Chlamydien

Chlamydien
Chlamydiaceae
Chlamydia trachomatis, Einschlusskörperchen

Chlamydia trachomatis, Einschlusskörperchen

Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Chlamydiae
Ordnung: Chlamydiales
Familie: Chlamydiaceae
Wissenschaftlicher Name
Chlamydiaceae
Rake 1957
Gattungen
  • Chlamydia Jones et al. 1945
  • Chlamydophila Everett et al. 1999

Die gram-negativen Chlamydien (gr. Chlamys, Genitiv Chlamydos = ‚Mantel‘) bilden eine Familie der Bakterien. Sie können eine Vielzahl von Lebewesen infizieren, auch den Menschen. Chlamydien lösen hier insbesondere Erkrankungen (Chlamydiose) der Schleimhäute im Augen-, Atemwegs- und Genitalbereich aus mit teilweise schwerwiegenden Folgen wie Erblindung oder Unfruchtbarkeit.

Chlamydieninfektionen sind mit Antibiotika gut behandelbar. Rechtzeitig behandelte Chlamydieninfektionen ziehen in der Regel keine Folgeschäden nach sich.[1] Unbehandelte Chlamydienerkrankungen sind in Entwicklungsländern die häufigste Ursache vermeidbarer Erblindungen, sie können auch zu Eileiterschwangerschaften, Frühgeburt, Unfruchtbarkeit oder Arthritis führen. Chlamydien sind einer der häufigsten Verursacher sexuell übertragener Erkrankungen weltweit. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine bestehende Chlamydieninfektion die Ansteckung mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten, einschließlich der Infektion mit HIV, bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr erleichtern kann.

Chlamydien gehören zu den Eubakterien, sind mit den anderen Vertretern dieser Gruppe jedoch nur entfernt verwandt. Sie sind obligat intrazelluläre Bakterien und vermehren sich ausschließlich innerhalb einer Wirtszelle. Auf üblichen Nährmedien können sie nicht angezüchtet werden.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Chlamydien durchlaufen in ihrem Entwicklungszyklus zwei Formen. Außerhalb ihrer Wirtszellen existieren sie als Elementarkörperchen (EK) von ca. 0,2 bis 0,4 μm Durchmesser. In dieser Form können sie Wirtszellen infizieren. Einmal in die Zelle aufgenommen, wandeln sich die Elementarkörperchen in Retikularkörperchen (RK) um, die einen aktiven Stoffwechsel besitzen und sich innerhalb der Wirtszelle vermehren. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2006 lassen vermuten, dass es den Retikularkörperchen gelingt, Lipide der Wirtszelle in ihre Hüllmembran einzubauen und somit zu verhindern, dass die Lysosomen der Wirtszelle sie als Fremdkörper erkennen und mit ihnen verschmelzen.[2] Vor dem Tod der Wirtszelle wandeln sich die RK wieder in EK um, die dann bei der Zerstörung der Zelle freigesetzt werden und weitere Zellen infizieren können.

Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer rein intrazellulären Vermehrung rechnete man Chlamydien bis in die 1960er-Jahre den Viren zu. 1966 wurden sie als eigene Ordnung Chlamydiales der Bakterien erkannt.

Nach der aktuellen Taxonomie ist die Ordnung Chlamydiales in vier Familien aufgeteilt, wobei die humanpathogenen Arten in die Familie Chlamydiaceae mit den Gattungen Chlamydophila und Chlamydia fallen.

Durchseuchung

Humanpathogene Arten sind Chlamydophila pneumoniae, die hauptsächlich Lungenentzündungen hervorruft, Chlamydia trachomatis, die neben der namensgebenden Bindehautentzündung unter anderem für Entzündungen im Genitalbereich verantwortlich ist, und Chlamydophila psittaci, der Erreger der Ornithose. Die Infektion mit C. trachomatis ist die in Europa am häufigsten auftretende sexuell übertragbare Krankheit bakterieller Ursache. In Deutschland beträgt die Prävalenz einer C.-trachomatis-Infektion bei minderjährigen Mädchen 5,4 %[3] und steigt an mit der Zahl der Sexualpartner. In deutschen Großstädten sind bis zu zehn Prozent der jungen Frauen infiziert.[4]

Erkrankungen

C. trachomatis hat mehrere Untergruppen, die sich durch ihre Oberflächenstruktur unterscheiden und so in Serovare eingeteilt werden. Diese Serovare wiederum lassen sich in drei Gruppen anordnen, die unterschiedliche Erkrankungen verursachen. Serovar A bis C ist der Erreger des Trachoms, der häufigsten Augenerkrankung in Entwicklungsländern, sie führt dort häufig zur Erblindung. In Europa ist das Trachom dagegen selten. Die Übertragung erfolgt vor allem durch mangelnde Hygiene.

Auch Serovare D bis K können eine Infektion der Augen verursachen. Es kommt zu Eiterbildung in der Bindehaut, die aber meist komplikationslos ausheilt. Diese Gruppe der Chlamydien kann auch Infektionen im Genitalbereich auslösen. Beim Mann kann es zu Entzündungen in der Harnröhre, in der Prostata und in den Nebenhoden kommen. Auch bei der Frau wird die Harnröhre entzündet. Daneben befällt der Erreger gerne die Schleimhaut des Gebärmutterhalses und wandert dann die weiblichen Geschlechtsorgane hoch über die Gebärmutter bis zu den Eileitern. Dadurch können die Eileiter verkleben und so zur Unfruchtbarkeit der Frau führen. Außerdem können verklebte Tuben verhindern, dass ein befruchtetes Ei die Gebärmutter erreicht. Diese sogenannte Extrauteringravidität kann zu vielen Komplikationen führen. Wenn eine mit C. trachomatis Serovare D bis K genital infizierte Mutter ein Kind zur Welt bringt, kann sie ihr Neugeborenes unter der Geburt infizieren. Beim Säugling kommt es dann vor allem zu Lungenentzündungen und Konjunktivitis. Serovare D bis K sind hoch ansteckend. Eine Übertragung kann schon durch die Benutzung des gleichen Badewassers geschehen. Dafür ist der Name Schwimmbadkonjunktivitis geprägt worden.[5]

Serovare L1 bis L3 lösen das Lymphogranuloma venereum aus. Diese vorwiegend durch Sexualkontakte übertragene Krankheit zeichnet sich durch Lymphknoteneinschmelzungen in der Leistengegend aus. Als Spätfolge kann es zu Verschluss der Lymphbahnen mit Stauungszeichen bis hin zur Elephantiasis kommen.

C. pneumoniae, das viel weiter verbreitet ist als C. trachomatis und unter anderem chronischen Husten auslösen kann, steht auch im Verdacht, bei Herzerkrankungen aufgrund von Arteriosklerose eine Rolle zu spielen.

Bei ungeschützem oralem oder analem Verkehr kann es auch zu einer Clamydieninfektion des Rachens und des Rektums kommen. Diese Infektionen verlaufen meistens ohne Beschwerden und werden daher nur sehr selten entdeckt. Die Diagnose erfordert gezielte Untersuchung von Abstrichen der Rektum- und Rachenschleimhaut mittels Polymerasekettenreaktion. Die Infektionen heilen zwar meistens nach einigen Wochen komplikationslos aus, stellen bis dahin aber ein Infektionsrisiko dar.[6]

Therapie

Infektionen durch Chlamydien werden meist mit Makroliden oder Tetracyclinen behandelt. Eine akute Chlamydieninfektion wird z. B. mit Doxycyclin oder mit Azithromycin behandelt. β-Lactam-Antibiotika wie Penicillin sind aufgrund der fehlenden Zellwand völlig unwirksam. Antibiotikaresistenzen sind bei Chlamydien sehr selten, weshalb von der gut wirksamen Therapie mit Chinolonen oft abgesehen wird, die teils mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen behaftet ist. Mit Blick auf Begleitinfektion mit Gonokokken ist diese Variante jedoch zu diskutieren.

Die Infektion mit C. trachomatis gehört zu den infektiösesten sexuell übertragbaren Krankheiten. Die Therapie kann daher nur erfolgreich sein, wenn alle Sexualpartner des Patienten mitbehandelt werden. Nach Abschluss der Therapie sollte der Behandlungserfolg durch erneute Tests aller Patienten nachgewiesen werden. Auch eine Untersuchung auf andere sexuell übertragbare Infektionen ist aufgrund der ähnlichen Verbreitungswege dieser Krankheiten anzuraten.

Diagnostik

Zur Diagnose einer Chlamydieninfektion stehen die Immunfluoreszenz an passendem Abstrichmaterial, die DNA-Analyse via PCR an Abstrichen oder Erststrahlurin und die Anzucht in speziellen Zellkulturen zur Verfügung. Letztere ist aufgrund der obligat zellparasitären Lebensweise der Chlamydien sehr aufwändig. Der Nachweis von Antikörpern gegen C. trachomatis ist ebenfalls möglich, kann aber nicht zuverlässig zwischen ausgeheilten und persistierenden Infektionen unterscheiden und ist daher in der Regel von begrenztem Wert.

Systematik der Chlamydien

Das folgende Kladogramm stellt eine Hypothese der Verwandtschaftsverhältnisse innerhalb der Chlamydien dar:[7]


N.N. 
N.N. 
 N.N. 

 Chlamydophila pneumoniae


 N.N. 

 Chlamydophila pecorum


 N.N. 

 Chlamydophila felis


 N.N. 

 Chlamydophila caviae


 N.N. 

 Chlamydophila psittaci


     

 Chlamydophila abortus







 N.N. 

 Chlamydia suis


 N.N. 

 Chlamydia trachomatis


     

 Chlamydia muridarum





 N.N. 

 Simkania negevensis


 N.N. 

 Waddlia chondrophila


 N.N. 
 N.N. 

 Parachlamydia acanthamoebae


 N.N. 

 Endosymbiont von Acanthamoeba sp. UWE1


     

 Endosymbiont von Acanthamoeba sp. UWE25




 N.N. 
 N.N. 

 Neochlamydia hartmannellae


 N.N. 

 Endosymbiont von Acanthamoeba sp. Tume1


     

 Endosymbiont von Acanthamoeba sp. UWC22










Quellen

Einzelnachweise

  1. Netdoktor.de: "Chlamydieninfektion" [1]
  2. Spektrum der Wissenschaft", 2, 2006, S. 28–35.
  3. Deutsches Ärzteblatt, 28/2005
  4. Die heimliche Epidemie: Chlamydien breiten sich unter Teenagern aus - NachrichtenWissenschaft - WELT ONLINE
  5. Hof, H., Dörries, R.: Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie, 3. Aufl. Chlamydiceae, S.447-451
  6. U. Marcus: Gonorrhö und Chlamydien bei Männern, die Sex mit Männern haben. (PDF) In: Epidemiologisches Bulletin. 2006-03-03. Abgerufen am 13. Januar 2011.
  7. Matthias Horn, Michael Wagner: Bakterien, die in Amöben leben. In: Biologie in unserer Zeit. Nr. 3, 2001, S. 160-168.

Literatur

  • David M. Ojcius, Toni Darville, Patrik M. Bavoil: Die heimliche Seuche. In: Spektrum der Wissenschaft. 2/2006. Spektrum der Wissenschaft Verlag, S. 28–35, ISSN 0170-2971

Weblinks

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