Masse Mensch

Masse Mensch

Masse Mensch. Ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts ist ein Drama in sieben Bildern von Ernst Toller, das, im Oktober 1919 geschrieben[1], 1921 bei Gustav Kiepenheuer in Potsdam im Druck erschien[2]. Es wurde am 15. November 1920 unter der Regie von Friedrich Neubauer im Stadttheater Nürnberg uraufgeführt.[3]

Die Intellektuelle Sonja Irene L. führt bewaffnete Arbeiter in den Kampf gegen die Kriegsgewinnler. Nach der Niederlage bezahlt die Frau ihre Festigkeit mit dem Leben.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Deutschland im November 1918 bis zum Mai 1919: Irenes Ehemann, ein Bürgerlicher und Handlanger der Bankiers, droht mit Scheidung, weil die Gattin das Staatswohl schädige und den inneren Feind unterstütze. Irene ist nicht erpressbar. Dem Staat des Gatten will sie die Maske von der Mörderfratze reißen. Der Ehemann, der an der Effektenbörse den Bankiers als Schreiber dient, meint, Krieg sei zum Überleben seines Staates erforderlich. Obwohl die Schlacht im Westen verloren ist, wird an Flammenwerfern und Giftgas weiter verdient. Die Bankiers tanzen darob vor Freude einen Foxtrott um das Börsenpult.

Die Arbeiter wollen dem Sterben in den Schützengräben ein Ende machen, indem sie die Maschinen in den Rüstungsfabriken stürmen. Irene ruft zum Streik auf. Ihr Widerpart, der Namenlose, ruft: „Revolution!“ Irene will neues Morden verhindern. Der Namenlose setzt sich gegen Irene durch. Die Arbeiter unterliegen. Irene wird gefangen genommen und hingerichtet.

Selbstzeugnis

Im Oktober 1921 schreibt Toller aus der Festungshaft in Niederschönenfeld: „Das Drama Masse-Mensch ist eine visionäre Schau, die in zweieinhalb Tagen förmlich aus mir brach... Ein Jahr währte die müh-selige Arbeit des Neuformens und Feilens.“[4]

Rezeption

  • Kerr findet das Stück „zu friedlich“.[5]
  • Nach Siegfried Jacobsohn[6] mangele es dem Autor des Stücks sowohl an Ingenium als auch an Poesie.
  • Seine Kritiker hätten Toller schließlich von der „Abstraktheit“ des eigenen Stücks überzeugt.[7] Auch in neuerer Zeit würden die drei Traumbilder in dem Stück noch kritisiert.[8]
  • Koebner[9] schätzt Toller als „politischen Dramatiker“.
  • Gewalt kontra Humanitas sei das große Thema des Werkes.[10]
  • Altendorfer[11] sieht das Stück als Versuch des Autors, Novemberrevolution und Räterepublik kritisch zu prüfen. Dabei sei Tollers Methode die „künstlerische Distanzierung“. Dem kommunistischen[12] „Der Zweck heiligt die Mittel“[13] stelle Toller seine Auffassung von der Humanität im revolutionären Kampf entgegen. Toller verabscheue Kapitalismus und Kommunismus gleichermaßen, da beide Gewalt anwendeten.
  • Schulz[14] liest unter anderem aus dem Untertitel „Ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts“ Zukunftsträchtiges heraus. Dieses Drama, im Jahre Eins nach der Novemberrevolution geschrieben, weise auf heraufkommende soziale Umwälzungen hin.
  • Das Drama sei - gleichsam Tollers „eigenes Drama“[15] - auch ein Stück Autobiographie. Toller habe die Ereignisse um den Münchner Munitionsarbeiterstreik vom Februar 1918[16] und das Schicksal der Sarah Sonja Lerch[17] verarbeitet. Den Vornamen Irene habe allerdings der Friedenskämpfer Toller beigefügt.[18]
  • Weiter führende Arbeiten zu dem Drama nennt Schulz[19]: Malcolm Pittock (1972), Martin W. Wierschin (Frankfurt am Main 1986) und Steven D. Martinson (1988).

Weblinks

Literatur

Zitierte Textausgabe

  • Ernst Toller: Masse Mensch. Ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts. Nachwort von Rosemarie Altenhofer. 77 Seiten. Reclam Stuttgart 1979, ISBN 3-15-009944-7

Erstausgabe

  • Ernst Toller: Masse Mensch. Ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts. Kiepenheuer, Potsdam 1921. 82 Seiten

Sekundärliteratur

  • Georg-Michael Schulz: Ernst Toller: Masse Mensch. S. 282-300 in: Interpretationen. Dramen des 20. Jahrhunderts. Band 1. Reclam Stuttgart 1996. 432 Seiten, ISBN 3-15-009460-7
  • Ernst Toller: Masse Mensch. S. 285-290 in: Deutsche Literaturgeschichte. Band 9. Ingo Leiß und Hermann Stadler: Weimarer Republik 1918 - 1933. München im Februar 2003. 415 Seiten, ISBN 3-423-03349-5
  • Gero von Wilpert: Lexikon der Weltliteratur. Deutsche Autoren A - Z. S. 621, erste Spalte, 13. Z.v.o. Kröner, Stuttgart 2004. 698 Seiten, ISBN 3-520-83704-8

Einzelnachweise

Quelle meint die zitierte Textausgabe

  1. Quelle, S. 3 unten
  2. Quelle, S. 53, 6. Z.v.o.
  3. Quelle, S. 55, 3. Z.v.u.
  4. Quelle, S. 54, 16. Z.v.o. und 27. Z.v.o.
  5. Ernst Toller: Briefe aus dem Gefängnis. Zitiert bei Altendorfer, S. 59, 10. Z.v.o.
  6. Siegfried Jacobsohn, zitiert bei Schulz, S. 297, 6. Z.v.u.
  7. Schulz, S. 298, 4. Z.v.o.
  8. Horst Denkler, zitiert in Leiß und Stadler, S. 287, 7. Z.v.u.
  9. Koebner, zitiert in Leiß und Stadler, S. 286, 1. Z.v.o.
  10. Leiß und Stadler, S. 285, 2. Z.v.u.
  11. Altendorfer, Quelle, S. 57-77
  12. Altendorfer, Quelle, S. 61, 6. Z.v.u.
  13. Altendorfer meint, den von den Kommunisten übernommenen Spruch „Der Zweck heiligt die Mittel“.
  14. Schulz, S. 290, 10. Z.v.u.
  15. Herbert Ihering, zitiert in Leiß und Stadler, S. 287, 12. Z.v.u.
  16. Schulz, S. 283, 10. Z.v.o.
  17. Leiß und Stadler, S. 288, 23. Z.v.o.
  18. Leiß und Stadler, S. 288, 25. Z.v.o.
  19. Schulz, S. 299-300

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