Charakter (Mathematik)

Charakter (Mathematik)

Im mathematischen Teilgebiet der Darstellungstheorie sind Charaktere gewisse Homomorphismen.

Inhaltsverzeichnis

Charaktere einer Gruppe

Abstrakte und topologische Gruppen

Es sei G eine abstrakte Gruppe oder eine topologische Gruppe. Ein Charakter von G ist ein Gruppenhomomorphismus

G\to\mathbb C^\times

in die multiplikative Gruppe der komplexen Zahlen; bei topologischen Gruppen wird noch Stetigkeit gefordert. Ein unitärer Charakter ist ein Charakter, dessen Bilder auf dem Einheitskreis S^1=\{z\in\mathbb C\mid |z|=1\} in der komplexen Zahlenebene liegen. Ein unitärer Charakter, dessen Bilder sogar reell sind, also in { − 1, + 1} liegen, wird als quadratischer Charakter bezeichnet. Charaktere, die konstant sind, deren Bilder also immer 1 sind, heißen trivial, alle anderen nichttrivial.

Die nichttrivialen quadratischen Charaktere der multiplikativen Gruppe eines Schiefkörpers spielen in der synthetischen Geometrie eine Schlüsselrolle bei der Einführung einer schwachen Anordnung auf der affinen Ebene über diesem Schiefkörper.

Hinweis: Häufig werden allgemeine Charaktere als Quasi-Charaktere und unitäre Charaktere als Charaktere (ohne Zusatz) bezeichnet.

Eigenschaften

  • Die Charaktere von G bilden mit der durch
(\chi\cdot\psi)(g)=\chi(g)\cdot\psi(g)
erklärten Gruppenverknüpfung eine abelsche Gruppe, die Charakterengruppe.
  • Die Charaktere von G entsprechen den eindimensionalen komplexen Darstellungen von G, die unitären Charaktere den unitären eindimensionalen Darstellungen.
  • Ein Charakter ist genau dann unitär, wenn \chi(g^{-1})=\overline{\chi(g)} für alle g\in G gilt.
  • Ist G endlich, so ist jeder Charakter unitär.
  • Für einen Charakter χ einer endlichen Gruppe G gilt
\sum_{g\in G}\chi(g) = \begin{cases} \#G & \mathrm{falls}\ \chi=1 \\ 0 & \mathrm{sonst}; \end{cases}
dabei steht 1 für den trivialen Charakter mit χ(g) = 1 für alle g\in G. Eine analoge Aussage gilt für kompakte topologische Gruppen; dabei ist die Summe durch ein Integral zu ersetzen.

Dirichlet-Charaktere

In der Zahlentheorie versteht man unter einem Dirichlet-Charakter einen Charakter χ auf der Gruppe

(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z})^{\times} = \{k\!\! \pmod n | \operatorname{ggT}(k,n)=1\}.

Für einen solchen Charakter definiert man eine ebenfalls als Dirichlet-Charakter bezeichnete Funktion

\chi: \mathbb{Z} \to \mathbb{C},
\chi(k) = \begin{cases} \chi(k\!\! \pmod n) & \text{falls}\quad  \operatorname{ggT}(k,n)=1 \\ 0 & 
\mathrm{falls}\quad \operatorname{ggT}(k,n)>1 \end{cases}.

Dirichlet-Charaktere spielen eine wichtige Rolle beim Beweis des Dirichletschen Satzes über die Existenz unendlich vieler Primzahlen in arithmetischen Progressionen. Dabei betrachtet man so genannte L-Reihen, das sind Dirichletreihen mit einem Dirichlet-Charakter als Koeffizienten.

Da für endliche abelsche Gruppen die Charaktergruppe isomorph zur Ausgangsgruppe ist, gibt es φ(n) verschiedene Charaktere auf der Gruppe (\mathbb{Z}/n\mathbb{Z})^{\times}, dabei ist φ(n) die Eulersche Phi-Funktion.

Für n = 5 ist beispielsweise φ(5) = 4, d.h. es gibt neben dem Haupt- oder trivialen Charakter χ1 noch drei weitere Charaktere:

k 1 2 3 4
χ1(k) 1 1 1 1
χ2(k) 1 -1 -1 1
χ3(k) 1 i -i -1
χ4(k) 1 -i i -1


Für einen Dirichlet-Charakter χ gilt:

\sum_{k\ (mod\ n)} \chi(k) = \begin{cases} \varphi(n) & \mathrm{falls}\ \chi = \chi_1 \\ 0 & 
\mathrm{sonst}\end{cases}


Für ein festes k \in \mathbb{Z} gilt:

\sum_{\chi} \chi(k) = \begin{cases} \varphi(n) & \mathrm{falls}\ k \equiv 1 \mathrm{(mod\ n)} \\ 0 & 
\mathrm{sonst}\end{cases}

wobei die Summe über alle Charaktere \chi \ (mod\ n) genommen wird.

Ein Dirichlet-Charakter ist eine vollständig multiplikative zahlentheoretische Funktion.

Algebraische Gruppen

Ist G eine algebraische Gruppe, so ist ein Charakter von G ein Homomorphismus G\to\mathbb G_\mathrm m; dabei ist \mathbb G_\mathrm m die multiplikative Gruppe. Die Charaktere von G bilden eine (abstrakte) abelsche Gruppe, die mit X(G) oder X * (G) bezeichnet wird.

Charaktere von Darstellungen

Der folgende Begriff eines Charakters stammt aus der Darstellungstheorie von Gruppen und ist eine Erweiterung des oben definierten Charakterbegriffes.

Ist G eine Gruppe, K ein Körper und ρ eine endlichdimensionale K-lineare Darstellung von G, so heißt die Abbildung

\chi\colon G\to K,\quad g\mapsto\operatorname{tr}\rho(g),

die einem Gruppenelement g die Spur des entsprechenden K-linearen Automorphismus ρ(g) zuordnet, der Charakter von ρ. Im eindimensionalen Fall sind Darstellung und Charakter praktisch identisch und es handelt sich um einen Charakter von G im oben definierten Sinne. Im mehrdimensionalen Fall ist χ jedoch in der Regel nicht multiplikativ. Ist G endlich und K algebraisch abgeschlossen von Charakteristik 0, so lässt sich die Theorie genau dann vollständig auf den eindimensionalen Fall reduzieren, wenn G abelsch ist.

Äquivalente Darstellungen haben denselben Charakter. Die Umkehrung – sind zwei Charaktere identisch, so sind auch schon die zugehörigen Darstellungen äquivalent – gilt nicht immer, aber zum Beispiel stets, wenn die Charakteristik des Körpers 0 ist.

Ist K der Körper der komplexen Zahlen und G endlich, so sind die Werte der Charaktere stets endliche Summen von Einheitswurzeln, insbesondere algebraische Zahlen, und es gilt wiederum \chi(g^{-1})=\overline{\chi(g)}.

Charaktere sind konstant auf Konjugationsklassen. Eine tabellarische Aufstellung der Werte der Charaktere der irreduziblen Darstellungen einer endlichen Gruppe auf den einzelnen Konjugationsklassen nennt man Charaktertafel. Eine praktische Eigenschaft zum Auffinden von irreduziblen Darstellungen sind die Schurschen Orthogonalitätsrelationen für Charaktere.


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