Charlotte von Belgien

Charlotte von Belgien
Charlotte von Belgien, 1864 (Gemälde von Franz Xaver Winterhalter)

Marie Charlotte Amélie Augustine Victoire Clémentine Léopoldine (* 7. Juni 1840 im Schloss Laken Brüssel; † 19. Januar 1927 im Schloss Bouchout in Meise (Belgien)) war eine Prinzessin von Belgien, Erzherzogin von Österreich und Kaiserin von Mexiko.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Charlotte als Kind (Gemälde von Franz Xaver Winterhalter)

Sie wurde als einzige Tochter von Leopold I., König der Belgier und seiner zweiten Frau Louise von Orléans, Prinzessin von Frankreich, im belgischen Laeken geboren. Benannt wurde sie nach der ersten Frau ihres Vaters, der englischen Thronanwärterin Charlotte Auguste, die nur wenige Stunden nach einer erlittenen Totgeburt verstarb. Charlotte entstammte durch ihren Vater, den ersten König der Belgier, dem deutschen Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Somit war sie sowohl eine direkte Cousine Königin Victorias, als auch von deren Ehemann Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Ihre Mutter starb, als sie erst zehn Jahre alt war. Seit diesem Zeitpunkt wurde sie der erklärte Liebling ihres Vaters. Charlotte war als Frau Maximilians I. Kaiserin von Mexiko und galt schon bei ihrer Geburt als eine der reichsten Prinzessinnen von Europa. Ihr Mann nahm das Angebot für den kurzlebigen mexikanischen Thron 1864 an, das in erster Linie auf der Unterstützung von französischer Truppen unter Napoléon III. beruhte.

Späteres Leben

Charlotte begrüßt Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn auf Schloss Miramare 1861 (Cesare Dell’Acqua 1865)
Schloss Bouchout

Charlotte war sechzehn, als sie Erzherzog Ferdinand Maximilian erstmalig traf und verliebte sich sofort in ihn. Es folgten zähe Verhandlungen um die Mitgift der Braut, da Charlottes Vater König Leopold I. als besonders geizig bekannt war. Aber auch der Bräutigam, der für seinen Schlossbau dringend Geldmittel benötigte, war ein zäher Verhandlungspartner. Schließlich wurde eine Aussteuer in Höhe von 535.000 Francs in Schmuckstücken und 2.874.000 Francs in Wertpapieren festgelegt.[1] Am 27. Juli 1857 heiratete sie in Brüssel den idealistischen und liberalen jüngeren Bruder Kaiser Franz-Josephs I., Erzherzog Ferdinand Maximilian. Später zogen beide nach Triest, wo Max an einem Wunsch baute, einem Schloss namens Miramare an der Bucht von Grignano in Italien.

Schloss Miramare

Nachdem Maximilian aufgrund falscher Versprechungen von Seiten Napoléons III. und auf Drängen von dessen Frau Eugenie, am 10. April 1864 die mexikanische Krone annahm, bezog das Paar den am Rande von Mexiko-Stadt auf einem Hügel liegenden neogotischen Chapultepec-Palast. Charlotte wurde unter dem Namen Carlota zur Kaiserin von Mexiko. Ein Lebenstraum war für sie in Erfüllung gegangen - sie war Kaiserin. Schon vorher hatte allerdings Maximilian den Thron Griechenlands abgelehnt, der ihm angeboten worden war - sein Cousin und dessen Gattin Amalia waren von diesem zuvor vertrieben worden.

Prinzessin Charlotte von Belgien, Erzherzogin von Österreich und Kaiserin von Mexiko

Als Napoleon III. seine Truppen aus Mexiko zurückzog und Maximilian im Kampf gegen die revolutionären Bewegungen alleine zurückließ, reiste Charlotte nach Europa, um in Paris, Wien und schließlich in Rom beim Papst um Unterstützung zu bitten. Ihre Bemühungen blieben erfolglos. Sie erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch und kehrte nie wieder nach Mexiko zurück. Nach Maximilians Hinrichtung im Jahre 1867 verschlechterte sich ihr Zustand noch mehr und ihr Bruder Philippe, Graf von Flandern, verwies sie an diverse Ärzte, die sie allesamt für wahnsinnig erklärten. Sie verbrachte den Rest ihres Lebens sehr zurückgezogen. Zuerst auf Schloss Miramare und dann auf Schloss Bouchout im belgischen Meise, wo sie am 19. Januar 1927 verstarb. Man sagt, sie habe bis zu ihrem Tod geglaubt, sie wäre amtierende Kaiserin in Mexiko. Begraben liegt sie in der Liebfrauenkirche (Laeken) in Brüssel.

Nachkommen

Charlotte und Maximilian hatten keine Kinder. 1865 adoptierte das Paar jedoch Agustín de Iturbide y Green und Salvador de Iturbide y de Marzan, Enkel von Agustín de Iturbide, einem früheren Kaiser Mexikos, der zwischen 1822 und 1823 regierte. Man verlieh Augustín im Alter von zwei Jahren den Titel „Seine Hoheit, der Prinz von Iturbide“, um ihn als Thronfolger einsetzen zu können. Die Ereignisse von 1867 zerschlugen jedoch solche Hoffnungen, und als Augustín erwachsen war, verzichtete er auf alle Thronrechte, diente in der mexikanischen Armee und etablierte sich schließlich als Professor in Washington, D.C..

Manche behaupten, Charlotte habe am 21. Januar 1867 ein uneheliches Kind vom belgischen Oberst Alfred Baron van der Smissens zur Welt gebracht. Das würde bedeuten, dass Charlotte schwanger war, als sie nach Europa segelte, um nach Unterstützung für ihren Mann zu suchen. Laut einigen Quellen war dieses Kind der spätere französische General Maxime Weygand (1867-1965). Weygand weigerte sich, zu diesen Gerüchten Stellung zu nehmen, und die Identität seiner Eltern blieb ungeklärt. Andere Quellen behaupten wiederum, seine Mutter sei eine unbekannte Polin und sein Vater Leopold II. (Charlottes Bruder) oder Maximilian. Der belgische Historiker André Castelot glaubte hingegen, dass es sich bei van der Smissens doch um den Vater Weygands handelt, konnte es jedoch nicht beweisen.

Charakter und Persönlichkeit

Charlotte galt zu ihrer Zeit als sehr gebildet - sie beherrschte vier Sprachen fließend und wurde in den Fächern Philosophie, Geschichte, Naturwissenschaft, Musik sowie von Peter Ludwig Kühnen in Malerei unterrichtet. Außerdem liebte sie die Musik von Johann Sebastian Bach. Sie war eine ausgesprochene Schönheit, die selbst Sisi Konkurrenz machte. Dabei war sie allerdings altklug und wirkte stets überlegen. Ebenso wie ihr späterer Gatte war sie stets überzeugt davon, dass sie zum Herrschen bestimmt sei. Zeitgenossen und auch viele Historiker sahen in ihr eine ehrgeizige Frau, die den gutmütigen Träumer Maximilian aufgrund ihrer Machtgier ins Unglück gestürzt habe. Die Liebe der willensstarken Frau zu ihrem romantischen Ehemann war jedoch größer, als dies umgekehrt der Fall war. Bereits bei den Verhandlungen hinsichtlich ihrer Mitgift war festzustellen, dass er viel mehr Geschäftsmann als verliebter Träumer war, hatte er doch schon damals riesige Schulden angehäuft und ihr Vermögen konnte ihm aus dieser Bedrängnis helfen.[2]

Literatur

  • Erika Bestenreiner: Charlotte von Mexiko. Triumph und Tragödie einer Kaiserin, Piper, 2007, ISBN 3-492-04681-9
  • Bibesco, Princesse Marthe: Charlotte et Maximilien. París 1962.
  • Castelot, André: Maximiliano y Carlota. La Tragedia de la Ambición. México 1985.
  • Corti, Conte Egon Caesar: Maximilian und Charlotte von Mexiko. Nach dem bisher unveröffentlichten Geheimarchive des Kaisers Maximilian und sonstigen unbekannten Quellen. 2 Vols. Zurich, Leipzig, Viena 1924.
  • Corti, Conte Egon Caesar: Maximilian von Mexiko. Die Tragödie eines Kaisers. Francfort del Meno 1953.
  • Desternes, Suzanne; Chandet, Henriette: Maximilien et Charlotte. París 1964.
  • Elwenspoek, Curt: Charlotte von Mexiko. Der Leidensweg einer Kaiserin. Ein historisch-psychologisches Lebensbild auf Grund neuer Quellen. Mit zahlreichen unbekannten Bildern und Briefen. Stuttgart 1927.
  • Gómez Tepexicuapan, Amparo: Carlota en México. In: Igler, Susanne; Spiller, Roland (eds.): Más nuevas del imperio. Estudios interdisciplinarios acerca de Carlota de México. Francfort del Meno 2001. (=Erlanger Lateinamerika-Studien. 45). p. 27-40.
  • Miguel de Grecia: La Emperatriz del Adiós. El trágico destino del emperador Maximiliano y su mujer Carlota. Barcelona 2000.
  • Harding, Bertita: Phantom Crown. The story of Maximilian and Carlota of Mexico. 3a edición. México 1967 [1935].
  • Haslip, Joan: The Crown of Mexico: Maximilian and his Empress Carlota. 2a edición. Nueva York 1972.
  • Hyde, Montgomery H.: Mexican Empire. The history of Maximilian and Carlota of Mexico. Londres 1946.
  • Igler, Susanne: Carlota de México. México 2002. (=Grandes Protagonistas de la Historia Mexicana) [segunda edición: 2006].
  • Igler, Susanne: De la intrusa infame a la loca del castillo: Carlota de México en la literatura de su 'patria adoptiva'. Frankfurt: Peter Lang 2007 (Studien und Dokumente zur Geschichte der Romanischen Literaturen, 58).
  • Kerckvoorde, Mia: Charlotte. La passion et la fatalité. París 1981.
  • Malortie, Baron Karl von: Mexikanische Skizzen. Erinnerungen an Kaiser Max. Leipzig 1882.
  • Maria y Campos, Armando: Carlota de Bélgica. La infortunada Emperatriz de México. México 1944.
  • Praviel, Armand: La vida trágica de la emperatriz Carlota. Buenos Aires 1937.
  • Ratz, Konrad (ed.): Vor Sehnsucht nach dir vergehend. Der private Briefwechsel zwischen Maximilian von Mexiko und seiner Frau Charlotte. Viena, Munich 2000.
  • Vogelsberger, Hartwig (ed.): Kaiser von Mexiko. Ein Habsburger auf Montezumas Thron. Wien, München 1992 - ISBN 3-85002-322-2

Weblinks

 Commons: Charlotte von Belgien – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Weissensteiner, F., Reformer, Republikaner und Rebellen-Das andere Haus Habsburg-Lothringen. Serie Piper. München 1995 ISBN 3-492-11954-9
  2. Konrad Kramar, Petra Stuiber Die schrulligen Habsburger - Marotten und Allüren eines Kaiserhauses, Ueberreuter,ISBN 3-8000-3742-4

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