Lambert Schneider (Verleger)

Lambert Schneider (Verleger)

Lambert Schneider (* 18. April 1900 in Köln; † 26. Mai 1970[1] in Heidelberg) war ein deutscher Verleger aus katholischer Familie.

Leben und Verlagsgeschichte

Lambert Schneider wuchs auf in Karlsruhe, war in der Revolutionszeit Spartakist, studierte Theaterwissenschaften und beschloss mit 25 Jahren, Verleger zu werden. Der Verlag Lambert Schneider wurde 1925 in Berlin begründet mit der von Schneider initiierten Neuübersetzung der Schrift (Altes Testament der Bibel) durch Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig. (Intention Schneiders war eine nicht christianisierte oder modern philosophisch interpretierte Übertragung.)[2] Trotz Schneiders universalistischer Intention bestimmten Buber und sein gedankliches Umfeld zunächst das Verlagsprogramm: Franz Rosenzweig, Eugen Rosenstock-Huessy, Hermann Herrigel, Ernst Michel, Neuauflagen der Werke Gustav Landauers (eng befreundet mit Buber), Hans Trüb. Für drei Jahre erschien die Zeitschrift Die Kreatur, herausgegeben von einem Juden (Buber), einem Katholiken (Joseph Wittig) und einem Protestanten (Viktor von Weizsäcker).

Im typographischen Bereich orientierte sich Lambert Schneider zunächst an Jakob Hegner, später an Carl Ernst Poeschel.

Im Zuge der Weltwirtschaftskrise geriet der Verlag in Konkursnähe, vor allem durch das aufwendige Bibel-Projekt. Durch Vermittlung Leo Baecks kam es zur Kooperation mit dem philanthropisch sehr aktiven jüdischen Kaufmann Salman Schocken. Die Judaica des Verlages gingen 1931 in den zu diesem Zweck neugegründeten Schocken Verlag über, dessen Hersteller und kaufmännischer Leiter Lambert Schneider wurde.

Lambert Schneiders erste Frau war Gert Schimmelburg; sie kam aus jüdischer Familie und verunglückte 1933 tödlich. 1934 heiratete er Marion Schleunig, eine Verlagsmitarbeiterin seit 1926. Der Archäologe Lambert Schneider ist ein Sohn aus dieser Ehe.

Nachdem in der Folge der Novemberpogrome 1938 der Schocken-Verlag liquidiert werden musste, erschienen im Verlag Lambert Schneider Textausgaben, die das Gesicht des Verlages für 50 Jahre bestimmen sollten: Pascal, Abaelard und Heloisa, Thukydides, Wackenroder, Clemens Brentano, Carmina Burana, Shakespeare, Aristophanes, Platon, Novalis.

Als der österreichische Verleger Otto Müller mit Berufsverbot belegt wurde und gezwungen werden sollte, seinen Verlag für 1/10 des Wertes an einen nationalsozialistischen Funktionär zu verkaufen, schloss Lambert Schneider mit ihm einen Vertrag auf Grundlage des angemessenen Wertes und zahlte diese Summe auch aus. [3]

Der Verlagssitz in Berlin und das Buchlager in Leipzig wurden ausgebombt. Auf Vermittlung von Alfred Weber und Marianne Weber holten die amerikanischen Besatzungsoffiziere Lambert Schneider nach Heidelberg; er wurde Lizenzträger und Leiter des Carl Winter Universitätsverlages und erhielt zugleich die Lizenz für seinen eigenen Verlag. 1945-49 erschien die bedeutsame Monatsschrift Die Wandlung (Karl Jaspers, Werner Kraus, Alfred Weber, Dolf Sternberger). Unter der Herausgeberschaft von (u.a.) Gustav Radbruch erschien ab 1946 die Süddeutsche Juristen-Zeitung.

Lambert Schneider wurde in den Jahren nach 1945 Vorsitzender einer heidelberger Aktionsgruppe zur Demokratie und zum freien Sozialismus, die sich auf Initiative von Alfred Weber gegründet hatte. (Zu den Referenten zählten Adolf Arndt, Heinrich von Brentano, Carlo Schmid, engagiert beteiligt war auch Alexander Mitscherlich).

Bedeutsame Veröffentlichungen des Verlag Lambert Schneider in den ersten Jahren nach 1945: Karl Jaspers: Die Schuldfrage (1946); Arthur Rimbaud: Sämtliche Dichtungen (zweisprachig, Übersetzung Walther Küchler, 1946) sowie Briefe und Dokumente (1961); Marianne Weber: Erfülltes Leben (1946); Psyche (hrsg. von Alexander Mitscherlich, Jahrgang 1-4); Alexander Mitscherlich/Fred Mielke: Wissenschaft ohne Menschlichkeit (1949; Neuausgabe unter dem Titel Medizin ohne Menschlichkeit); Anne Frank: Das Tagebuch der Anne Frank (1950; deutsche Erstausgabe).

Lambert Schneider hat auch nach 1945 die meisten deutschsprachigen Werke Martin Bubers verlegt; er starb 1970. Der Verlag Lambert Schneider wurde fortgeführt von Lothar Stiehm.

Quellen

  • Lambert Schneider: Rechenschaft. Ein Almanach 1924-1965 (Heidelberg 1965)
  • Bertold Hack: Lambert Schneider, Verleger und Verlag, in: Imprimatur. Ein Jahrbuch für Bücherfreunde. Neue Folge Bd. VI (Frankfurt/M. 1969)
  • Verlag Lambert Schneider. 60 Jahre Verlagsarbeit (Verlagskatalog 1986; enthält ausführliche bibliografische Angaben, jedoch fehlen die zu diesem Zeitpunkt vergriffenen Titel vor 1945 sowie "zufällig" ins Programm gekommene Titel der Nachkriegszeit)

Einzelnachweise

  1. Hannah Arendt, Christine Fischer-Defoy: Hannah Arendt: das private Adressbuch 1951-1975, Seite 199, Koehler & Amelang, 2007
  2. Lambert Schneider: Rechenschaft, S.12
  3. Lambert Schneider, a.a.O., S.45/6

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