Mittelbare Gruppe

Mittelbare Gruppe

Mittelbare Gruppe ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der harmonischen Analyse. Es handelt sich dabei um lokalkompakte Gruppen, auf denen eine gewisse Mittelungsfunktion, ein sogenanntes Mittel, existiert.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Es sei G eine lokalkompakte Gruppe. Auf G gibt es bekanntlich ein Haarsches Maß μ. Unter L^\infty(G) versteht man den L^\infty-Raum des Maßraums (G,μ).

Für eine auf G definierte Funktion f:G\rightarrow X und ein Element s\in G sei f_s:G\rightarrow X durch fs(t): = f(s − 1t) definiert.

Ein stetiges lineares Funktional m:L^\infty(G)\rightarrow \C heißt ein Mittel auf G, falls gilt

  • m(1) = 1, wobei die 1 auf der linken Seite für die konstante Einsfunktion steht,
  • m(f)\ge 0 für alle f\in L^\infty(G) mit f\ge 0 (d.h. f(t) \ge 0 für alle t\in G),
  • m(f_s)\,=\,m(f) für alle f\in L^\infty(G) und s\in G.[1]

Die ersten beiden Eigenschaften besagen gerade, dass m ein Zustand ist. Die dritte Eigenschaft nennt man auch Linksinvarianz.

Die Gruppe G heißt mittelbar, falls es ein Mittel auf G gibt.

Beispiele

  • Kompakte Gruppen sind mittelbar, das auf 1 normierte Haarsche Maß ist ein Mittel.
  • Kommutative lokalkompakte Gruppen sind mittelbar. Ein Mittel kann man im Allgemeinen nicht direkt angeben, der Beweis erfordert einen nicht-konstruktiven Fixpunktsatz.[2]
  • Die von 2 Elementen frei erzeugte Gruppe \mathbb{F}_2 ist das prototypische Beispiel einer nicht-mittelbaren Gruppe. [3]

Permanenzeigenschaften

  • Abgeschlossene Untergruppen mittelbarer Gruppen sind wieder mittelbar.
  • Ist H\subset G ein abgeschlossener Normalteiler einer mittelbaren Gruppe G, so ist auch die Faktorgruppe G / H mittelbar.
  • Es sei H\subset G ein abgeschlossener Normalteiler einer lokalkompakten Gruppe G und H und G / H seine mittelbar, dann ist auch G mittelbar.

Bedeutung

Die Darstellungstheorie lokalkompakter Gruppen mittels C*-Algebren ist für mittelbare Gruppen zugänglicher. Bezeichnet C * (G) die Gruppen-C*-Algebra, C_r^*(G) die reduzierte Gruppen-C*-Algebra und \lambda:C^*(G)\rightarrow C_r^*(G) die linksreguläre Darstellung, so sind nach einem Satz von Andrzej Hulanicki folgende Aussagen über eine lokalkompakte Gruppe G äquivalent [4] [5]:

  • G ist mittelbar.
  • Die linksreguläre Darstellung \lambda:C^*(G)\rightarrow C_r^*(G) ist ein Isomorphismus.

Eine Verallgemeinerung dieses Satzes besagt, dass das verschränkte Produkt einer C*-Algebra und einer lokalkompakten Gruppe mit der reduzierten Version des verschränkten Produktes zusammenfällt. [6]

Gruppen-C*-Algebren mittelbarer Gruppen sind nuklear, für diskrete Gruppen gilt die Umkehrung.[7]

Bemerkungen

Invariante Maße sind durch John von Neumann[8] eingeführt worden. Eine leicht zugängliche Einführung in die Theorie der mittelbaren Gruppen ist das Buch von Fredrick Greenleaf[9], dort finden sich auch vollständige Beweise obiger Permanenzeigenschaften. Die sogenannte von-Neumann-Vermutung, nach der jede nicht-mittelbare Gruppe eine zu \mathbb{F}_2 isomorphe Untergruppe enthält, ist 1980 von Olschanski widerlegt worden.[10]

Einzelnachweise

  1. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and Their Automorphism Groups, Academic Press Inc. (1979), ISBN 0125494505, 7.3.3.
  2. K. R. Davidson: C*-Algebras by Example. American Mathematical Society, 1996, ISBN 0-821-80599-1, Korollar VII.2.2
  3. K. R. Davidson: C*-Algebras by Example. American Mathematical Society, 1996, ISBN 0-821-80599-1, Beispiel VII.2.4
  4. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and Their Automorphism Groups, Academic Press Inc. (1979), ISBN 0125494505, Theorem 7.3.9.
  5. A. Hulanicki: Means and Følner conditions on locally compact groups, Studia Mathematica Band 27 (1966), Seiten 87-104
  6. Gert K. Pedersen: C*-Algebras and Their Automorphism Groups, Academic Press Inc. (1979), ISBN 0125494505, Theorem 7.7.7.
  7. C. Lance: On Nuclear C*-Algebras, Journal of Functional Analysis, Band 12 (1973), Seiten 157-176, Theorem 4.2
  8. J. v. Neumann: Zur allgemeinen Theorie des Masses, Fundamenta Mathematicae Band 13 (1929), Seiten 370-427
  9. F. P. Greenleaf: Invariant Means on Topological Groups, Van Nostrand Reinhold (1969), ISBN 0-4420-2857-1
  10. A. Olschanski: "Über Fragen zur Existenz invarianter Mittel auf einer Gruppe, Uspechi Mat. Nauk (1980) Band 35 (4), Seiten 199–200 (russisch)

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