Politisches System Albaniens

Politisches System Albaniens
Demonstration von Minenarbeitern vor dem Sitz des Ministerpräsidenten (2007)

Das politische System Albaniens ist in Form einer parlamentarischen Republik organisiert. Es verfügt über ein Einkammerparlament. Die Verfassung vom 28. Dezember 1976 wurde im April 1991 außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde die "Sozialistische Republik Albanien" in "Republik Albanien" umbenannt.[1] Am 28. November 1998 wurde eine neue Verfassung per Referendum gebilligt.

Kernstücke dieser Verfassung, die bis heute in Kraft ist, sind ein Mehrparteiensystem sowie die Garantie der Meinungs-, Religions-, Presse-, Versammlungs- und Koalitionsfreiheit.[2]

Der Amtssitz des Präsidenten, das Parlamentsgebäude, der Regierungssitz und das Verfassungsgerichtsgebäude stehen alle in der Hauptstadt Tirana und machen sie damit zum politischen Zentrum Albaniens.

Inhaltsverzeichnis

Staatsoberhaupt

Amtssitz des Präsidenten

Staatsoberhaupt ist der Staatspräsident.[3] Dieses Amt hat seit dem 24. Juli 2007 der Veterinärmediziner Bamir Topi (PD) inne.

Zusammen mit dem Premierminister übt der Staatspräsident die Kontrolle über die Streitkräfte aus.[2] Das Parlament wählt den Präsidenten mit der Mehrheit von drei Fünfteln seiner Mitglieder in geheimer Wahl für eine Dauer von fünf Jahren.[4] Zur Wahl wird zugelassen, wer von mindestens 20 Abgeordneten unterstützt wird.[2] Die Ausübung des Präsidentenamts ist auf maximal zwei Perioden zu je fünf Jahren begrenzt.[4] Der Präsident ernennt dann den Premierminister auf Vorschlag der Mehrheit der Abgeordneten im Parlament. Sofern sich das Parlament in drei Anläufen nicht auf einen Vorschlag einigen kann, hat der Präsident das Recht, das Parlament aufzulösen.[2]

Zusammen mit dem Premierminister werden die auswärtigen Beziehungen sowie Sicherheitsangelegenheiten bewältigt. Neben diesen Aufgaben ist der Präsident, wie in parlamentarischen Systemen üblich, auf zeremonielle beziehungsweise repräsentative Funktionen beschränkt. Um das Präsidentenamt bekleiden zu können, muss der Bewerber mindestens die letzten zehn Jahre in Albanien wohnhaft gewesen sein sowie zum Zeitpunkt der Wahl ein Mindestalter von 40 Jahren erreicht haben.[4] Im Vertretungsfall übernimmt der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte des Präsidenten.

Parlament

Parlamentssitzung (2010)
Hauptartikel: Albanisches Parlament

Da Albanien unikameral aufgebaut ist, besitzt es lediglich ein Parlament. Die Kuvendi Popullor (Volksversammlung) umfasst 140 Abgeordnete. Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre.[4] 100 Abgeordnete werden direkt durch relative Mehrheitswahl gewählt. Das Land ist hierzu in 100 Wahlkreise aufgeteilt. 40 Abgeordnete werden über Listen via Verhältniswahl gewählt. Jeder Wahlberechtigte hat hierzu zwei Stimmen. Die Sperrklausel ist auf 2,5% für Parteien und 4% für Koalitionen festgelegt.[5]

Die wichtigsten Aufgaben des Parlaments sind die Gesetzgebung, den Vorschlag an den Präsidenten für das Amt des Premierministers sowie die Billigung des vom Präsidenten ernannten Premierministers sowie der vom Premierminister vorgeschlagenen Minister.[4][2]

Seit 2005 bekleidet Jozefina Topalli (PD) das Amt der Parlamentspräsidentin; 2009 wurde sie wiedergewählt.

Parteien und Bürgerinitiativen

In Albanien hat sich das Parteiensystem seit der Einführung einer tieferen Sperrklausel im Jahr 2009 weiter stark zu den zwei Lagern hin polarisiert. Zu den größten Parteien, die auch im Parlament vertreten sind, zählen die konservative Partia Demokratike e Shqipërisë (kurz PD, 67 Sitze), die sozialistische Partia Socialiste e Shqipërisë (PS, 65), die sozialdemokratische Lëvizja Socialiste për Integrim (LSI, 4), die rechtsgerichtete Partia Republikane Shqiptare (PR, 1) sowie zwei ethnisch-nationalistische Parteien, die für die Çamen stehende Partia për Drejtësi, Integrim dhe Unitet (PDIU, 2) und die für die griechische Minderheit stehende Partia Bashkimi për të Drejtat e Njeriut (PBDNJ, 1). Daneben sind die grüne Partia Agrare Ambjentaliste e Shqipërisë (PAA), die christdemokratische Partia Demokristiane e Shqipërisë (PDK), die liberale Aleanca Demokratike (AD) sowie die zwei sozialdemokratischen Parteien, die Partia Demokracia Sociale e Shqipërisë (PDS) und die Partia Socialdemokrate e Shqipërisë (PSD) noch von Bedeutung.

Zu den wichtigsten Bürgerinitiativen gehören MJAFT! und Aleanca Kuq e Zi.

Regierung

Ministerien am Skanderbeg-Platz in Tirana

Neben dem Präsidenten besteht die Exekutive aus dem Ministerpräsident und den einzelnen Ministern. Seit 2005 bekleidet Sali Berisha das Amt des albanischen Ministerpräsidenten; 2009 wurde er wiedergewählt.

Neben der Zuständigkeit für die jeweiligen Ressorts obliegt dem Kabinett die Wahrnehmung derjenigen Aufgaben, die nicht bereits einem Verfassungsorgan, einer anderen Behörde oder einer lokalen Ebene zugewiesen sind.[4] Die inhaltlichen Zielsetzungen der Legislaturperiode werden vom Premierminister festgelegt (Richtlinienkompetenz).

Weitere Aufgaben des Premierminister sind die Repräsentation der Regierung sowie die Leitung von Regierungssitzungen, die Verantwortlichkeit für die politische Umsetzung der von ihm festgelegten Ziele, die Koordination und Kontrolle der Arbeit seiner Minister und der administrativen Behörden sowie die Ausfüllung weiterer durch Verfassung oder Gesetz zugewiesener Aufgabenbereiche.[4]

Zum Premierminister kann jeder Abgeordnete vorgeschlagen werden. Das Amt des Ministerpräsidenten ist nicht mit anderen staatlichen Funktionen oder der Leitung beziehungsweise Mitgliedschaft in profitorientierten Organisationen vereinbar.[4]

Insgesamt gibt es 15 Ministerien: das Ministerium für Innovation und Informierungs- sowie Kommunikationstechnologie, das Außenministerium, das Innenministerium, das Verteidigungsministerium, das Ministerium für Integration, das Finanzministerium, das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Energie, das Justizministerium, das Ministerium für öffentliche Arbeiten und Transport, das Ministerium für Bildung und Forschung, das Ministerium für Arbeit, soziale Fragen und gleiche Chancen, das Gesundheitsministerium, das Ministerium für Landwirtschaft, Nahrungsmittel und Konsumentenschutz, das Ministerium für Tourismus, Kultur, Jugend und Sportarten und das Ministerium für Umwelt, Wälder und Wasserverwaltung.

Verfassungsgericht

Das Verfassungsgericht (albanisch Gjykata Kushtetuese) besteht aus neun Richtern, die vom Präsidenten in Einvernehmen mit dem Parlament ernannt werden. Die Aufgabe des Verfassungsgerichts besteht in der Garantie der Verfassung sowie deren Interpretation. Die Verfassungsrichter sind für neun Jahre im Amt ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl.[2]

Voraussetzung zur Bekleidung dieses Amts ist die Ausübung eines Richteramts seit mindestens 15 Jahren. Ein Drittel der Richter wird alle drei Jahre neu benannt. Der Präsident des Verfassungsgerichts wird von den Richtern des Verfassungsgerichts und dem albanischen Präsidenten in Einvernehmen mit dem Parlament ernannt. Das Höchstalter eines Verfassungsrichters ist auf 70 Jahre festgeschrieben. Die Entscheidungen des Verfassungsgerichts erfordern die Mehrheit seiner Mitglieder.

Klageberechtigt sind:[4]

  • Der Präsident
  • Der Premierminister
  • Ein Fünftel der Abgeordneten des Parlaments
  • Gerichte
  • Staatsanwälte
  • Organe lokaler Regierungen
  • Religiöse Gemeinschaften
  • Politische Parteien und andere Organisationen
  • Individuen

Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Richter mit einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments aus dem Amt entfernt werden.

Seit 2009 ist Bashkim Dedja (* 1970) Präsident des Verfassungsgerichts.[6]

Regionalverwaltung

Die Republik Albanien ist verwaltungstechnisch in zwölf Qarqe („Regionen“) eingeteilt. Die jeweiligen Qark-Räte setzen sich durch die Bürgermeister aller Gemeinden (Komuna) und Städten (Bashkia) zusammen. Der Qark hat in Albanien bestimmte lokale Aufgaben zu erfüllen. So fallen viele Bereiche aus Gesundheit, Bildung, Kultur, Regionalplanung, Umwelt und Wirtschaft diesem Verwaltungsorgan zu. Die Zentralregierung ernennt für jeden Qark einen Präfekten, der die Aufsicht über die Qark-Räte ausübt und die lokalen Geschäfte der Regierung wahrnimmt, die nicht an die Lokalbehörden abgetreten wurden. Die Präfekten sind somit der verlängerte Arm der Regierung in den Regionen.

Aktuelle Entwicklungen

Polizeiaufgebot während den Anti-Regierungsprotesten am 21. Januar 2011

Die aktuelle Politik Albaniens wird heutzutage vor allem durch seine Bemühungen zur Integration in euro-atlantische Strukturen beeinflusst. Das Land strebt einen Beitritt zur Europäischen Union an (Siehe auch Albanien und die Europäische Union). 2006 konnte so ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen werden, welches am 1. April 2009 in Kraft treten konnte. An diesem Tag wurde das südosteuropäische Land zudem Mitgliedsstaat in der NATO.

Doch der politische Alltag wird in Albanien immer wieder von Rückfällen, Korruptionsaffären und dergleichen überschattet. Auch die letzten Parlamentswahlen vom Juni 2009 wurden von einigen Zwischenfällen in ein schlechtes Licht gerückt. Die oppositionellen Sozialisten, allen voran ihr Vorsitzender Edi Rama, kritisierten die Wahlen scharf und warfen der konservativen Regierung Wahlfälschung vor. Aus Mangel an Kompromiss- und Dialogbereitschaft, wie dies in Albanien oft der Fall ist, vertiefte sich dann die Krise immer mehr und wurde erst im September 2011 teilweise überwunden (Siehe auch Politische Krise in Albanien ab 2009). Unter anderem boykottierte die Sozialistische Partei fast jede Sitzung im Plenarsaal des Parlaments, bis Edi Rama am 1. September 2011 (nach den PS-Parteitagen im August) erklärte, dass die Sozialisten am 5. September zu Beginn der neuen Session im Parlament und deren Kommissionen anwesend sein werden. Vorher noch wurden auch die Kommunalwahlen im Mai von einigen Unregelmäßigkeiten überschattet. Nach dem Ende der Stimmenauszählung forderte die internationale Wahlbeobachter-Mission OSZE-ODIHR Albanien auf, Reformen im Wahlgesetz durchzuführen. Laut deren Bericht weise das Wahlsystem noch einige Mängel auf, die aufgehoben werden können. Bisher sind die Vorsitzenden der beiden großen Parteien noch nicht an einen Tisch gesessen, um Kompromisse auszuhandeln, stattdessen treffen sich immer wieder Vertreter beider Parteien und bestätigten sich in einem Punkt: die Wahlgesetzes-Reform wurde in die Agenda des Parlaments eingebunden. Im Oktober 2011 erwartet Albanien den jährlichen Fortschritts-Bericht der EU. Das Parlament möchte in dieser kurzen Periode noch so viele Reformen wie möglich durchführen, damit das Land den Status eines Beitrittskandidaten erhält. Ob die Legislative in dieser Zeit alle geforderten Gesetze verabschiedet und ob die beiden großen Parteien ihre Differenzen beilegen können, ist in Frage gestellt.

Neben dem Hauptthema EU sind auch innenpolitische Ereignisse für die weitere Zukunft Albaniens von großer Bedeutung. Unter den wichtigsten sind hier die Rechtsprechung der Verantwortlichen für die Explosionen von Gërdec 2008, die Rechtsprechung der Verantwortlichen für die drei Toten an der Anti-Regierungsdemonstration vom 21. Januar 2011 und einige Korruptionsvorwürfe an führende Politiker wie Ilir Meta (Januar 2011), Fatmir Mediu (2008) und Lulzim Basha (während seiner Amtszeit als Verkehrsminister zwischen 2005 und 2007) zu erwähnen.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Albanien: Politisches System. Abgerufen am 25. Februar 2010.
  2. a b c d e f Nations of the World: A political, economic & business handbook, 2008, S.9
  3. Verfassung, Artikel 86
  4. a b c d e f g h i Verfassung der Republik Albanien (Englisch). Abgerufen am 25. Februar 2010.
  5. Übersicht Wahlsystem der Republik Albanien. Abgerufen am 25. Februar 2010.
  6. Offizielle Internetseite des Verfassungsgerichts. Abgerufen am 16. September 2011 (albanisch und englisch).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Sozialistische Partei Albaniens — Partia Socialiste e Shqipërisë …   Deutsch Wikipedia

  • Verwaltungsgliederung Albaniens — Geographische Aufteilung der Qarqe Die Verwaltungsgliederung Albaniens (albanisch Njësitë administrative e Shqipërisë) besteht offiziell aus insgesamt drei Ebenen: die zwölf Qarqe (Regionen), die 36 Kreise und die 373 La …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Staatsoberhäupter Albaniens — Amtssitz des Präsidenten in Tirana Die Liste der Staatsoberhäupter Albaniens führt die Staatsoberhäupter in der Geschichte Albaniens seit seiner Unabhängigkeit im November 1912 vollständig auf. Mit der Staatsform wechselte auch die Bezeichnung… …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte Albaniens — Tempelruine in Apollonia, nahe der Stadt Fier in Mittelalbanien Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Regierungssysteme nach Staat — Diese Liste der Regierungssysteme nach Staat benennt die Staatsformen und Regierungssysteme der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, der Vatikanstadt und 12 weiterer Territorien, bei denen der Status als „Staat“ umstritten ist. In der… …   Deutsch Wikipedia

  • Albanien — Republika e Shqipërisë Republik Albanien …   Deutsch Wikipedia

  • Kommunalwahlen in Albanien 2011 — Fahnen Albaniens und der Demokratischen Partei in einem Dorf im Kreis Durrës anlässlich der Wahlen In Albanien fanden am 8. Mai 2011 landesweite Kommunalwahlen statt.[1] Gewählt wurden die Bürgermeister der 66 Bashkia (Stadtgemeinden) und 285… …   Deutsch Wikipedia

  • Albanisches Parlament — Logo Parlamentsgebäude Basisdaten …   Deutsch Wikipedia

  • Italienische Geschichte — Das heutige Italien war in der Antike ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. Teil des Römischen Reiches mit Rom als Hauptstadt. Der Name Italia bezog sich dabei anfangs nur auf Bruttium als jene Region, die direkt an das… …   Deutsch Wikipedia

  • Hysni Kapo — (* 4. März 1915 in Tërbaç, Kreis Vlora; † 23. September 1979 in Paris) war ein führender albanischer kommunistischer Politiker während des Enver Hoxha Regimes und Politbüromitglied der Partei der Arbeit Albaniens. Er galt als eher konservativer… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”