Turmmotor

Turmmotor
Motorturm in einem modernen Omnibus des Typs Solaris Urbino
Turmmotor-Gehäuse eines Neoplan-Vorserienmodells aus dem Jahr 1986

Als Turmmotor oder Motorturm wird vorwiegend bei Niederflur-Omnibussen umgangssprachlich ein Baukonzept bezeichnet, bei dem der Motor neben weiterer Antriebskomponenten und Nebenaggregate wie Kühler etc. in einer separaten Kabine des Fahrgast-Innenraums seitlich stehend angeordnet ist.

In der Regel befindet sich diese Motorkabine bei Solo- und Schubgelenkbussen – in Fahrtrichtung gesehen – in der linken Ecke des Fahrzeughecks. Hersteller wie Van Hool bauen bei ihren Gelenkbussen, auch dem Doppelgelenkbus VanHool AGG 300 aufgrund des im Vorderwagen liegenden Antriebs auch den Motor entsprechend dort ein. Die Kühlanlage befindet sich auf dem Dach, dadurch fällt die dort in der Wagenmitte linksseitig liegende Motorkabine weniger voluminös aus und nimmt oberhalb der Fensterunterkante erheblich weniger Raum in Anspruch, da die Verkleidung nur noch Kühlwasserkreislauf und Abgasführung aufnehmen muss.

Im Gegensatz zur konventionellen Unterflur-Motorlage ist es bei einem Turmmotor möglich, auch Niederflurbusse mit stufenlosem Heckeinstieg auszuführen und dabei auf hohe Podeste oder steile Rampen im Fahrgastraum zu verzichten. Ferner ist das Fahrzeug durch die leichtere Zugänglichkeit und Konzentration der Antriebskomponenten gegenüber einem konventionellen Niederflurbus wartungsfreundlicher. Lediglich der Kardantunnel muss neben der Achsaufhängung noch durch eine Podestkonstruktion überbaut werden, so dass im übrigen Bodenbereich größere Freiheitsgrade entstehen.

Ein weiterer Vorteil dieser Motorbauweise ist die erhöhte Kühlerposition, die auf Fensterhöhe so deutlich besser vor Staub- und Schmutzeintritt geschützt ist, besonders durch die von der Hinterachse verursachten Schmutzaufwirbelungen. Dadurch ist die Kühlanlage weniger pflegeaufwendig; die Gefahr des Heißlaufens durch einen verschmutzten Kühler besteht hier kaum.

Nachteile der Turmbauweise gegenüber Niederflurbussen mit Unterflurmotor sind ein Verzicht von drei Sitzplätzen und eine höhere Geräuschentwicklung im Fahrzeuginneren. Durch die Konzentration sämtlicher Aggregate auf eine Seite wird das Fahrzeug dort stärker belastet, was durch die Luftfederung des Fahrzeugs wieder ausgeglichen werden muss. Der Reifen- und Bremsbelagverschleiß ist auf der Motorseite höher. Auch hat die einseitige Gewichtsbelastung nachteilige Auswirkungen auf das Fahrverhalten gegenüber Omnibussen mit mittiger Motoranordnung. Diese Phänomene treten auch bei Niederflurbussen mit Unterflurmotor auf, da der Antriebsblock dort ebenfalls auf der linken Seite liegt.

Obwohl der Hersteller Auwärter Neoplan schon Mitte der 1980er Jahre einen Vorserien-Omnibus mit einem solchen Turmmotor vorstellte (siehe untere Abbildung), gelangte diese Bauweise erst in letzter Zeit zur Serienreife, da die Verkehrsbetriebe zunehmend unter erhöhten Kostendruck geraten und gezwungen sind, bei Neubeschaffungen und der Unterhaltung von Fahrzeugen zu sparen. Niederflurbusse mit Unterflurmotor sind konstruktiv und in der Wartung aufwändiger. Aufgegriffen wurde dieses Konzept erst knapp zwanzig Jahre später durch ausländische Bushersteller wie Solaris, Scania, Van Hool und Volvo. Später nahmen auch die deutschen Hersteller EvoBus (mit den Omnibusmarken von Mercedes-Benz und Setra) sowie MAN dieses Konzept auf.

Eine Ableitung des seitlich angeordneten Turmmotors war der quer zur Fahrtrichtung stehende Motorblock im Heck, wie dieser in Deutschland serienmäßig nur beim Kässbohrer Setra S 300 NC realisiert wurde und sich hierzulande bis zuletzt nicht durchsetzen konnte. Hier entfiel die letzte Rücksitzbank zugunsten des Motorgehäuses. Französische und italienische Hersteller wie Renault, Heuliez oder IVECO (die heute mit ihrer Busfertigung gemeinsam unter der Marke Irisbus firmieren) bauten in ihren Niederflur-Linienwagen die Motoren vorwiegend quer zur Fahrtrichtung stehend ein. Ein anfänglich konstruktives Manko dieser Bauweise war, dass die Antriebswelle quer zum Getriebe abgeflanscht werden musste und diese Belastungen im Alltagseinsatz anfangs unterschätzt worden sind, was zu erhöhten Schäden führte.

Neben der Turmbauweise setzen sich aus Kosten- und Wartungsgründen in den vergangenen Jahren vermehrt auch sogenannte Low-Entry-Busse durch, die nur teilweise niederflurig gebaut sind. Bei Oberleitungsbussen sind Turmmotoren hingegen selten, in der Regel lässt sich der weniger voluminöse elektrische Antrieb problemlos unterflur einbauen, da die (erheblich kleineren) Hilfsmotoren auch nur einen Generator antreiben, der im Gegensatz zu einem Antriebsstrang aus Getriebe, Kardanwelle und Antriebsachse im Fahrzeug relativ frei platziert werden kann. Gleiches gilt auch für Hybridbusse, deren Verbrennungsmotoren kleiner gebaut sind und dadurch auch mit kleineren Motorkästen im Fahrgastraum auskommen. Schaltausrüstung, mögliche Gastanks und Stromspeicher sind bei diesen Fahrzeugen meist auf dem Fahrzeugdach untergebracht, so dass ohnehin schon ganz andere Anforderungen an die Konstruktion gestellt werden.

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