Luftangriffe auf Hildesheim

Luftangriffe auf Hildesheim

Während des Zweiten Weltkrieges war Hildesheim Ziel mehrerer alliierter Luftangriffe.

Inhaltsverzeichnis

Hildesheim während des Zweiten Weltkrieges

1939 hatte Hildesheim etwa 72.000 Einwohner. Für die meiste Zeit des Krieges galt Hildesheim als unbedeutendes Ziel. Das britische Bomber Command maß dem militärischen Potenzial der Industrie in und um Hildesheim nur eine geringe Bedeutung bei.[1] In der Region war aber kriegswichtige Industrie ansässig. So produzierte die Hildesheimer Vereinigte Deutsche Metallwarenfabrik Flugzeugteile, Motoren und Triebwerke. Andere Fabriken fertigten Teile für Geschütze und Panzer (Senking-Werke), Torpedos (Ahlborn AG) und Gummiwaren (Wetzell Gummiwerke AG). Im Hildesheimer Wald außerhalb der Stadt stellte die Robert Bosch GmbH Komponenten für Flugzeug- und Panzermotoren her. Es gab auch einen großen Rangierbahnhof in Hildesheim.[2]

Luftangriffe

Britischer Avro Lancaster-Bomber beim Bombenabwurf
Fachwerkhaus Umgestülpter Zuckerhut (1945 zerstört). Aufnahme ca. 1900

Am 29. Juli 1944 erfolgte der erste Luftangriff bei dem 34 Menschen getötet wurden. Der Angriff verursachte schwere Schäden an der Zuckerraffinerie.[2]
In der Nacht vom 12. August 1944 fielen 20 Spreng- und 80 Brandbomben [2]. Es entstanden leichte Schäden an der Zuckerraffinerie und der Vereinigten Deutschen Metallwarenfabrik. Einige Bomben trafen ein Wohngebiet in der Südstadt, dort wurden ein Haus zerstört und fünf weitere schwer beschädigt. Mehrere Bomben trafen ein Kriegsgefangenenlager im Bereich Pferdeanger/Lademühle. Zehn Kriegsgefangene kamen dort ums Leben.[2]
In der Zeit von 11:00 Uhr bis 13:30 Uhr wurde die Stadt am 26. November 1944 angegriffen. Hildesheim war wahrscheinlich ein Ausweichziel (target of opportunity). Es gab keine Personenschäden, im Stadtzentrum wurden einige Häuser in der Burgstraße Ecker Alter Markt beschädigt. Ein Haus in der Matthiaswiese in der Weststadt wurde zerstört.[2] Am 13. Februar 1945 fiel nachts eine Luftmine auf den Tennisplatz an der Johanniswiese, dadurch wurden zahlreiche Hausdächer beschädigt. Bei diesem Angriff kamen keine Menschen zu Schaden.[2]
Am 22. Februar 1945, als Teil der alliierten Operation Clarion (Zerstörung der deutschen Verkehrszentren in kleineren Städten), wurde der Rangierbahnhof am Nachmittag angegriffen. Die Anlage wurde stark beschädigt. In der Stadt wurden 102 Häuser vollständig zerstört, 106 Häuser und zwei Kirchen (St. Bernward und St. Lamberti) schwer sowie 998 Häuser und vier Kirchen (Dom, St. Michaelis, St. Jakobi, St. Andreas) leicht beschädigt.[2] Bei diesem Angriff kamen etwa 250 Menschen ums Leben.[3]
Am 3. März 1945 wurde Hildesheim zum Ausweichziel (target of opportunity) für einen geplanten Luftangriff auf Braunschweig. Insgesamt fielen 583 Sprengbomben auf die Oststadt. 51 Häuser wurden vollständig zerstört und an 58 Häuser verzeichneteten Beschädigungen. 22 Häuser wurden leicht beschädigt. 52 Menschen kamen ums Leben.[2]
Teile der First Air Division bombardierten am 14. März 1945 mehrere Ziele in der Gegend um Hannover. Darunter waren die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) und der Rangierbahnhof in Hildesheim. Während der Rangierbahnhof erneut schwer getroffen und für mehrere Tage stillgelegt werden musste, verfehlten die Bomber die VDM, bombardierten stattdessen die Senking Metall-Werke und zerstörten diese völlig. Über 150 Menschen verloren ihr Leben. Unter ihnen befanden sich 60 Kriegsgefangene.[2]
Am 22. März 1945 war Hildesheim das wichtigste Tagesziel der alliierten Bomberkommandos. Britische und kanadische Bomber flogen im Rahmen der Area bombing directive einen Angriff auf das Stadtzentrum.[4] Die eingesetzten britisch-kanadischen Bombereinheiten waren auf das systematische Abbrennen ziviler Flächenziele spezialisierte Einheiten des britischen Bomber Command, die unter anderem für die Flächenbombardements auf Dresden, Kassel, Braunschweig, Pforzheim, Hamburg und Stuttgart verantwortlich waren. Die Einheiten wandten eine Kombination von Spreng- und Brandbomben an. Diese Kombination führte im militärischen Optimalfall zu einem Feuersturm. Das Feuer vervielfachte dabei die Schäden der als Verursacher eingesetzten Spreng- und Brandbomben. Die genaue Auswahl der zu bombardierenden Stadtteile wurde anhand von Luftbildern, Bevölkerungsdichtekarten und Brandversicherungs-katasterkarten getroffen. Die Katasterkarten waren durch deutsche Feuerversicherungen bei britischen Rückversicherungsgesellschaften vor dem Kriege hinterlegt worden. Die Hildesheimer Altstadt wurde als Kerngebiet des Angriffs ausgewählt, da hier der Holzanteil an der Gesamtbaumasse am Höchsten war. Damit stellte sie zum Entzünden eines Feuersturms in Hildesheim das optimale Kernzielgebiet dar. 02:00 Uhr begannen über 250 Bomber den Angriff. In den folgenden 15 Minuten warfen sie insgesamt 438,8 Tonnen Sprengbomben und 624 Tonnen Brandbomben ab.[5] 75 Prozent der Gebäude wurden durch den Angriff zerstört oder beschädigt, einschließlich fast der gesamten historischen Altstadt.[6] Das Zentrum, mit seiner als Rothenburg des Nordens bekannten mittelalterlichen Bebauung wurde fast völlig zerstört.

Etwa 1500 Zivilisten wurden bei den Angriffen im März getötet, von diesen konnten circa 500 nicht identifiziert werden.[2] Bis Kriegsende wurden im Luftkrieg in Hildesheim insgesamt 1736 Menschen getötet.[7]

Nach dem Krieg

Rekonstruierte Gebäude am Marktplatz

Rund 34.000 Einwohner (46%) der Stadtbevölkerung waren am Kriegsende obdachlos.[6]. Der schnelle Wiederaufbau mit einfachen Gebäuden prägte das Stadtbild. Die Kirchen, von denen zwei später in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurden, wurden kurz nach dem Krieg wieder aufgebaut. In den 1980er Jahren begann eine Rekonstruktion des historischen Zentrums. Einige der Nachkriegsbetonbauten rund um den Marktplatz wurden abgerissen und durch Replikate des Knochenhaueramtshauses und anderer historischer Gebäude ersetzt. Im Herbst 2007 wurde eine Entscheidung für den Wiederaufbau des Umgestülpten Zuckerhutes, eines ikonischen Fachwerkhauses, getroffen. Der Wiederaufbau wurde im Oktober 2010 abgeschlossen.

Literatur

  • Hermann Meyer-Hartmann: Zielpunkt 52092 N, 09571 O: Der Raum Hildesheim im Luftkrieg 1939–1945. Bernward Verlag, Hildesheim 1985, ISBN 3-87065-352-3 (Schriftenreihe des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hildesheim. Bd. 14).
  • Hermann Seeland: Zerstörung und Untergang Alt-Hildesheims. Chronik vom 30. Juli 1944 bis 8. Mai 1945. Lax Verlag, Hildesheim, 1947.
  • Friedrich, Jörg, Titel: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945. Propyläen Verlag, München 2002.

Einzelnachweise

  1. The Bomber's Baedeker, PRO London, AIR 14/2662
  2. a b c d e f g h i j Meyer-Hartmann: Zielpunkt (siehe Literatur).
  3. Lagemeldung 1379 vom 25. Februar 1945, Chef der Ordnungspolizei, Berlin, Bundesarchiv Koblenz R 19/341
  4. Targets and A/P's for day 22nd, Mar 45, Air Historical Branch RAF, London.
  5. Bomber Command Summary of Operations, 22nd Mar 45, Serial No. 1042, Air Historical Branch, London
  6. a b Statistisches Jahrbuch für die Hauptstadt des Regierungsbezirks Hildesheim, Jg. 1960/61, 2. Band, Hildesheim, 1961.
  7. Friedrich, Jörg, Titel: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945. S. 215,Propyläen Verlag, München 2002

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