Chan

Chan
Huineng zerreißt Sutras

Chan (chinesisch  /  Chán) ist die chinesische Bezeichnung für Zen bzw. im besonderen die Bezeichnung der speziellen chinesischen Zentradition. Chan ist eine im Kaiserreich China entstandene Meditationsschule des Mahayana-Buddhismus, die durch die Übung der Meditation im Lotus-Sitz und durch das Lösen von Gongans (jap. Koan), einer Art paradoxer Rätsel, sowie Erleuchtungserfahrung charakterisiert ist. Chan entstand durch die Begegnung des Buddhismus mit dem Daoismus und dem Konfuzianismus. Er hat auf die chinesische Philosophie, Kunst und Kultur einen großen Einfluss ausgeübt.

Der chinesische Name Chan stammt von dem Sanskritwort Dhyana, das in das Chinesische als 禪那 (Chán'nǎ) übertragen wurde. Der Chan-Buddhismus wurde, von seinem Ursprungsland China ausgehend, in Ostasien und Südostasien durch Mönche verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Lehre

Begründet wurde der Chan-Buddhismus der Legende nach durch Bodhidharma zwischen 480 und 520 nach Christus. Er soll sich ganz auf die Meditation gestützt und jede schriftliche Überlieferung abgelehnt haben. Jedoch wird auch berichtet, er sei ein Anhänger des Lankavatara-Sutra, das die innere Erleuchtung betont, gewesen. Dementsprechend fand im Chan die Übermittlung der Lehre nicht mit Hilfe von Schriften, sondern von Meister zu Schüler und „von Herz zu Herz“ statt, obwohl es einige Textsammlungen von Chanmeistern gab und auch das Prajnaparamita-, das Lankavatara- und das Nirvanasutra eine Rolle spielten. Den größten Stellenwert hatte jedoch immer das Diamant-Sutra.

Der Weisheitsbegriff der Sutras wird im Chan ausgelegt als Durchschauen der Leere der Welt der Erscheinungen, der Eigenschaften und Formen der Dinge und der abgegrenzten Person, um zum Nichts vorzudringen. Prajna und Shunyata, Weisheit und Leere, werden als die gleiche Wirklichkeit gesehen, so dass im Chan von Nichtgeist und Nichtgedanke gesprochen wird. Diese werden erklärt als gleichzeitig existierend und nicht existierend, unfassbar und das Unfassbare selbst. Außen und Innen sowie Sein und Nichtsein sollen im Chan vollständig aufgegeben werden, um die ursprüngliche Buddhanatur zu erfahren und durch sie die wahre Wirklichkeit zu erfassen. Demgemäß lehnt Chan auch die herkömmlichen philosophischen Meinungen zu den Sutras ab, da die Lehren des Chan auf direkten Erfahrungen basieren und auf das eigene Selbst verweisen. Der richtige Standpunkt ist gemäß dem Chan die Abwesenheit von Standpunkten. In der Geschichte des Chan kam es so immer wieder vor, dass Chanmeister rituell Sutras verbrannten und Statuen zerstörten.

Das Ziel des Chan ist die Erleuchtung bzw. das Erwachen (jap. Satori), welches mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden konnte. Eines davon waren die Gong’ans 公案 (jap. Koans), Sentenzen oder Fälle, die rational nicht lösbar waren und der Transzendierung des Verstandes dienten, jedoch spielte die vertiefte Meditation in allen Schulen des Chan immer die bedeutendste Rolle.

Der Einfluss des Daoismus zeigt sich in der Neigung zur begrifflichen Negation, der Betonung der Leere und Einheit als das Absolute und dem hohen Stellenwert der Natur als Selbstnatur, Dharmanatur, Weisheitsnatur und Buddhanatur.

Negative Begriffe wie das Nichtsein (wuyou), Nichthandeln (wuwei), Nichtdenken (wunian) und Nichtbewusstsein (wuxin) waren für den Chanbuddhismus wichtig, und die Philosophie des Chan zeichnete sich immer als Philosophie des Paradoxen und Weg der radikalen Freiheit des Geistes aus. Chan betont die Einheit des Geistes mit der Buddhanatur, die sich nur im gegenwärtigen Dasein erfahren lässt, bzw. immer vorhanden ist und stellt sich dar als Weg der Praxis und nicht der philosophischen Spekulation, wie sie andere Schulen des Buddhismus in China auszeichnete.

Chan-Meister Yunmen

Geschichte

Als Begründer und erster Patriarch des Chan- und des späteren Zen-Buddhismus gilt der indische Mönch Bodhidharma. Er kam nach einer Reise über den Himalaya und Südchina um 523 n.Chr. in die nordchinesische Provinz Henan. In dem bis dahin daoistisch geprägten Shaolin-Kloster führte er seine Meditations- und Lehrpraxis ein, die von dort aus weiter getragen wurde. Einige Quellen berichten, auch die Kampfkunst des Kung Fu, für die Shaolin-Mönche im 20. Jahrhundert im Westen bekannt wurden, sei dort von ihm begründet worden.

Alle heute noch existierenden Schulen führen sich auf den sechsten Patriarchen Huineng (638-713) zurück. In der Zeit nach Huineng bildeten sich viele Schulen des Chan. Die Blütezeit des Chan in China war während der Tang- und Song-Dynastie, als wichtige Spruchsammlungen und Werke in Dialogform entstanden und auch die chinesische Kultur und Kunst beeinflusst wurden. Eine bedeutende Gestalt ist hier der Dichter Wang Wei, aber auch der Theoretiker Zongmi.

In der Frühgeschichte des Chan ragt ein bedeutendes Ereignis hervor, die Trennung in eine Nordschule und eine Südschule. Die Nordschule begriff Erleuchtung als einen allmählichen Prozess, der durch beständiges Üben der Meditation zu verwirklichen sei, während die Südschule betonte, dass Erleuchtung ein plötzliches Moment sei. Im Verlaufe der Geschichte setzte sich die Südschule durch, so dass Satori auch heutzutage immer noch als plötzliches Erwachen zur wahren Wirklichkeit definiert ist.

In der Chan-Bewegung nach Huineng ragen während der Tang-Zeit Mazu Daoyi, Baizhang Huaihai, Huangbo Xiyun (jap: Obaku Kiun) und Linji Yixuan (jap. Rinzai) heraus. Sie stellen das Chan der Patriarchen dar, jener historisch nicht verbürgten Überlieferungslinie, die mit Buddha begonnen haben soll. Sie betonen die Überlieferung außerhalb der schriftlichen Werke und den Weg der plötzlichen Erleuchtung, um die eigene Buddhanatur zu erfahren.

Baizhang soll die festen und strengen Regeln der Tempelklöster eingeführt haben, die heute noch eine Rolle in chinesischen und japanischen Zen- und Chan-Klöstern spielen und betonte den Wert der Arbeit: „Ein Tag ohne Arbeit, ein Tag ohne Essen“. Auch er betonte den Wert der Selbstnatur, als er von einem Mönch gefragt wurde, „Wer ist Buddha?“, antwortete er „Wer bist du?“.

Mazu vertrat einen dynamischen Weg der Meditation und betonte die Einheit des ursprünglichen Geistes mit der Buddhanatur. In einer Gong’an-Sammlung antwortet er auf die Frage „Was ist Buddha?“, zunächst mit „Der Geist ist Buddha“, und auf die erneute Frage mit „Weder Geist noch Buddha.“

Linji betonte in einer Art von Humanismus den „wahren Menschen“ (Zhenren, ein Begriff daoistischen Ursprungs) ohne Eigenschaften, der in vollkommener Freiheit lebt, und sein Dasein als Patriarchenbuddha, d.h. das Dasein jedes Wesens als Buddha. Der wahre Mensch ist gemäß Linji ein Mensch ohne Eigenschaften und ohne Rang, munter wie ein Fisch und quicklebendig. Linji verwirft damit die Richtungen des Chan, die die bewegungslose Reinheit und Stille zum Ideal erhoben. Von Linji stammt auch der berühmte Ausspruch des Chanbuddhismus: „Wenn ihr einem Buddha begegnet, tötet den Buddha.“ Er verwirft damit die Ansichten, der Buddha sei ein überweltliches Wesen und es gebe Autoritäten. Gemäß Linji ist es die Aufgabe jeder/s Einzelnen den wahren Buddha zu verwirklichen, nicht ihm zu „begegnen“.

Huangbo betonte die höchste Wirklichkeit als den universellen Geist, der allem zugrunde liegt und der ohne jegliche Attribute sei. Der Geist sei der Schöpfer aller Dinge und die Quelle wahrer Weisheit und durch Nichtdenken könne man zu ihr zurückkehren und den universellen Geist durch direkte Intuition erfahren.

Während der Song-Zeit vereinten sich dann die verschiedenen Schulen, und es blieben die Schule des Linji (chinesisch 臨濟宗 Línjì zōng; jap. Rinzai-shū), die auch „Chan des Sehens auf ein Gong’an“ genannt wird, und die Caodong-Schule (chinesisch 曹洞宗 Caódòng zōng; jap. Sōtō-shū), die auch „Chan der schweigenden Erleuchtung“ genannt wurde, bestehen. Die Caodong-Schule unterscheidet sich von der Linji-Schule dadurch, dass in ihr nicht das Hauptaugenmerk auf die Gong’an-Übung gelegt wird, sondern das Sitzen in Meditation die Hauptpraxis ist. Gemäß dieser Schule ist die Meditation ein Ausdruck der Buddhanatur.

In der Volksrepublik China wurde Chan lange Zeit unterdrückt; seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden jedoch viele Tempel und Klöster wiederaufgebaut und Nonnen und Mönche ordiniert. Es gibt eine wachsende Anzahl an Gläubigen. Auf Taiwan, in Hongkong und unter den Übersee-Chinesen ist Chan nach wie vor populär.

Siehe auch

Literatur

  • Heinrich Dumoulin: Geschichte des Zen-Buddhismus. Bd.I: Indien und China. Bern 1985, ISBN 3-7720-1554-9
  • Helwig Schmidt-Glintzer: Der Buddhismus. München 2005, ISBN 3-406-50867-7
  • Hans-Günter Wagner (Übers.): Die Lyrik des Chan-Buddhismus", Verlag Beyerlein und Steinschulte, Stammbachj 2009, 3 Bände, ISBN 978-3-931095-81-9
  • Hans-Günter Wagner (Übers.):Das Kostbarste im Leben – Geschichten und Anekdoten des Chan-Buddhismus, Kristkeitz Verlag, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-932337-26-0
  • Hans-Günter Wagner: Wie die Wolken am Himmel - Die Dichtung des Chan-Buddhismus, YinYang Media-Verlag, Frankfurt/Main 2007, 978-3-935727-13-6

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