Lindau 21

Lindau 21

Lindau 21 ist ein Projekt zur Neuordnung der Eisenbahnanlagen im Raum der bayerischen Stadt Lindau am Bodensee. Der bisherige Hauptbahnhof auf der Insel, ein Kopfbahnhof, soll dabei durch einen viergleisigen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Es zählt zu den Projekten Bahnhof 21 der Deutschen Bahn.

Im Rahmen des Ausbaus der Bahnachse München-Memmingen–Lindau–Bregenz–Zürich soll bis 2015 auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Lindau-Reutin auf dem Festland ein neuer Durchgangsbahnhof entstehen.

Die geschätzten Kosten des Projekts wurden 2005 mit rund 65 Millionen Euro beziffert.[1]

Geschichte

Die Insel Lindau mit den heutigen Bahnhofsanlagen südlich des Zentrums

Die Planung für einen Durchgangsbahnhof in Reutin begann im Jahr 1995. Maßgebliche Gründe für diese Planung waren laut Bahnangaben die seit Eröffnung des bestehenden Bahnhofs (1854) grundlegend veränderte Siedlungsstruktur, Mängel in den vorhandenen Bahnanlagen, die ungünstige Lage des vorhandenen Bahnhofs sowie die bestehenden Güterverkehrsanlagen, die in diesem Umfang nicht mehr benötigt würden. Auch wirtschaftliche Gründe würden für den neuen Standort sprechen.[1]

Im April 1997 kündigte die Deutsche Bahn an, unter dem Arbeitstitel Lindau 21 den Kopfbahnhof der Stadt in einen Durchgangsbahnhof umzuwandeln. Nicht zuletzt der Verkehr auf der Relation München–Lindau–Zürich sollte damit wesentlich beschleunigt werden. Einschließlich eines Streckenausbaus sowie dem Einsatz von Neigetechnik-Zügen sollte die Fahrzeit zwischen München und Zürich um eine Stunde verkürzt werden. Der damalige Bahnchef Heinz Dürr betonte, die Bahnanlagen der Stadt seien „völlig unterdimensioniert und technisch überholt“; insbesondere das Stellwerk müsse dringend erneuert werden, ferner sechs höhengleiche Bahnübergänge abgebaut werden. Als Standorte für einen Durchgangsbahnhof auf dem Festland wurden neben dem Güterbahnhof Reutin auch der Europaplatz erwogen. Als ein Vorteil der Europaplatz-Variante galt dabei die fußläufige Erreichbarkeit der Innenstadt, die vom Reutiner Standort etwa zwei Kilometer entfernt liegt. In beiden Varianten sollte der Durchgangsbahnhof je zwei durchgehende Hauptgleise und zwei Überholgleise erhalten. Die DB sicherte zu, an beiden Standorten auch in Zukunft alle Züge halten zu lassen. Dürr forderte eine Standortentscheidung des Stadtrates bis Ende 1997 ein und gab die Gesamtkosten für den Neubau von Stellwerk und Bahnhof mit 70 Millionen DM an. Der Großteil der Kosten sollte durch den Verkauf von rund 35 Hektar nicht mehr benötigter Bahnflächen auf der Insel und in Reutin aufgebracht werden. Die Inbetriebnahme sollte, bei günstigem Ablauf, etwa fünf Jahre später erfolgen.[2] Die Entscheidung, den Stadtbahnhof aufzugeben, wurde von Pro Bahn und von Bürgern auf Versammlungen kritisiert.[3]

Ende November 1997 sprach sich der Stadtrat dafür aus, den Inselbahnhof zu erhalten und schlug eine Verschiebung des Empfangsgebäudes um 200 Meter vor.[4] Mitte Juli 1999 endete eine Abstimmung über das Projekt im Stadtrat mit einem Patt, entsprechend ohne Zustimmung für das Projekt.[5]

Anfang Juni 2000 kündigte die Deutsche Bahn an, entgegen vorherigen Plänen den bestehenden Kopfbahnhof aus Kostengründen aufzugeben.[6]

Im Dezember 2002 wurde das Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Die Unterlagen wurden im Dezember 2003 öffentlich ausgelegt und im April 2004 erörtert. 2005 lief die Einarbeitung der Einwendungen in die Planung. Der Planfeststellungsbeschluss wurde für 2005 erwartet, der Baubeginn für 2007.[1]

Umstritten ist, ob der bestehende Kopfbahnhof weiter angebunden werden soll. Während die Stadt (Stand: Januar 2009) auf einem Erhalt der Station beharrt, lehnt die Deutsche Bahn die nach ihren Angaben bis zu 25 Millionen Euro teure Maßnahme ab. Eine Einigung ist (Stand: November 2008) noch nicht in Sicht.[7]

Um die ab 2015 geplante Reisezeitverkürzung zwischen München und Zürich (von heute viereinviertel auf dreieinviertel Stunden) zu realisieren, wäre ein Durchgangsbahnhof in Lindau erforderlich.[7]

Am 31. Mai 2011 kündigte die Deutsche Bahn an, im weiteren Dialog mit der Stadt bis spätestens Herbst 2011 eine Entscheidung treffen zu wollen. Neben den Varianten für den Reutiner Durchgangsbahnhof werde dabei nun auch eine Variante zur Modernisierung des bestehenden Bahnhofs geprüft. Eine solche Investition ließe, so die DB, allerdings keine darüber hinaus gehenden Investitionen zu.[8] Ferner könne ein Erhalt des Fernverkehrshalts Lindau nicht zugesagt und Lärmschutz entlang der Bestandsstrecke nicht realisiert werden. Das Unternehmen habe, nach eigenen Angaben, das Eisenbahn-Bundesamt um Einstellung des Verfahrens für den geplanten Durchgangsbahnhof gebeten. Eine vom Stadtrat geforderte Lösung eines Durchgangsbahnhofs in Reutin, mit Erhalt des bestehenden Bahnhofs, wird von der Deutschen Bahn aus Kostengründen abgelehnt.[9]

Bei einem Gespräch wurde Anfang August 2011 ein Kompromissvorschlag zur Diskussion gestellt. Dieser sieht einen Erhalt des Inselbahnhofs für den Großteil des Regionalverkehrs sowie einen reduzierten Reutiner Durchgangsbahnhof für den Fern- und einen Teil des Regionalverkehrs vor. Bis Ende September 2011 werden die Ergebnisse vertiefter Untersuchungen erwartet.[10]

Am 25. Oktober 2011 hat der Stadtrat in einer öffentlichen Sitzung in der Inselhalle mit 20:10 für die sogenannte „Kombilösung“ gestimmt. Diese ermöglicht den Erhalt des Lindauer Hauptbahnhofs auf der Insel, idealer Taktknoten einer geplanten Bodensee-S-Bahn und Ziel eines Drittels aller Bahnreisenden. Darüber hinaus soll eine, auch fernverkehrstaugliche, Bahnstation in Reutin errichtet werden. Damit wäre der dauerhafte Erhalt des EC/IC-Haltes der Verbindung München-Zürich mit weiteren Regionalzuganfahrten bei gleichzeitiger besserer Anbindung des Festlandes möglich. In einer weiteren Abstimmung wurde ein Bürgerentscheid mit 19:11 Stimmen beschlossen. Dieser wird am 11. Dezember durchgeführt.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c Manfred Rauscher: Ein Durchgangsbahnhof für Lindau (Bodensee). In: Eisenbahn-Revue International, Heft 5/2005, ISSN 1421-2811, S. 246–251.
  2. Eine Jahrhundertchance für die Bodensee-Insel. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 99, 1997, ISSN 0174-4917, S. 43.
  3. Fahrgäste kämpfen für Lindauer Inselbahnhof. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 226, 1997, ISSN 0174-4917, S. 61.
  4. Bahnhof bleibt auf der Insel. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 275, 1997, ISSN 0174-4917, S. 59.
  5. Lindauer Bahnhof bleibt auf der Insel. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 161, 1997, ISSN 0174-4917, S. L7.
  6. Meldung Aktuelles in Kürze. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 8-9/2000, ISSN 1421-2811, S. 340.
  7. a b Stillstand am Bodensee. In: Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2009, S. 50.
  8. DB Mobility Logistics AG (Hrsg.): Lindau: Bahn will Entscheidung über künftigen Bahnhof.
  9. In Sachen Lindauer Bahnhof und Unterführung fangen Stadt und Bahn AG ganz neu an. In: Schwäbische Zeitung (Onlineausgabe), 1. Juni 2011.
  10. Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie (Hrsg.): Ergebnisse des Fachspitzengesprächs zur Schienenanbindung Lindaus. Presseinformation 428/11 vom 5. August 2011.

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