Lagting (Norwegen)

Lagting (Norwegen)
Der Saal des Lagting

Das Lagting war in der Sagazeit eine allgemeine Tingversammlung, die Gesetze formulierte. Die ältesten Lagting waren das Frostating für Trøndelag mit Nordmøre und Romsdal, das Gulathing für Vestlandet und Sørlandet, später auch Hallingdal und Valdres, das Eidsivating für das innere Østlandet und Borgarting für Viken. Herjedalen, Jemtland, die damals zu Norwegen gehörten, und eine Zeit lang auch Hålogaland und andere Fylke hatten eigene Lagting. Ursprünglich hatte jeder freie Bauer die Pflicht, zum Lagting zu erscheinen. Mit zunehmender Machtkonzentration gegen Ende des 10. Jahrhunderts expandierten die großen Lagtinge geografisch. Nordmøre (Møre og Romsdal) und Hålogaland wurden dem Frostating zugeschlagen, Agder (heute Vest-Agder und Aust-Agder) kam zum Gulating. Am Ende des 13. jahrhunderts wurden in den vier großen Städten Bergen, Nidaros, Oslo und Tðnsberg neue Lagtinge gegründet. Aus dem allgemeinen Ting wurde ein Delegiertenting.[1] Für das Lagting wurden aus jedem Fylke Delegierte bestimmt. Der König war durch Lehnsleute und Vögte, die Kirche durch die Bischöfe und Geistliche vertreten.

Das Lagting war ursprünglich eine gesetzgebende Versammlung, der ein rechtskundiger Lagmann vorstand. Später waren die Lagting vor allem Gerichte, die durch ihre Gerichtsentscheidungen auch neues Recht schufen. Deshalb wurden ihnen dann auch neue Gesetze und Beschlüsse über Steuern und Abgaben zur Beurteilung vorgelegt. Das galt sowohl für das weltliche als auch für das kirchliche Recht. So verlor das Lagting in der späten Sagazeit allmählich seine Bedeutung als Volksversammlung. Auch als gesetzgebende Versammlung verlor das Lagting seine Funktion, als die Königsmacht die Gesetzgebung an sich zog und die Reichsversammlung und später den Reichsrat für die Gesetzgebung einführte. Aber noch Magnus lagabøte musste sein Landslov dem Lagting vorlegen, damit es Gesetzeskraft erlangte. Aber das Lagting behielt lange Zeit die Funktion als Kommunikationszentrum zwischen Königsmacht und Volk. Im 16. Jahrhundert übernahm diese Funktion der Herrentag. Noch bis spät in der Zeit der Union mit Dänemark holte die Regierung die Zustimmung des Lagtings für Rezesse und Verordnungen ein.

Sie waren zwar für die Rechtsprechung zuständig, aber nicht von Anfang an Apellationsinstanzen gegenüber den Stadt- und Bezirksgerichten. Die hierarchische Gerichtsordnung mit Apellationsinstanzen ist eine spätere Entwicklung. Spätestens seit der Zeit König Sverres waren die Lagmenn fest in das Lagting integriert, entwickelten sich aber mit der Zeit zu den eigentlichen Richtern. So verlor das Lagting seine Rechtsprechungsfunktion allmählich an das kollegial besetzte Lagmanns-Gericht. Das Lagmanns-Gericht bestand aus den Lagmenn und einem Gutachterausschuss, der oft mit dem Magistrat (byråd) identisch war. Sie wurden erst in der Regierungszeit Christians IV. zu Apellationsgerichten gegenüber den Untergerichten. Sie fielen 1797 weg, als die Obergerichte eingerichtet wurden.

1814 kam die Bezeichnung Lagting wieder in Gebrauch: Nach dem Grundgesetz von Eidsvoll bestand das Storting aus zwei Abteilungen, dem Lagting und dem Odelsting (§ 49). Nach § 76 hatte das Odelsting das Gesetzesinitiativrecht, musste die Gesetzentwürfe dann dem Lagting vorlegen. Bei Ablehnung durch das Lagting musste es nochmals im Odelsting behandelt werden. Bei dreimaliger Ablehnung konnte das Odelsting den Entwurf entweder fallenlassen oder dem Plenum des Stortings vorlegen, wo für die Annahme eine 23-Mehrheit erforderlich war. Die Aufteilung in Lagting und Odelsting wurde mit der 2009 beginnenden Legislaturperiode beseitigt.

Außerdem bildeten die Mitglieder des Lagtings zusammen mit den Mitgliedern des Obersten Gerichtshofes zusammen das Reichsgericht. Dort wurden Strafsachen verhandelt, die vom Odelsting gegen Staatsräte oder Mitglieder des Obersten Gerichtshofes wegen Straftaten im Amt oder gegen Mitglieder des Stortings wegen Straftaten, die sie in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete begangen hatten, eingeleitet worden waren.

Einzelnachweise

Der Artikel beruht auf Norsk historisk leksikon. Anderweitige Informationen werden gesondert ausgewiesen.

  1. Sigurðsson S. 28.

Literatur

  • Jón Viðar Sigurðsson: Det norrøne Samfunnet. Vikingen, Kongen, Erkebiskopen og Bonden. Oslo 2008.
  • Norsk historisk leksikon: Stichwort „Lagting“ abgerufen am 30. Januar 2010.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lagting — Das Wort Lagting ist in Skandinavien die Bezeichnung für das Parlament, oder einen Teil des Parlaments. Es gibt ein Lagting: auf den Färöer, siehe Løgting in Norwegen, siehe Lagting (Norwegen) in der finnischen Provinz Åland, siehe Lagting… …   Deutsch Wikipedia

  • Norwegen — Nọr|we|gen; s: Staat in Nordeuropa. * * * Nọrwegen,     Kurzinformation:   Fläche: 323 758 km2   Einwohner: (2000) 4,48 Mio.   Hauptstadt: Oslo   Amtssprache: Norwegisch   …   Universal-Lexikon

  • Lagting (Åland) — Das Lagtingsgebäude. Lagtinget (das Lagting) ist das Parlament der autonomen finnischen Provinz Åland in Mariehamn. Das Lagting hat 30 Sitze. Es hat einen ständigen Vertreter im finnischen Parlament …   Deutsch Wikipedia

  • Norwegen — Kongeriket Norge (bm.) Kongeriket Noreg (nn.) Königreich Norwegen …   Deutsch Wikipedia

  • Lagmann (Norwegen) — Der Lagmann (Plural: „Lagmenn“) war in Norwegen in früher Zeit ein rechtskundiger und angesehener Mann, der auf dem Thing das Recht und die Rechtsgewohnheiten vortrug und auslegte. Sein Gesetzesvortrag wurde eingeleitet mit den Worten: „Det er… …   Deutsch Wikipedia

  • Storthing — Stortinggebäude in Oslo. Das Storting (norwegisch Stortinget), wörtlich übersetzt etwa „große Versammlung“, ist das Parlament von Norwegen mit Sitz in Oslo. Die Zahl der Abgeordneten beträgt 169, von denen 150 gewählte Abgeordnete der Provinzen… …   Deutsch Wikipedia

  • Stortinget — Stortinggebäude in Oslo. Das Storting (norwegisch Stortinget), wörtlich übersetzt etwa „große Versammlung“, ist das Parlament von Norwegen mit Sitz in Oslo. Die Zahl der Abgeordneten beträgt 169, von denen 150 gewählte Abgeordnete der Provinzen… …   Deutsch Wikipedia

  • Storting — Stortinggebäude in Oslo Das Storting (norwegisch Stortinget), wörtlich übersetzt etwa „große Versammlung“, ist das Parlament von Norwegen mit Sitz in Oslo. Die Zahl der Abgeordneten beträgt 169, von denen 150 gewählte Abgeordnete der Provinzen… …   Deutsch Wikipedia

  • Verfassung von Eidsvoll — Reichsversammlung von Eidsvoll, 1814 Das norwegische Grundgesetz (Grunnloven) war zu seiner Zeit mit seinen Grundprinzipien der Volkssouveränität, der Gewaltenteilung und der Freiheit des Individuums (wozu besonders die Meinungsfreiheit zählte)… …   Deutsch Wikipedia

  • Løgting — Briefmarken Gedenkausgabe zum 150. Jahrestag der Wiedereröffnung des Løgtings 2002 Das Løgting [ˈlœktiŋg] (bestimmte Form Løgtingið [ˈlœktɪɲdʒɪ], voller offizieller Name Føroya løgting, dänische …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”