Luftangriffe auf Paderborn

Luftangriffe auf Paderborn

Bei den Luftangriffen auf Paderborn wurde die Stadt Paderborn im Rahmen der Moral-bombing-Strategie am 27. März 1945 von Einheiten des britischen RAF Bomber Command weitgehend zerstört. Diesem Luftangriff waren bereits einige meist kleinere Luftangriffe vorausgegangen. Der erste Luftangriff durch britische Einheiten erfolge 21. Juni 1940 auf den außerhalb der Stadt gelegenen Flugplatz Paderborn. Bis zum Frühjahr 1945 galten alle Luftangriffe rein militärischen Zielen, unter Inkaufnahme von teils erheblichen zivilen Kollateralschäden. Das dichtbesiedelte Stadtzentrum war jedoch bis dahin kein explizites Angriffsziel.[1]

Inhaltsverzeichnis

Erste schwere Angriffe auf das Stadtzentrum

Reste einer Luftmine vom Angriff am 22. März 1945 im Innenhof des Paderborner Doms

Am 17. Januar 1945 erfolgte ein Tagesangriff durch 400 US-Bomber auf die Altstadt und das Südviertel. Hierbei kamen rund 240 Personen ums Leben. Es folgten zwei weitere Tagesangriffe durch US Bomberstaffeln am 23. Februar 1945 und am 10. März 1945. Zielgebiet war hierbei der Norden vom Maspernplatz bis etwa zum Schützenplatz, das Bahnhofsviertel, das Ükernviertel und die Paderbornen Südstadt. Bei den Angriffen kamen 75 Menschen ums Leben. Am 22. März 1945 um 21 Uhr folgte noch ein kleinerer britischer Nachtangriff, bei dem die Umgebung des Paderborner Domes und der Dom selber stark beschädigt wurden.[2] Dies war jedoch nur das Vorspiel zum entscheidenden Großangriff fünf Tage später, bei welchem das Stadtgebiet großflächig zerstört werden sollte.[3]

Die Angreifer

Der Angriff mit anschließendem Großbrand wurde auf Befehl von Luftmarschall Arthur Harris der britischen Royal Air Force durchgeführt. Zur Zerstörung des dicht bebauten Flächenziels wurde ein bereits bei den Angriffen auf Kassel, Braunschweig, Pforzheim, Hamburg angewandtes Verfahren verwendet. Bei diesem Angriffsverfahren verwendete man eine Kombination von Spreng- und Brandbomben. Diese Kombination führte im militärischen Optimalfall zu einem Feuersturm. Das Feuer vervielfachte dabei die Schäden der als Verursacher eingesetzten Spreng- und Brandbomben.[4]

Die Vorbereitung

Die genaue Auswahl der zu bombardierenden Stadtteile wurde anhand von Luftbildern, Bevölkerungsdichtekarten und Brandversicherungskatasterkarten getroffen. Die Katasterkarten waren durch deutsche Feuerversicherungen bei britischen Rückversicherungsgesellschaften vor dem Kriege hinterlegt worden. Die historische Paderborner Altstadt wurde als Kerngebiet des Angriffs ausgewählt, da hier der Holzanteil an der Gesamtbaumasse am Höchsten war. Damit stellte sie zum Entzünden eines Feuersturms in Paderborn das optimale Kernzielgebiet dar.[5]

Vor dem Bombardement wurde das Zielgebiet von Mosquito-Schnellbombern durch rote und grüne Markierungskörper (sogenannte Christbäume) abgegrenzt. Dies wurde überwacht durch einen in großer Höhe fliegenden Masterbomber, der über Funk mit den Markierungsfliegern verbunden war. Nachdem dies beendete war, überprüfte der Masterbomber auf einer tieferen Flugbahn nochmals das Paderborn Zielgebiet, legte die exakten Anflughöhen fest und gab den Angriff frei.[6]

Das Bombardement

Das Zielgebiet des ersten Flächenangriffs auf Paderborn stellte im Wesentlichen das dichtbesiedelte Stadtzentrum – insbesondere die historische Altstadt – dar. Das Bombardement begann am 27. März 1945 um ca. 17:30 Uhr. 270 Lancaster-Bomber und 8 Mosquito Flugzeuge setzte die Royal Air Force dabei ein.[7]

Zuerst wurden tausende Sprengbomben sowie mehrere hundert Luftminen abgeworfen. Durch die Druckwellen der Explosionen wurden die Dächer aufgerissen. Danach wurden tausende Elektron-Thermitstäbe über dem Stadtgebiet abgeworfen, die nun in die aufgerissen Dachstühle der Häuser fielen und diese innerhalb kürzester Zeit in Vollbrand versetzten. Binnen einer Stunde breiteten sich tausende kleinere Gebäudebrände zu einem Großbrand aus..[8]

Schäden und Opfer

Die Mehrheit der in den Kellern Zuflucht suchenden Menschen – soweit sie nicht während des Angriffs durch Trümmer erschlagen wurden – erstickten oder verbrannten in den Kellern. Eine Flucht aus den Kellern über die Straßen war nur selten möglich, da die Hitzeentwicklung zu groß war. Dem Angriff auf die dichtbesiedelte Stadt fielen bis zu 350 Menschen zum Opfer. Es wurden 85 Prozent der Bausubstanz Paderborns zerstört.[9]

Der Schwerpunkt der Zerstörungen lag im historischen Stadtzentrum, dieses war fast völlig zerstört. Die Paderborner Luftschutzleitung meldete nach dem Angriff:

"Gebäudeschäden: 2000 Gebäude total zerstört, 500 schwer beschädigt, 700 mittel schwer beschädigt, 400 leicht beschädigt.

Brände: 1.500 Großbrände, 1.000 mittlere Brände, 500 Kleinbrände, Flächenbrand über dem gesamten Stadtkern"

Die verhältnismäßig geringe Opferzahl bei diesem Großangriff ist dem Umstand zu verdanken, dass viele Einwohner nach den vorangegangenen Angriffen ab dem 17. Januar 1945 die Stadt aus Angst vor weiteren Angriffen verlassen hatte. Insgesamt kamen während aller Luftangriffe auf Paderborn rund 900 Menschen ums Leben.[10]

Paderborn hatte durch die Luftangriffe eine Vielzahl seiner bedeutendsten Denkmäler verloren, die Altstadt ihr mittelalterliches Gesicht völlig eingebüßt.[11]

Die Bibliothek der erzbischöfliche Akademie verlor 70.000 ihrer 160.000 Bücher umfassenden historischen Sammlung. Das Paderborner Stadtbild hat sich dadurch radikal verändert.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a.: Die Luftangriffe auf Paderborn 1939 – 1945. 2. Auflage. Paderborn, Selbstverlag, 1980.
  • James Stern: Die unsichtbaren Trümmer. Eine Reise im besetzten Deutschland 1945. Eichborn, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-0749-0.
  • Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945. Propyläen, München 2002, 11. Auflage, ISBN 3-549-07165-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 51 ff.
  2. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 51 ff.
  3. Jörg Friedrich: Der Brand, S. 200–203.
  4. Jörg Friedrich: Der Brand, S. 200–203.
  5. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 23f.
  6. Jörg Friedrich: Der Brand, S. 200–203.
  7. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 11 ff.
  8. Jörg Friedrich: Der Brand, S. 200–203.
  9. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 77 ff.
  10. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 95 ff.
  11. Rainard Claus, Hans-Werner Fricke, Andreas Kühlert u. a., S. 111 ff.
  12. Jörg Friedrich: Der Brand, S. 200–203.

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