Paula Salomon-Lindberg

Paula Salomon-Lindberg

Paula Salomon-Lindberg (* 21. Dezember 1897 in Frankenthal als Paula Levi; † 17. April 2000 in Amsterdam)[1] war vor dem Zweiten Weltkrieg eine international bekannte klassische Altistin. Sie war eher auf Kunstlied, Oratorium und Kantate spezialisiert, widmete sich aber sporadisch auch der Oper.[2]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Paula Salomon-Lindberg entstammte einer Rabbiner- und Kantorenfamilie aus Frankenthal. Ihr Vater war der Rabbiner Lazarus Levi, und sie hieß ursprünglich Paula Levi.[3] Ihre Ausbildung erhielt sie hauptsächlich in Mannheim und Berlin durch Julius von Raatz-Brockmann.[4] Kontrapunkt lernte sie bei Ernst Toch.[5] Sie wurde in den 1920er Jahren bekannt und trat hauptsächlich in Werken der Barockzeit wie J.S. Bachs Matthäus-Passion, Händels Messias, aber auch in moderneren Werken wie Gustav Mahlers Lied von der Erde, auf. 1929 gastierte sie im Grand Théâtre de Genève in Genf.[6] Zwischen 1930 und 1933 sang sie die Altpartien bei den Aufführungen der Bach-Kantaten in der Leipziger Thomaskirche.[7] 1930 heiratete sie den Chirurgen Albert Salomon (1883–1976), wurde damit Stiefmutter der Malerin Charlotte Salomon und trat fortan unter dem Namen Paula Lindberg-Salomon anstatt unter Paula Lindberg auf. Sie war mit zahlreichen Persönlichkeiten wie Siegfried Ochs, Kurt Singer, Erich Mendelsohn, Alfred Einstein, Paul und Rudolf Hindemith sowie Albert Schweitzer befreundet, und ihr Haus wurde zum häufigen Treffpunkt musisch-geselliger Abende.[8]

Nach Auftrittsverboten 1933 sang sie noch bis 1937 für den Jüdischen Kulturbund Berlin[9], welchen sie mit aufbaute[10], unter der Leitung von Kurt Singer. Ab 1935 nahm sie Unterricht bei dem Gesangslehrer Alfred Wolfsohn. Durch entschlossenes Auftreten und viele Behördengänge konnte sie die Entlassung ihres 1938 in Folge der Reichspogromnacht inhaftierten Ehemanns [11] aus dem KZ Sachsenhausen erreichen. In der Künstlerhilfe setzte sie sich auch für andere gefährdete Personen ein und konnte vielen von ihnen die Emigration ermöglichen.[12] 1939 floh sie mit ihrem Mann nach Amsterdam, wo beide 1943 im Konzentrationslager Westerbork interniert wurden, später aber flüchten und die Besatzungszeit bis 1944 versteckt überleben konnten.

Nach dem Krieg lebte Paula Lindberg-Salomon in den Niederlanden, konnte sich problemlos in das niederländische Konzertleben einfügen[13] und war am Amsterdamer Musiklyzeum und bei den Sommerkursen des Mozarteums in Salzburg als Gesangslehrerin tätig.[14] 1947 reiste sie mit ihrem Mann nach Südfrankreich, wo ihnen die Bilder von Charlotte übergeben wurden, welche die beiden 1971 dem Joods Historisch Museum in Amsterdam stifteten.[15] Anlässlich einer Ausstellung mit Werken ihrer Stieftochter besuchte sie 1986 Deutschland.[16] 1989 stiftete sie einen nach ihr benannten internationalen Liedwettbewerb, der seither alle zwei Jahre von der Universität der Künste Berlin durchgeführt wird, und den sie bis zu ihrem Tode aktiv betreute.[17] Eine Einteilung bzw. Beurteilung der Menschen nach religiöser oder nationaler Zugehörigkeit lehnte Paula Salomon-Lindberg mit folgenden Worten ab:[18]

"Heute frage ich nicht mehr: Bist du Deutscher, bist du Jude oder Christ? Heute sehe ich in jedem den Menschen."

Einzelnachweise

  1. Paula Salomon-Lindberg in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit auf der Seite des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg
  2. Paula Lindberg-Salomon (Contralto) auf Bach Cantatas Website
  3. Lydia Koelle: The Whole Life, Derekh Judaica Urbinatensia, 1/2003
  4. Paula Lindberg-Salomon (Contralto) auf Bach Cantatas Website
  5. Hermann Jung, Paulo de Assis, Ernst Toch, Hermann Jung (Hrsg.): Spurensicherung - Der Komponist Ernst Toch (1887–1964) - Mannheimer Emigrantenschicksale, Band 6 der Mannheimer Hochschulschriften, Verlag Lang, 2007, S. 94
  6. Paula Lindberg-Salomon (Contralto) auf Bach Cantatas Website
  7. Zum Tod der jüdischen Sängerin Paula Salomon-Lindberg Welt Online vom 19. April 2000
  8. Cordula Heymann-Wentzel, Johannes Laas (Hrsg.): Musik und Biographie - Festschrift für Rainer Cadenbach, Königshausen & Neumann, Würzburg, 2004, S. 451
  9. The Musical Tradition of the Jewish Reform Congregation in Berlin BTR 9702 (Double CD) auf Mes musiques régénérées
  10. Die Namen bewahren: Die Capriccio-Gedenktafel für Opfer des Nationalsozialismus aus dem Musikleben auf Capriccio Forum für klassische Musik
  11. Glenn Sujo, David Fraser Jenkins: Legacies of silence - The visual arts and the Holocaust memory, Philip Wilson Publishers, London, 2001, S. 116
  12. Kirsten Heinsohn, Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hrsg.): Zwischen Karriere und Verfolgung - Handlungsräume von Frauen im nationalsozialistischen Deutschland, Verlag Campus, Frankfurt a. M., 1997, S. 140 und 141
  13. Hermann von der Dunk: Deutsche als Holländer - Zum Thema nationaler und kultureller Amphibien, in Frieso Wielenga (Hrsg.): Grenzgänger - Persönlichkeiten des deutsch-niederländischen Verhältnisses, Waxmann Verlag, 1998, S. 44
  14. http://www.capriccio-kulturforum.de/allgemeine-themen/p77261-die-namen-bewahren-die-capriccio-gedenktafel-für-opfer-des-nationalsozialismus-aus-dem-musikleben/
  15. Silvia Eiblmayr: Charlotte Salomon Leben? Oder Theater? Seite der jüdischen Kulturzeitschrift DAVID
  16. http://www.capriccio-kulturforum.de/allgemeine-themen/p77261-die-namen-bewahren-die-capriccio-gedenktafel-für-opfer-des-nationalsozialismus-aus-dem-musikleben/
  17. Paula-Salomon-Lindberg-Liedwettbewerb Webseite Jüdisches Museum Berlin
  18. http://www.capriccio-kulturforum.de/allgemeine-themen/p77261-die-namen-bewahren-die-capriccio-gedenktafel-für-opfer-des-nationalsozialismus-aus-dem-musikleben/

Literatur

  • Karl J. Kutsch und Leo Riemens: Großes Sängerlexikon. Vierte, erweiterte und aktualisierte Auflage. München 2003. Band 4: Kainz–Menkes, S. 2729/2730. ISBN 3-598-11598-9
  • Christine Fischer-Defoy, Paula Salomon-Lindberg - mein C'est la vie-Leben. Gespräch über ein langes Leben in einer bewegten Zeit, Verlag Arsenal, Berlin, 1992, ISBN 3921810973

Weblinks


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