Chinesische Schriftreform

Chinesische Schriftreform
Vergleich von Langzeichen und Kurzzeichen (rot: beiden Systemen Gemeinsames, grün: Langzeichen, lila: Kurzzeichen)

Kurzzeichen (chin. 簡體字 / 简体字, jiǎntǐzì) sind die vereinfachte Version der traditionellen Langzeichen der chinesischen Schrift. Im ISO 15924-Code tragen sie die Bezeichnung Hans, im ISO 639-Code entspricht das der Sprachklasse zh-CN.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

das Wort Hanzi (chinesische Zeichen) in Kurzzeichen
das Wort Hanzi (chinesische Zeichen) in Langzeichen

Im Januar 1956 erließ die Regierung der Volksrepublik China den „Plan zur Vereinfachung der chinesischen Schrift“ (漢字簡化方案 / 汉字简化方案, Hànzì jiǎnhuà fāng’àn), mit dem 515 Schriftzeichen und 54 Bestandteile von Schriftzeichen vereinfacht wurden. Die Vereinfachung der Schriftzeichen waren ein Element der Schriftreform, die zunächst die Standardsprache popularisieren, Schriftzeichen vereinfachen und eventuell durch eine Lateinschrift ersetzen sollte. Im April 1964 wurde ein weiterer Reformschritt unternommen und die „Vollständige Liste der vereinfachten Schriftzeichen“ (簡化漢字總表 / 简化汉字总表, Jiǎnhuà hànzì zǒngbiǎo) veröffentlicht. Sie enthielt 2236 Zeichen. Im Dezember 1977 gab die chinesische Regierung den „Zweiten Plan zur Vereinfachung der chinesischen Schrift (Entwurf)“ (第二次漢字簡化方案(草案) / 第二次汉字简化方案(草案), Dì-èr cì Hànzì jiǎnhuà fāng’àn cǎoàn) heraus, der weitere 853 Schriftzeichen und 61 Bestandteile von Zeichen vereinfachte. Dieser Entwurf wurde jedoch vielfach kritisiert und kaum umgesetzt. 1986 wurde die Liste von 1964 leicht überarbeitet noch einmal herausgegeben und der Reformschritt von 1977 ad acta gelegt.

Diese vereinfachten Zeichen werden auch von den Chinesen in Singapur verwendet. Taiwan, Hongkong und Macau sowie die meisten aus politischen Gründen im Exil lebenden Chinesen führten die Vereinfachungen dagegen nicht ein.

Die Vereinfachung bestand darin, die Zeichen zu standardisieren, d.h. mögliche Varianten zu beseitigen, und die Zahl der Striche zu verringern. Das wurde vor allem dadurch erreicht, in dem man Varianten aus der Handschrift in die Druckschrift übernahm. Die große Zahl vereinfachter Schriftzeichen (mehrere Tausend) kommt vor allem dadurch zustande, dass auch Komponenten vereinfacht wurden, die in vielen Schriftzeichen vorkommen (Radikale). Offiziell wurden die Schriftzeichen nach folgenden zehn Methoden vereinfacht:

Methoden der Zeichenverkürzung

  • Erhaltung der ursprünglichen Kontur: , 齿
  • Erhaltung eines Teils des ursprünglichen Zeichens: ,
  • Vereinfachung entweder des Signifikums oder des Phonetikums von entsprechend aufgebauten Schriftzeichen: (Phonetikum deng durch ding ersetzt), (Signifikum Knochen durch Fleisch ersetzt),
  • Austausch eines Teils durch ein Phonetikum: (Phonetikum tai oben), (Phonetikum you links)
  • Übernahme handschriftlicher Formen in die Druckschrift: ,
  • Verwendung alter Varianten: ,
  • Austausch komplizierter Bestandteile durch einfache Symbole: ,
  • Schaffung neuer Zeichen aus zwei Signifika: (klein plus Erde), (Bambus plus Haare)
  • Ersetzung ganzer Zeichen: , (Diese Methode ist recht willkürlich und betrifft zwar nur wenige Zeichen, doch es handelt sich dabei z.T. um sehr häufig verwendete)
  • Austausch durch ein gleich ausgesprochenes Zeichen anderer Bedeutung: ,

Außerhalb der Volksrepublik China

Manche Schriftzeichen sind nach der Vereinfachung für Chinesen aus Taiwan oder Hongkong oder der Diaspora (Überseechinesen), wo die Langzeichen in Gebrauch blieben, kaum noch wieder zu erkennen, während Menschen aus der Volksrepublik China meist die nicht-vereinfachten Schriftzeichen nur passiv - wenn überhaupt - beherrschen.

Im tatsächlichen Gebrauch, in der Handschrift, werden sowohl auf dem Festland als auch in Taiwan viele Zeichen auf eine Art und Weise vereinfacht, die nicht standardisiert ist. Statt des Langzeichens wird beispielsweise in Taiwan in der Handschrift meist geschrieben. Das offizielle Kurzzeichen auf dem Festland ist . Auch in Taiwan ist als Vereinfachung von gebräuchlich, obwohl es sich nur auf dem Festland um ein standardisiertes Kurzzeichen handelt.

Auch in Japan wurden Schriftzeichen vereinfacht (Shinjitai), doch nicht in so hohem Ausmaß wie in der Volksrepublik China, und die japanischen vereinfachten Formen entsprechen oft nicht denen, die in der Volksrepublik China verwendet werden.

Kritik

Es ist heute umstritten, ob die Kurzzeichen wirklich einen Fortschritt darstellen. Durch die Vereinfachung werden die Zeichen untereinander notwendigerweise ähnlicher, so dass zwar das Schreiben erleichtert und beschleunigt wird, doch z.T. Bedeutungsunterschiede und etymologischer Hintergrund verloren geht; laut einigen Kognitionswissenschaftlern strengen die geringeren Unterschiede zwischen den Kurzzeichen auch das Gedächtnis beim Lesen stärker an. Vor allem bei elektronischer Textverarbeitung haben die vereinfachten Zeichen kaum Vorteile, die die Nachteile aufwiegen könnten und es gibt wenig Hinweise dafür, dass die vereinfachten Zeichen tatsächlich leichter zu erlernen sind.

Die Benutzung der standardisierten vereinfachten Zeichen im öffentlichen Bereich ist in der Volksrepublik China zwar gesetzlich vorgeschrieben, doch vor allem in Werbeaufschriften werden häufig traditionelle Zeichen verwendet.

Nicht zuletzt ist und wird kritisiert, dass unter der Vereinfachung auch die Ästhetik, Schönheit und Anmut der chinesischen Zeichen leidet bzw. verschwindet. In der Kalligraphie z. B. werden auch in der VR China heute noch zu großen Teilen Langzeichen verwendet.

Beispiele

Langzeichen Kurzzeichen Japanisch Anmerkung
Form standardisiert, der Handschrift angenähert
weniger gebräuchliche Version zum Standard erhoben
handschriftliche Variante in Druckschrift übernommen
handschriftliche Variante in Druckschrift übernommen, in Japan anders vereinfacht
Bestandteil links nach Handschrift vereinfacht
Zeichen mit anderer Bedeutung und gleicher Aussprache übernommen
Zeichen in China und in Japan unterschiedlich vereinfacht. Die in Japan verwendete Form ist auch in Taiwan handschriftlich üblich.


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