Rathaus Dessau

Rathaus Dessau
Rathaus Dessau (Leopoldsfest 2010)
Dessauer Stadtansicht von der Mulde aus mit dem Rathausturm rechts neben dem Johannbau und der Schlosskirche St. Marien
Dessauer Rathaus bei Nacht
Marktplatz mit Rathaus im Hintergrund (1953)
Detail

Das Rathaus Dessau ist ein 1910 nach Plänen des Architekturbüros Reinhardt und Süßenguth aus Charlottenburg erbautes Wahrzeichen der Stadt Dessau in der Zerbster Straße 4 und heute Sitz der Stadtverwaltung von Dessau-Roßlau. Der Rathausturm ist mit einer Gesamthöhe von 73 Metern der höchste Turm in Dessau. Über 160 Stufen führen auf eine in 42 Metern Höhe gelegene Aussichtsplattform.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorläufer des heutigen Rathauses

Am Ort des heutigen Rathauses befand sich im 13. Jahrhundert ein Kaufhaus, welches gegen Ende des 13. Jahrhunderts vom damaligen Landesherren, Fürst Bernhard III., der Familie Dreycken als Erblehen übergeben worden war. 1323 wird urkundlich erstmals ein Rat der Stadt Dessau erwähnt.[2] Am 12. März 1336 wurde das Lehen von den Fürsten Albrecht und Waldemar der Stadt Dessau übertragen. Das Gebäude wurde von der Bürgerschaft zu ihren Versammlungen genutzt und ist daher als das erste Rathaus anzusehen. Über die weitere Geschichte des Hauses ist nichts bekannt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass es 1467 abbrannte. Auch ein Nachfolgebau scheint durch Brand zerstört worden zu sein.[3]

Das dritte Dessauer Rathaus, mit einer großen und kleinen Ratsstube, einem Ratssaal, sowie einer Rüst- und Schatzkammer in den Obergeschossen und dem Ratskeller im Untergeschoss, wurde 1563 errichtet. Vor dem Gebäude befand sich ein, mit einer Haube gekrönter, achteckiger Turm, in welchem eine Wendeltreppe in die oberen Geschossen führte. Das Turmportal hatte einen Löwenkopf als Schlussstein eines Halbkreisbogens, zwei konsolenartigen Menschenköpfe und das in Stein gehauene Stadtwappen mit der Jahreszahl 1563. Der Giebel am Markt enthielt die Stadtuhr mit Glocke. 1601 erhielt der Ratskeller ein Eingangsportal mit einem Gesims, Obelisken und Bodengiebel mit Muschel.[3]

1883 wurde das Gebäude umgebaut. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die neu geschaffenen Räumlichkeiten nicht ausreichten, um die Verwaltung aufzunehmen. Im Jahre 1885 musste ein Zimmer vom Ratskeller und 1887 ein Geschoss eines Nachbarhauses mitgenutzt werden. Am 27. April 1895 beschloss daher der Gemeinderat die Errichtung eines Neubaues.[4]

Heutiges Gebäude

Im August 1898 lagen die Bauzeichnungen vor. Architekt Möbius aus Berlin übernahm im Oktober 1898 die örtliche Bauleitung für das neue Rathaus. Die Stadt richtete ein besonderes Rathausbauamt ein, dessen Leitung Möbius übernahm. Ihm wurden zur Unterstützung Bauassistent Schütz, der jedoch nach wenigen Monaten verstarb, Bauassistent Kramer und Bauschreiber Stürz beigegeben.[4]

Der Abbruch des alten Rathauses erfolgte bis Februar 1899. Ein Grundstein wurde dabei nicht gefunden. Die aus dem untersten Mauerwerk stammenden größeren Steine wurden später zur Erinnerung an das alte Rathaus mit der Bezeichnung Grundsteine vom Rathaus 1563 auf dem Kaiserplatz aufgestellt.[4]

Der erste Spatenstich erfolgte Mitte Februar 1899. Die feierliche Grundsteinlegung fand mit einem Festakt am Geburtstag von Herzog Friedrich I., dem 29. April 1899, statt.[5] Der Rohbau wurde Ende des Jahres 1900 fertiggestellt.[6] Turm- und Ratskellerportal wurden nach dem Abriss des alten Rathauses 1899 im Hof des Neubaus von 1901 wieder angebracht.[3] In der Nacht vom 27. auf den 28. Januar und am 4. April 1901 entstanden durch starke Stürme erhebliche Schäden am Gebäude. In der Schloßstraße wurde die Bekrönung des südlichen Frontgiebels aus der Höhe heruntergerissen. Die Scheiben der Fenster im großen Sitzungssaal des Rathauses wurden eingedrückt und das Dach durch herab fallende Gerüstbretter beschädigt. Die Schäden wurden beseitigt und die Wetterfahne, sowie Verzierungen aus Kupfer neu hergestellt, da die alten für die Konstruktion zu schwer und ebenfalls beschädigt worden waren. Dadurch verlor der Turm, der bis zur äußeren Spitze ursprünglich 75 m gemessen hatte, an Höhe.[6]

Der Innenarchitekt Bernhard Pankok gestaltete für den Neubau einen Saal für Eheschließungen.[7] Der Bau des neuen Rathauses kostete insgesamt etwa 1,25 Millionen Mark.[6]

Am Abend des 2. April 1910, keine zehn Jahre nach Fertigstellung, wurden große Teile des Gebäudes durch einen Brand zerstört. Dabei wurden auch tausende, auf dem Dachboden gelagerte Aktenstücke, alte Stadtrechnungen und sonstiges Archivmaterial bis zurück in die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, sowie die Bauzeichnungen des Rathauses vernichtet. Am 4. April 1910 beschloss der Gemeinderat den Wiederaufbau, der erneut den Architekten Reinhardt und Süssenguth übertragen wurde, die schon den Neubau ausgeführt hatten.[6]

Ab dem 3. Mai 1912 stand der in alter Form hergerichtete Sitzungssaal dem Gemeinderat wieder zur Verfügung. Die Wiederherstellungsarbeiten mit einigen Verbesserungen und Ausbauten kosteten 319.000 Mark, die bis auf rund 63.000 Mark durch die Zahlungen der Versicherungen (Landesbrandkasse und einige Privatgesellschaften) gedeckt waren.[6]

Von 1934 bis 1935 wurde der Ostflügel des Rathauses verlängert, da der Platz im Gebäude erneut nicht mehr ausreichte. Es beherbergte damals Institutionen wie die Sparkasse oder auch die Feuerwache, die heutzutage außerhalb von Rathausmauern zu finden sind. Figuren und Reliefs, wie die Feuerwehrhelme über den Toren im alten Innenhof, in der Außenfassade des Rathausbaus weisen jedoch teilweise noch heute darauf hin. Auch eine Polizeistation war im Rathaus untergebracht, worauf noch heute eiserne Gitter und Tore im Erdgeschoss hinweisen.[8] Bereits Jahre zuvor mussten Abteilungen ausgelagert werden. Ein schon 1910 im Zuge der Wiederherstellung nach dem Brand erstelltes Erweiterungsprojekt konnte jedoch aufgrund des Ersten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit nicht ausgeführt werden.[6]

Am 7. März 1945 brannte das Obergeschoss des Rathauses im Zweiten Weltkrieg erneut aus, wobei große Teile der Bausubstanz, die Räume des Ratskellers und das Erdgeschoss aber erhalten blieben. Dort wurde ab Juli 1945 die neue Verwaltung eingerichtet. Im Zweijahresplan 1949/1950 wurden Mittel für einen Wiederaufbau des Rathauses bereitgestellt. Es kam jedoch zu baulichen Veränderungen. Die Giebel zum Markt hin und am Ost- und Westflügel wurden nicht wieder errichtet. Anstelle des hohen Satteldachs wurde ein flacheres ohne Dachreiter und Luken errichtet. Der Erker an der Ecke blieb in vereinfachter Gestalt. Der Ostflügel erhielt an seinem Südende einen schmalen Kopfbau, in dem ein zweites Treppenhaus gebaut wurde. Auch der Westflügel wurde erweitert und an die alte Südfront angebunden. Ein schneller Wiederaufbau scheiterte vor allem am Materialmangel in der DDR der Nachkriegszeit. Im Dezember 1950 wurde Richtfest gefeiert und am 18. November 1952 die westliche Eingangshalle freigegeben. Auch in diesem etwas erweiterten Gebäude fanden nicht alle Dienststellen der Verwaltung Platz, so dass einige weiterhin in Außenstellen untergebracht blieben.[6]

Der Ratskeller konnte bereits früher, am 1. März 1949 als erste Dessauer HO-Gaststätte unter dem Namen „Freie Gaststätte am Markt“, später wieder „Ratskeller“, wiedereröffnet werden. Nach der Wende hatte die Gaststätte verschiedene Pächter. Von 1993 bis 1996 wurde der Ratskeller umfangreich rekonstruiert. Seit dem 1. Januar 2006 ist die Gesellschaft „Zum Alten Dessauer“ Betreiber des Gastronomiebetriebs „Historischer Ratskeller zu Dessau“.[9]

Heutige Nutzung

Das Dessauer Rathaus war bis 2007 Sitz der Stadtverwaltung der Stadt Dessau.[10] Seit der Kreisreform am 1. Juli 2007, bei der aus der kreisfreien Stadt Dessau und der zum aufgelösten Landkreis Anhalt-Zerbst gehörenden Stadt Roßlau die Stadt Dessau-Roßlau entstand, ist es Sitz der gemeinsamen Stadtverwaltung und der meisten Ämter. Das Rathaus Roßlau, Markt 5, beherbergt als Technisches Rathaus das Dezernat für Wirtschaft und Stadtentwicklung, sowie die dazugehörigen Fachämter.[11]

Umgebung

Rathaus und nähere Umgebung aus der Luft (2009)

Seit dem 9. November 2002 befindet sich vor dem Rathaus die Friedensglocke, ein Denkmal für die politische Wende 1989 in der Deutschen Demokratischen Republik mit den Inschriften „Keine Gewalt“ und „Ich läute für Frieden und Freiheit + Ohne Freiheit kein Frieden + Ohne Frieden keine Freiheit“. Sie ist heute ein Treffpunkt für Friedensgebete und andere Aktionen. Insbesondere in den Zeiten des Irak-Krieges und der Anti-Hartz-Demonstrationen fanden hier regelmäßige Treffen statt.

Im September 1995 wurde zwischen Stadtpark und Rathaus das Einkaufszentrum „Rathaus-Center“ mit etwa 20.000 m² Verkaufsfläche und etwa 80 Fachgeschäften eröffnet, das durch die Deutsche EuroShop errichtet und vom ECE Projektmanagement betrieben wird.[12]

Künstlerische Abbildungen

Am 22. April 2002 wurde vom polnischen Künstler Krysztof Nitsch aus der Dessauer Partnerstadt Gliwice eine auf 250 Exemplare limitierte Gedenkmedaille vorgestellt, die an das 100jährige Bestehen des Rathauses erinnert.[13]

Weblinks

 Commons: Rathaus Dessau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Flyer der Stadt Dessau zur Museumsnacht 2004 (PDF-Dokument; 370 kb)
  2. Chronik der Stadt Dessau auf anhalt-geschichte.de
  3. a b c Die Geschichte des Rathauses bis 1895 aus H. S. Art'l: Allerlei vom Rathaus zu Dessau, 1902, auf dessau-geschichte.de
  4. a b c Die Planung des neuen Rathauses 1895 bis 1898 aus Geschichte des Rathauses der Stadt Dessau, 1901, auf dessau-geschichte.de
  5. Der Neubau 1899 bis 1901 aus Geschichte des Rathauses der Stadt Dessau, 1901, auf dessau-geschichte.de
  6. a b c d e f g Zerstörung und spätere Um- und Anbauten aus Häuserbuch der Stadt Dessau, Heft 5, auf dessau-geschichte.de
  7. Gordon Campbell: The Grove encyclopedia of decorative arts, Band 1. Oxford University Press US, 2006, ISBN 0195189485 (Volltext in der Google Buchsuche).
  8. Die ehemalige Polizeistation
  9. Geschichte des historischen Ratskellers zu Dessau
  10. Das Dessauer Rathaus - Sitz der Stadtverwaltung
  11. Das Rathaus - Sitz der Stadtverwaltung Dessau-Roßlau
  12. Portrait Rathaus-Center Dessau der Deutsche EuroShop
  13. Gedenkmedaille zum Dessauer Rathaus
51.83446512.246902

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