Nancy Huston

Nancy Huston
Nancy Huston

Nancy Louise Huston (* 16. September 1953 in Calgary, Alberta) ist eine kanadisch-französische Schriftstellerin, die ihre Werke in französischer und in englischer Sprache verfasst und sie häufig in die jeweils andere Sprache übersetzt. Sie lebt in Paris.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Huston wurde in Calgary in der kanadischen Provinz Alberta geboren. Als sie sechs Jahre alt war, verließ die Mutter die Familie. Danach lebte sie mehrere Monate bei ihrer künftigen Stiefmutter in Deutschland, wo sie die Landessprache erlernte. Diese - auch in sprachlicher Hinsicht - traumatischen Ereignisse haben ihre Einstellung zur Muttersprache dauerhaft geprägt.[1] Das Thema der Frau und Mutter, die ihre Familie verlässt und ihren eigenen Weg geht, thematisierte sie später im Roman Kontertanz (La virevolte).

Die Familie wohnte anschließend wieder in Calgary, Kanada. Mit fünfzehn Jahre zog Nancy Huston mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter nach Wilton, New Hampshire, USA. In der High School lernte sie Französisch. Sie besuchte das Sarah Lawrence College in Bronxville im Bundesstaat New York. Im Rahmen dieser Ausbildung erhielt sie die Möglichkeit, ein Jahr lang in der Außenstelle des College in Paris zu studieren. Von diesem Auslandsjahr kehrte sie nicht mehr in die USA zurück. Huston studierte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales, u.a. Linguistik und Semiotik bei Roland Barthes, das Studium schloss sie mit dem Master ab. Sie schrieb ihre Magisterarbeit, die von Roland Barthes betreut wurde, über das Thema Schimpfwörter, veröffentlicht 1980 unter dem Titel Dire et interdire, éléments de jurologie.

Nancy Huston lebt mit ihrem Ehemann Tzvetan Todorov und ihren beiden Kindern in Paris.

Karriere als Schriftstellerin

Die Tatsache, dass sie des Französischen zwar mächtig war, diese Sprache jedoch nicht ihre Muttersprache ist, half ihr, ihre eigene literarische Stimme zu entwickeln. Seit 1980 hat Huston mehr als zwanzig Bücher veröffentlicht, Romane, Essays und Kinder- und Jugendbücher, letztere zum Teil zusammen mit ihrer Tochter Léa. Von ihren Romanen sind lediglich Histoire d'Omaya (1985) und Trois fois septembre (1989) nicht auch auf Englisch erschienen.

Für ihren ersten Roman Les variations Goldberg (1981) erhielt sie den Prix Contrepoint, der Roman kam zudem in die engere Auswahl für den Prix Femina. Ihre Übersetzung des Romans ins Englische erschien unter dem Titel The Goldberg Variations (1996).

Die nächste Auszeichnung von größerer Bedeutung war der kanadische Governor General’s Award for Fiction für französische Literatur, den sie für Cantiques des Plaines erhielt. Die Verleihung dieses Preises an Huston führte zu Kontroversen in der Literaturszene in Québec. Einige Kritiker meinten, die Autorin sei keine Franko-Kanadierin. Außerdem sei der Roman offensichtlich zuerst auf Englisch geschrieben worden, und die englische Version sei für dieselbe Auszeichnung, die es auch für englischsprachige Belletristik gibt, nicht in die engere Wahl gezogen worden. Diese Kritik geht am Wesen von Hustons Zweisprachigkeit vorbei; beide Sprachen sind für sie "Muttersprachen", unabhängig davon, welche Version sie zuerst publiziert.

Der nächste Roman La virevolte (1994) wurde mit dem Prix "L" und dem Prix Louis-Hémon ausgezeichnet. Er erschien 1996 auf Englisch unter dem Titel Slow Emergencies.

Hustons Roman Instruments des ténèbres, in Frankreich 1996 erschienen (Instrumente der Finsternis 1998), war bisher ihr erfolgreichster. Er kam auf die Shortlist für den Prix Femina und für den Governor General's Award und wurde mit dem Prix Goncourt des Lycéens ausgezeichnet. Wie in anderen ihrer Romane spielt auch in diesem das Spannungsfeld "Berufstätige Frau und Mutter" eine wichtige Rolle. Von der deutschen Kritik wurde der Roman als "Porträt einer Schriftstellerin der 68er-Generation" bezeichnet. [2]

1988 wurde sie für den Governor General's Award für den Roman L'Empreinte de l'ange nominiert. Im nächsten Jahr wurde sie wiederum für diesen Preis nominiert und zwar für die Übersetzung des Romans ins Englische unter dem Titel The Mark of the Angel.

Im Jahr 1999 trat Huston im Film Emporte-moi auf, an dessen Drehbuch sie mitgewirkt hatte.

Ihre Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden.

Im Jahr 2005 wurde sie als Officer of the Order of Canada geehrt. 2006 erhielt sie den Prix Femina für den Roman Lignes de faille. Der Verlag Atlantic Books hat die englische Fassung unter dem Titel Fault Lines herausgebracht, die englische Version kam 2008 in die engere Wahl für den Orange Prize.

Im Jahr 2007 erhielt sie die Ehrendoktorwürde der Universität Lüttich; die gleiche Würdigung wurde ihr 2010 durch die Universität Ottawa ausgesprochen. [3]

Ausgewählte Werke

Romane

  • Les variations Goldberg. Actes Sud, Arles 1994, ISBN 2-7427-0182-6
    • engl.: The Goldberg Variations, Übers. N. H. - Nuage, Montréal 1996 ISBN 0-921833-35-0
  • Histoire d'Omaya. Seuil, Paris 1985, ISBN 2-02-008704-9
    • engl.: The Story of Omaya, Übers. N. H., 1987
  • Trois fois septembre. Seuil, Paris 1989 ISBN 2-02-010552-7
  • Cantique des plaines. Actes Sud, Arles 1993 ISBN 2-7427-0490-6
    • engl.: Plainsong. Übers. N. H., Harper Collins, Toronto 1993 ISBN 0-00-224257-5, "eine Untersuchung ihrer westkanadischen Wurzeln ohne Sentimentalität" laut Peter Mountfort in Encyclopedia of Literature in Canada, Toronto 2002, S. 523.
  • La virevolte, ebd. 1994, ISBN 2742706941
    • engl.: Slow Emergencies, Übers. N. H., Little Brown, Boston 1996, ISBN 0-316-38009-1
    • deutsch: Kontertanz. Übers. Urs Richle, Bruckner & Thünker, Köln 1996 ISBN 3-905208-23-7 und TB
  • Instruments des ténèbres, Actes Sud, Arles 1996, ISBN 2-7427-0871-5 [4]
    • engl.: Instruments of Darkness, Übers. N. H., McArthur, Toronto 1997, ISBN 1552780406.
    • deutsch: Instrumente der Finsternis. Übers. Michael von Killisch-Horn, Lübbe, Bergisch-Gladbach 1999, ISBN 3-404-92039-2 und TB
  • L'empreinte de l'ange. Actes Sud, Arles 1998, ISBN 2290312029
    • engl.: The Mark of the Angel. Übers. N. H., Vintage, London 1999, ISBN 0375709215. [5]
    • deutsch: Engelsmal. Übers. Michael von Killisch-Horn, Luchterhand, München 2000, ISBN 3404921062 und TB
  • Prodige: polyphonie. Lemeac, Montréal 1999, ISBN 2702837344. [6]
    • engl.: Prodigy: A novella, Übers. N. H., McArthur, Toronto 2000, ISBN 1552781542
  • Dolce agonia, Actes Sud, Paris 2001, ISBN 2-7427-3167-9.
    • engl.: Dolce agonia: a Novel; Übers. N. H., Chatto & Windus, London 2002, ISBN 0701173238.
  • Une adoration, Babel, Paris 2004, ISBN 2742751548.
    • engl.: An Adoration, Übers. N. H., McArthur, Toronto 2004, ISBN 155278455X
  • Lignes de faille. Actes Sud, Paris 2006, ISBN 2742762590.
    • engl.: Fault Lines. McArthur, Toronto 2007, ISBN 1552786641
    • deutsch: Ein winziger Makel. Roman. Übers. Uli Aumüller und Claudia Steinitz. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 3498029924 und TB 2009

Theaterstück

Essays

  • Jouer au papa et à l'amant. De l'amour des petites filles. Coll. Le Bariolé, Ramsay, Paris 1979 ISBN 285956103X
  • Dire et interdire. Éléments de jurologie. 1980
  • Mosaïque de la pornographie. Marie-Thérèse et les autres. Denoël/Gonthier, Paris 1982, sowie Ramsay, Coll. Le Bariolé, Paris 1979, ISBN 285956103X
  • The Matrix of War. Mother and Heroes. in Susan Rubin Suleiman Hg.: The female body in western culture. Comtemporary Perspectives. Harvard UP, Cambridge MA 1986 ISBN 0674298713 S. 119 - 136
  • Journal de la création. Seuil, Paris 1990, ISBN 2020109336
  • Tombeau de Romain Gary. Actes Sud, Arles 1995 ISBN 2-7427-0313-6; Neuauflagen, zuletzt Coll. Babel 2010 ISBN 9782742737901. Siehe auch Weblinks
  • Romain Gary. A foreign body in french literature. in "Poetics today", Porter Institute for Poetics and Semiotics. Duke UP, No. 17, 4. Winter 1996
    • Reprint in Susan Rubin Suleiman Hg.: Exile and creativity. Signposts, travelers, outsiders, backward glances. ebd. 1998 ISBN 0822322153 S. 281 - 304
  • in Deutsch: R. G. Ein Fremdkörper in der französischen Literatur. in "Masken, Metamorphosen." Rowohlt Literaturmagazin 45, Reinbek 2000 ISBN 3498039083 ISSN 0934-6503 S. 113 - 133

Briefwechsel

  • Lettres parisiennes : autopsie de l'exil, mit Leïla Sebbar, Éditions B. Barrault, Paris 1986, ISBN 2-290-05394-5.

Literatur zu Nancy Huston

  • Alain Clairval, Nancy Huston: Les Variations Goldberg, Nouvelle Revue Française 346 (November 1981), S. 128-130
  • Anne Rivière und Xavière Gauthier, Des femmes et leurs oeubres, Magazine Littéraire 180 (Januar 1982), S. 36-41
  • Eugene Benson und William Toye, (Hg.) The Oxford Companion to Canadian Literature, Second Edition. Oxford University Press, Toronto 1997 ISBN 0-19-541167-6 S. 564f.
  • Eva Martin Sartori (Hrsg.), The Feminist Encyclopedia of French Literature, Greenwood Press, Westport, Conn. und London 1999, Artikel zu Nancy Huston von Patrice J. Proulx, S. 262 f., ISBN 0-313-29651-0
  • Marta Dvořák & Jane Koustas: Vision, division. L'œuvre de Nancy Huston. PU Ottawa 2004 ISBN 2760305813

Einzelnachweise

  1. Interview mit The Independent, Ausgabe vom 22. Februar 2008
  2. vgl. Petra Metz und Kerstin Behre, Artikel "Nancy Huston" in Französische Literatur der Gegenwart. Ein Autorenlexikon, Beck, München 2001, ISBN 3-406-45952-8, S. 112
  3. Würdigung, Universität Ottawa, aufgerufen am 1. März 2011
  4. Ausgezeichnet mit dem Prix Goncourt de lycéens 1996, dem Prix du Livre Inter 1997 und dem Grand prix des lectrices de Elle 1999
  5. 1999 nominiert für den General Governor's Award für die Übersetzung
  6. Eine Theaterfassung von Gabriel Garran wurde im Jahre 2002 im Théâtre international de langue française unter der Regie von Gabriel Garran aufgeführt. Besprechung in Paris Voice, the magazine for English-speaking Parisians, April 2002 [1]

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nancy Huston — Born 16 September 1953(1953 09 16) Calgary, Canada …   Wikipedia

  • Nancy Huston — en 2008 Activités Écrivain Naissance 16 septembre …   Wikipédia en Français

  • Nancy Huston — Nancy Huston. Nancy Huston, nacida en 1953 en Calgary, Alberta en Canadá es una escritora canadiense de lengua francesa e inglesa que vive en Francia desde los años setenta. Biografía Llega a Francia a los 20 años y será alumna de Roland Barthes …   Wikipedia Español

  • Huston — ist der Familienname folgender Personen: Anjelica Huston (* 1951), US amerikanischer Schauspielerin Charlie Huston (* 1968), US amerikanischer Roman , Comic und Drehbuchautor Danny Huston (* 1962), US amerikanischer Schauspieler und Filmregisseur …   Deutsch Wikipedia

  • Huston — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Huston peut désigner : Patronyme Anjelica Huston (née en 1951), actrice et réalisatrice américaine, fille de John ; Danny Huston (né en 1962),… …   Wikipédia en Français

  • Nancy Reagan — First Lady Nancy Reagan in 1983 First Lady of the United States In office January 20, 1981 – January 20, 1989 Preceded by …   Wikipedia

  • Nancy Marchand — Born June 19, 1928(1928 06 19) Buffalo, New York, USA Died June 18 ,2000 (aged 71) Stratford, Connecticut, USA Occupation …   Wikipedia

  • Nancy Andrews — (* 16. Dezember 1924 in Minneapolis; † 29. Juli 1989 in Queens, New York City) war eine US amerikanische Schauspielerin. Filmografie 1954: Kraft Television Theatre (TV Serie) 1964: Camera Three (TV Serie) 1965: Kibbee Hates Fish 1966: Pistolen… …   Deutsch Wikipedia

  • Huston, Nancy — ▪ Canadian author born Sept. 16, 1953, Calgary, Alberta, Can.       Canadian novelist and nonfiction author who wrote in French and English and made prizewinning translations of her own works, which explore the themes of cultural dislocation and… …   Universalium

  • Professeurs de desespoir — Professeurs de désespoir Professeur de désespoir Auteur Nancy Huston Genre Essai Pays d origine  France Éditeur Actes Sud Date de parution …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”