die Überlieferung des altisländisches Runengedichts verteilt sich auf viele einzelne Quellen die alle aus derselben Tradition schöpfen und sich sehr ähnlich sind. Das Gedicht besteht aus 16 Strophen die metrisch dem Ljóðaháttr ähneln (auf eine Langzeile folgt immer eine Kurzzeile die in sich selbst stabt).

ᚠ (fé) er frænda róg || ok flæðar viti
ok grafseiðs gata.

Reichtum ist der Streit der Verwandten und Feuer der Flut (=Gold) und des Grabfisches Weg (=Gold).

Die Anverse des altisländisches Runengedichts ähneln auffällig oft denen des altnorwegischen. Es ist darüber hinaus das einzige Gedicht das den Namen Ase für die a-Rune überliefert. Die anderen Gedichte hatten dies wohl aus scheu vor den heidnischen Göttern vermieden.

Altschwedisches Runengedicht ca. 17. Jh.

Das altschwedische Runengedicht ist in einem Brief überliefert der am 12. Februar 1600 vom schwedischen Studenten Nicolaus Andreae Granius an Bonaventura Vulcanius geschickt wurde. Er befindet sich in der Universitätsbibliothek Leiden unter der Signatur Vulc. 106. Im Großen und Ganzen ähnelt das Gedicht den anderen skandinavischen Gedichten aber überliefert nur 14 Runennamen.

Fyr, er fæ franda ro, Ur væder varst. Tors inne āl. Ōs i hvario å

(Wörtlich übersetzt)
Feuer (?) ist Vieh Verwandten Ruhe, Ur (Sprühregen) Wetter schlimmstes , Tors Frauen Qual, Mund (Mündung) in jedem Fluss.

Zusammenfassung

Aus den einzelnen Gedichten wurden die Runennamen für das ursprüngliche ältere Futhark mit 24 Runen erschlossen. Die Namen wurden zudem aus den einzelnen germanischen Sprachen philologisch in ihre urgermanische Form zurückgeführt mit denen man heute die Runen benennt.

Siehe auch

Literatur

  • Alessia Bauer: Runengedichte. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 25 Heinrich Beck(Hrsg.). de Gruyter, Berlin – New York (2. Aufl.) 2003. S. 519–524.
  • Alessia Bauer, Rudolf Simek: Runengedichte – Texte, Untersuchungen und Kommentare zur gesamten Überlieferung. Fassbaender, Wien 2003
  • Klaus Düwel: Runenkunde. 3. Auflage. Metzler, Stuttgart Weimar 2001, ISBN 3-476-13072-X.

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