Rainer Schlösser

Rainer Schlösser

Rainer Schlösser (* 28. Juli 1899 in Jena; † verschollen April/Mai 1945 in Berlin) war einer der wichtigsten deutschen Kulturpolitiker zur Zeit des Nationalsozialismus, er war '"Reichsdramaturg'", Leiter der Reichstheaterkammer im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda und 1935-1938 Präsident der Reichskulturkammer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur 1917 begann Schlösser seine Ausbildung zum Offizier. Kriegsbedingt kam er schon bald zum Fronteinsatz in Flandern. Im September 1917 erhielt er den Rang eines Leutnants. Nach Kriegsende studierte er Geschichte, Philosophie, Deutsche Philologie und evangelische Theologie an den Universitäten Jena und Freiburg. 1920 starb sein Vater Rudolf, vormals Universitätsprofessor in Jena und seit 1911 Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar. Daraufhin musste Schlösser sein Studium unterbrechen, arbeitete als Bankkaufmann und brachte es bis zum Prokuristen. Im November 1927 nahm er in Jena das Studium wieder auf und wurde im Mai 1931 bei Albert Leitzmann mit der Dissertation: Johann Friedrich Struensee in der deutschen Literatur zum Dr. phil. promoviert.

Werdegang als Publizist und Kulturpolitiker

Ab 1924 begann seine publizistische Tätigkeit zunächst für die völkische, später für die nationalsozialistische Bewegung.[1] Seit 1925 war Schlösser Mitarbeiter der Zeitschrift Deutsches Schrifttum, die durch Adolf Bartels herausgegeben wurde.[2] Im Oktober 1931 wurde er kulturpolitischer Redakteur beim Völkischen Beobachter. Schlösser war Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnr.: 772.091).[1]

Nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten wirkte er an der Umgestaltung des deutschen Kulturlebens im Sinne des Nationalsozialismus als einflussnehmender Parteifunktionär mit. Dafür durfte er Karriere machen. Im August 1933 erhielt Schlösser durch Joseph Goebbels das neu geschaffene Amt des Reichsdramaturgen im ebenfalls 1933 erstmals eingerichteten Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Zudem stieg er zum Ministerialrat auf.[3] In der Folgezeit übernahm er außerdem eine Vielzahl von leitenden Funktionen in Vereinigungen des deutschen Theaterlebens. Bei der Union Nationaler Schriftsteller war er ab Januar 1934 erster Vizepräsident.

Die Durchführung nationalsozialistischer Kulturpolitik hieß zuerst vor allem die Ausmerzung alles Jüdischen in Theater und Oper. Dazu hatte er verschiedene Machtmittel zu Verfügung. So war er als Reichsdramaturg auch für die Zulassung oder Ablehnung von Opern- und Operettenaufführungen zuständig. Er untersagte am 9. März 1934 nach einer Anfrage des preußischen Theaterausschusses Aufführungen von Werken der „jüdischen Komponisten“ Giacomo Meyerbeer und Jacques Offenbach.[4] Schlösser war unter anderem auch für die Zensur der Theatervorhaben der Jüdischen Kulturbünde zuständig und achtete dabei unter anderem sehr darauf, dass kein "Jude ausgerechnet Kleist dramatisch ausschlachtet". [5] Weitere Spielverbote wurden auch damit begründet, dass das Dritte Reich das Judentum in seiner eminenten Gefahr erkannt habe. [6] Bei zeitgenössischen Operetten bemängelte er in einem Schreiben an Goebbels vom 12. September 1934 den hohen Anteil jüdischer Komponisten und Librettisten, woraufhin ihn Goebbels anwies, eine „Säuberung“ vorzunehmen.[7]

Ab 1935 war Schlösser Präsident der Reichstheaterkammer.[8] Im April 1938 folgte ihm in dieser Funktion Ludwig Körner nach.[9]

„Die Theaterführung wird von Schlösser in meinem Auftrag vorzüglich verwaltet.“

Joseph Goebbels: Tagebucheintrag vom 4. August 1942.[10]

Ebenfalls bis 1938 gehörte Schlösser dem 1935 von Goebbels berufenen, in der Praxis wenig bedeutenden Reichskultursenat an.[11] Im September 1939 wurde er mit dem Dienstgrad eines Obergebietsführers Leiter des Kulturamtes der Hitler-Jugend.[1] Schlösser, der in seiner Funktion als Reichsdramaturg auch Opernaufführungen zu beurteilen hatte, rügte 1942 zwei Tage nach der Berliner Erstaufführung der von der NS-Kritik als dekadent, dissonant und als „Negermusik“ bezeichneten Oper Hans Eberts über die Hille Bobbe, die „nicht arische Versippung“ des Komponisten und verlangte, dass „durch die hier gerügten Lässigkeiten erschütterte Ruf der Reichsdramaturgie hinsichtlich ihrer nationalsozialistischen Zuverlässigkeit wieder hergestellt“ werden müsse.[12] Als amtierender Reichsdramaturg war Schlösser weiterhin verantwortlich für die während des Zweiten Weltkrieges von der Reichsstelle für Musikbearbeitungen vorgenommenen Änderungen von Opernlibretti im Sinne des Nationalsozialismus.[13]

Von 1944 an leitete Schlösser, der 1942 zum Ministerialdirigenten aufgestiegen war, die Abteilung Kultur im Propagandaministerium und lenkte Maßnahmen zur Umgestaltung des deutschen Kulturlebens im totalen Krieg. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges soll er sich während der Schlacht um Berlin nach Adolf Hitlers Tod den Resten einer SS-Panzer-Einheit angeschlossen haben, die beschossen und zersprengt wurde. Seitdem gilt Schlösser als verschollen.

In der Nachkriegszeit wurden 1946 in der SBZ sämtliche Werke Schlössers als Bestandteil der nationalsozialistischen Propaganda in die Liste der auszusondernden Literatur aufgenommen.[14]

Werke (Auswahl)

  • Uns bleibt die heilige deutsche Kunst: Rede anläßl. d. Kulturtage d. Hitler-Jugend d. Gebietes Sachsen am 7. Nov. 1943 in d. Staatsoper zu Dresden, NSDAP Hitlerjugend Dresden 1943
  • Rausch und Reife: Gedichte, Stuttgart 1943
  • Adolf Bartels, Deutsche Dichter: Charakteristiken Hrsg. Rainer Schlösser, Leipzig 1943 .
  • Von der Einfalt des Herzens: Bemerkungen über Eichendorff, Berlin 1942
  • Musisches und Akademisches: Festansprache d. Reichsdramaturgen Ministerialdirigent Dr. Rainer Schlösser anläßl. d. 50jähr. Bestehens d. Stadttheaters Göttingen . Stadttheater Göttingen 1942
  • Rede von Obergebietsführer Dr. Schlösser anläßlich des Festaktes im Deutschen Nationaltheater zu Weimar am 14. Juni 1941. NSDAP, Verlag der Reichsjugendführung 1941
  • Gedichte und Gedanken. In: Schriftenreihe des Kriegsbetreuungsdienstes des Reichsjugendführers, Heft 4., Verlag der Reichsjugendführung Berlin 1940
  • Grabbes Vermächtnis, Münster 1937.
  • Politik und Drama, Berlin 1935
  • Das Volk und seine Bühne: Bemerkungen zum Aufbau des deutschen Theaters, Berlin 1935
  • Die große Runde 1917/1934 (Gedichte), Berlin 1934
  • Struensee in der deutschen Literatur. In: Altonische Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, Band 1. Dissertation, Altona 1931
  • Das Lied vom Stahlhelm (Gedichte), 1924

Literatur

  • Stefan Hüpping: Rainer Schlösser – der Dichter-Soldat. In: Rolf Düsterberg (Hrsg.): Dichter für das "Dritte Reich". Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89528719-0.
  • Boris von Haken: Der "Reichsdramaturg" Rainer Schlösser und die Musiktheater-Politik in der NS-Zeit, von Bockel Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-932696-64-0.
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945 ?. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-59617153-8.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8. 
  • Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. PDF auf CD-ROM, Kiel 2004. (2. Edition, Kiel 2009)
  • Erich Stockhorst: 5000 Köpfe – Wer war was im Dritten Reich. Arndt, Kiel 2000, ISBN 3-88741-116-1. 

Weblinks

Literatur von und über Rainer Schlösser im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Einzelnachweise

  1. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 476.
  2. Nina Okrassa: Peter Raabe. Dirigent, Musikschriftsteller und Präsident der Reichsmusikkammer (1872-1945), Böhlau Verlag, 2004, S. 57.
  3. Erich Stockhorst: 5000 Köpfe - Wer war was im Dritten Reich, Kiel 2000, S. 382.
  4. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. PDF auf CD-ROM, Kiel 2004, S. 2145, mit Bezug auf die Quelle BA R 56 I/ 11.
  5. Brief Schlössers vom 5. Dezember 1933 an Staatskommissar Hans Hinkel, abgedruckt in Joseph Wulf, Theater und Film in Dritten Reich, Frankfurt/M 1983, ISBN 3-548-33031-2. Seite 269 f.
  6. Brief Schlössers vom 26. Oktober 1933 an Staatskommissar Hans Hinkel abgedruckt in Joseph Wulf, Theater und Film in Dritten Reich, Frankfurt/M 1983, ISBN 3-548-33031-2. Seite 113ff
  7. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. PDF auf CD-ROM, Kiel 2004, Briefzitat S. 2160–2162, Quelle BA R 55/ 20169. Blatt 145–147, 148–149.
  8. Bogusław Drewniak: Das Theater im NS-Staat. Szenarium deutscher Zeitgeschichte 1933–1945, Droste, Düsseldorf 1983, S. 16
  9. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 293.
  10. Zitiert bei: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 476.
  11. Bogusław Drewniak: Das Theater im NS-Staat. Szenarium deutscher Zeitgeschichte 1933–1945, Droste, Düsseldorf 1983, S. 158
  12. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. PDF auf CD-ROM, Kiel 2004, S. 1291.
  13. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. PDF auf CD-ROM, Kiel 2004, S. 2357, Schreiben vom 4. Januar 1943.
  14. Liste der auszusondernden Literatur 1946.

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