Maikel Nabil Sanad

Maikel Nabil Sanad

Maikel Nabil Sanad (ägyptisch-arabisch: مايكل نبيل سند [ˈmɑjkel næˈbiːl ˈsænæd]; * 1. Oktober 1985 in Asyut) ist ein ägyptischer Blogger, der am 11. April 2011 wegen seiner Kritik an der Militärführung Ägyptens zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. Ein Militärgericht in Kairo verhängte das Urteil. Seinen Anwälten und Angehörigen war es nicht erlaubt, bei der Urteilsverkündung anwesend zu sein.[1][2][3][4][5]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sanad setzte sich kritisch mit der Rolle der ägyptischen Armee auseinandersetzte und veröffentlichte Texte hierüber in seinem Blog und auf Facebook. Darunter: „The army and the people wasn’t ever one hand.“ („Armee und Volk gingen noch nie Hand in Hand“), einem Artikel, in dem er die Rolle des Militärs während und nach der Revolution thematisierte. "Die Armee stand nie auf Seiten der Menschen", heißt es darin. "Wir sind den Diktator [zwar] losgeworden, aber nicht die Diktatur".

Sanad listet in seinem Artikel die Menschenrechtsverletzungen der Armee während und nach der Revolution auf. Unter anderem zahlreiche Folterungen und Inhaftierung von Demonstranten, die von Militärgerichten in Schnellverfahren zu bis zu fünf Jahren Haft verurteilt wurden. So sammelte er unter anderem Informationen über die Verhaftungen vom 9. März, als 190 Anhänger der Demokratiebewegung auf dem Tahrir-Platz, die gegen das Verfassungsreferendum in Ägypten 2011 protestierten, verhaftet und einige auch gefoltert wurden.[6]

Der Prozess

Maikel Nabil wurde in der Nacht vom 28. März auf den 29. März in seiner Wohnung in Kairo von Militärpolizei verhaftet. Hauptgrund seiner Verhaftung waren Artikel, in denen er sich kritisch mit der Rolle der ägyptischen Armee auseinandersetzte und die er in seinem Blog und auf Facebook veröffentlicht hatte. Die Anklage des Militärgerichts lautete „Beleidigung des Militärs“, „Verbreitung falscher Informationen“ und "Untergrabung der öffentlichen Sicherheit".[7][8][9][10]

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte, die Vorwürfe gegen den Blogger fallenzulassen. Maikel Nabil Sanad habe nur von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und die schließe selbstverständlich ein die Rolle des Militärs zu kritisieren. Der Prozess sei ein "gefährlicher Präzedenzfall" zu einer Zeit, in der Ägypten die Übergriffe der Mubarak-Ära gerade hinter sich lassen wolle.[11][12]

Verurteilung

Maikel Nabil Sanad von Carlos Latuff.

Durch einen Trick sorgte dann das Militärgericht dafür, daß das Urteil in Abwesenheit der Familie, Freunde und der Anwälte von Maikel Nabil Sanad ausgesprochen wurde. Am 10. April 2011 erklärte der Richter zunächst, die Urteilsverkündung wäre auf den 12. April vertagt worden. Nachdem Anwälte, Familienangehörige und Freunde das Gerichtsgebäude dann verlassen hatten, wurde das Urteil doch verkündet, Maikel Nabil Sanad zu 3 Jahren Militär-Gefängnis verurteilt.[13] [14][15][16]

"Maikel Nabil's three-year sentence may be the worst strike against free expression in Egypt since the Mubarak government jailed the first blogger for four years in 2007." („Die Verurteilung Maikel Nabils zu 3 Jahren [Militär-] Gefängnis ist vermutlich der schlimmste Schlag gegen die freie Meinungsäußerung in Ägypten, seit das Mubarak-Regime im Jahre 2007 den ersten Blogger zu 4 Jahren verurteilt hat,“) erklärte Joe Stork, stellvertretender Direktor für Nahost der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. [17]

Maikel Nabil Sanad ist „nur“ einer von etwa 12 000 Zivilisten, die seit dem Sturz des Ex-Präsidenten Husni Mubarak vom SCAF (Supreme Council of the Armed Forces) vor ein Militärtribunal gestellt wurden. Am 7. September 2011 veröffentlichte das Hisham Mubarak Law Center (HMLC) gemeinsam mit der „No to Military Trials for Civilians“-Kampagne („Keine Zivilisten vor Militärgerichte!“) einen Bericht mit dem Titel „Diaries Under Military Rule“ ("Tagebuch unter der Militärherrschaft“), in dem festgestellt wurde, daß in der – bisher - relativ kurzen Herrschaft des SCAF in Ägypten weitaus mehr Zivilisten vor Militärgerichte gestellt und abgeurteilt wurden, als in der gesamten 30-jährigen Herrschaft Mubaraks.

Der Oberste Militärrat habe in seiner nun 7 Monate andauernden Herrschaft rund 12 000 Zivilisten vor Militärgerichte stellen lassen. In der gesamten - 30-jährigen - Herrschaftszeit Mubaraks seien hingegen „nur“ 2 000 Zivilisten von Militärgerichten abgeurteilt worden.[18] Diese unglaublich hohe Zahl war bereits kurz zuvor vom Leiter der ägyptischen Militärjustiz ebenfalls genannt worden.

Am 5. September 2011 hatte General Adel al-Morsy in einer Pressekonferenz diese Zahlen - schon vorab - bestätigt. Adel al-Morsy teilte mit, daß vom 28. Januar bis zum 29. August 2011 insgesamt 3 863 Verfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten stattgefunden hätten. Dabei sei gegen insgesamt 11 879 Zivilisten Anklage erhoben worden. 795 Angeklagte seien freigesprochen worden, gegen 6 235 Personen Gefängnisstrafen und bei weiteren 1 836 Bewährungsstrafen verhängt worden. Gegen weitere 1 225 Zivilpersonen seien ebenfalls Gefängnisstrafen verhängt worden. Diese Urteile wären aber noch nicht bestätigt worden. 281 Zivilpersonen befänden sich in noch laufenden Verfahren.(Bei seiner Aufzählung gingen dem General allerdings 1 507 Personen „verloren“) [19] [20] Aktivisten wie Mona Seif von der Kampagne „No to Military Trials for Civilians“ ("Keine Zivilisten vor Militärgerichte!") nehmen ohnehin an, daß die tatsächliche Zahl weit höher liegt. Schätzungen gehen bis zu 20 000. [21] [22]

Hungerstreik

Am 23. August 2011 trat Maikel Nabil Sanad in einen Hungerstreik um gegen seine Inhaftierung und seine Behandlung im Gefängnis zu protestieren. Nachdem er am 30. August auch das Trinken und die Einnahme von Medikamenten eingestellt hatte, fiel er drei Tage später ins Koma und wurde in ein Militärkrankenhaus verlegt. Mittlerweile wurde Sanad wieder in das Krankenhaus des El-Marg-Gefängnis von Kairo (im Gouvernement Al-Qalyubiyya) transportiert und ihm wurde Glukose zugeführt. Er verweigerte allerdings weiterhin die Einnahme von Medikamenten, die er wegen seiner Herzkrankheit nehmen muss. Er kündigte zudem an, erneut in den Hungerstreik treten zu wollen, um den Protest gegen seine unrechtmäßige Gefängnisstrafe fortzusetzen.

Reporter ohne Grenzen machte für den kritischen Gesundheitszustand von Sanad den Obersten Rat der ägyptischen Streitkräfte verantwortlich: „Auch wenn der Hungerstreik eine persönliche Entscheidung des Bloggers ist, so sind die Behörden doch für die Ursache seines Protestes verantwortlich: für die unrechtmäßige und antidemokratische politische Inhaftierung“, so ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard. Laut eigenem Bekunden strebe die ägyptische Übergangsregierung den Aufbau einer demokratischen Gesellschaft an. Es widerspreche demokratischen Standards, wenn Zivilisten vor ein Militärgericht gestellt würden. Außerdem müsse es möglich sein, die Armee wie jede andere Institution des Staates zu kritisieren.[23][24][25][26]

Berufungsverfahren

Gegen das Urteil legte Maikel Nabil Sanad Ende Juni Berufung ein. [27] Zu einer Anhörung (im Berufungsverfahren vor dem zuständigen Militärgericht in Kairo) am 4. Oktober kam es allerdings erst gar nicht. Der Richter verschob den Termin um eine Woche, auf Dienstag, den 11. Oktober, mit der Begründung es lägen nicht alle nötigen Papiere vor. Die Originalakten waren jedoch im gleichen Haus gelagert und wären leicht beizuziehen gewesen. Der Anwalt Sanads warrf dem vorsitzenden Richter absichtliche Verschleppung des Verfahrens vor. "Die Vertagung kommt einem Todesurteil gegen Maikel gleich, denn er hat geschworen, ab heute kein Wasser mehr zu trinken, sollte er nicht freikommen", teilte sein Vater Ibrahim Nabil Sanad Amnesty International mit.[28]

Aufhebung des Urteils vom 10. April 2011 - Neues Verfahren

Am 11. Oktober 2011 hob ein militärischen Berufungsgericht das am 10. April 2011 gegen Maikel Nabil Sanad verhängte Urteil auf und ordnete an, den gesamten Fall in einem neuen Verfahren noch einmal völlig neu zu verhandeln. Das neue Verfahren gegen Sanad, das am 18. Oktober 2011 eröffnet werden soll, wird allerdings wiederum vor einem Militärgericht stattfinden.[29][30][31][32]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Al-Masry Al-Youm 11. April 2011: Egyptian blogger sentenced to prison for insulting military
  2. The Daily News Egypt 11. April 2011: Blogger Maikel Nabil slapped with 3-year prison sentence; says worried about his safety
  3. Arabic Network for Human Rights Information 11. April 2011: After Informing the lawyers that the Sentence hearing is on April 12th , The Military Court Harshly and Almost Secretly Sentences The Blogger Michael Nabil to Three Years in Military Prison
  4. Spiegel-Online 11. April 2011: Haftstrafe. Ägyptischer Blogger büßt für Kritik an der Armee
  5. Der Standard 11. April 2011: Armee läßt Blogger ins Gefängnis werfen
  6. Zeit.de 29. März 2011: Foltervorwürfe gegen Ägyptens Armee
  7. Maikel Navil Sanad: The army and the people wasn’t ever one hand
  8. taz 30. März 2011: Kriegsdienstverweigerer verhaftet
  9. taz 2. April 2011: Das Ende der Küsse
  10. almasryalyoum.com 1. April 2011: Military court postpones trial of blogger accused of insulting the military
  11. Human Rights Watch 5. April 2011: Egypt: Drop Charges Against Blogger Critical of Military
  12. siehe auch Reporter sans frontières 11. April 2011: Court martial sentences blogger to three years in prison for criticizing military
  13. ANHRI – The Arabic Network for Human Rights Information 11. April 2011: After Informing the lawyers that the Sentence hearing is on April 12th , The Military Court Harshly and Almost Secretly Sentences The Blogger Michael Nabil to Three Years in Military Prison.
  14. The Daily News Egypt 11. April 2011: Blogger Maikel Nabil slapped with 3-year prison sentence; says worried about his safety
  15. Al-Masry Al-Youm 11. April 2011: Egyptian blogger sentenced to prison for insulting military
  16. Die Welt 10. Oktober 2011: Schlimmer als unter Mubarak
  17. The Daily News Egypt 12. April 2011: Rights groups condemn Egypt blogger jail sentence
  18. The Daily News Egypt 7. September 2011: 12,000 in military courts under SCAF; 2,000 under Mubarak, says lawyer
  19. Al-Masry Al-Youm 5. September 2011: Egypt to stop military trials for civilians once Emergency Law is lifted
  20. Al-Ahram 5. September 2011: Military trials for civilians to end when emergency laws are lifted: Egyptian General
  21. Die Welt 10. Oktober 2011: Schlimmer als unter Mubarak
  22. Die Zeit-Online 24. August 2011: Hungerstreik Die letzte Waffe gegen Ägyptens Militärjustiz
  23. Reporter ohne Grenzen 6. September 2011: Blogger im Hungerstreik: ROG fordert sofortige Freilassung von Maikel Nabil Sanad
  24. Amnesty International Deutschland 30. August 2011: Urgent Action. Blogger in Einzelhaft
  25. taz 6. September 2011: Hungerstreik wegen Militärkritik. Ägyptischer Blogger nicht mehr im Koma
  26. Tagesspiegel 31. August 2011: Militär-Willkür. Ägyptischer Blogger kämpft um seine Freilassung
  27. Tagesspiegel 31. August 2011: Militär-Willkür Ägyptischer Blogger kämpft um seine Freilassung
  28. Die Welt 10. Oktober 2011: Schlimmer als unter Mubarak
  29. Die Zeit-Online 11. Oktober 2011: Ägypten Prozess gegen Blogger Sanad wird neu aufgerollt
  30. The Daily News Egypt 11. Oktober 2011: Detained blogger Maikel Nabil to be retried
  31. Bikyamasr 11. Oktober 2011: Egyptian blogger Maikel Nabil Sanad called for retrial
  32. The Daily News Egypt 13. Oktober 2011: Detained blogger's retrial set for Oct. 18

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