Chaim Weizmann

Chaim Weizmann

Chaim Weizmann (hebräisch ‏חיים ויצמן‎, auch: Chaijim Weizmann oder Haim Weizmann; * 27. November 1874 in Motal bei Pinsk, heute Weißrussland; † 9. November 1952 in Jerusalem) war Chemiker, israelischer Politiker und zionistischer Führer sowie von 1948 bis 1952 erster israelischer Staatspräsident.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Chaim Weizmann 1948

Chaim Weizmann wurde als Sohn eines Holzhändlers geboren. Nach Cheder und Gymnasium studierte Weizmann ab 1892 in Darmstadt an der Technischen Hochschule. Zusätzlich unterrichtete er bis 1893 an der jüdischen Schule in Pfungstadt.[1] Ab 1894 studierte er an der Königlichen Technischen Hochschule in Berlin Chemie. 1897 ging Weizmann ins schweizerische Freiburg, wo er 1899 summa cum laude promoviert wurde.

Bereits 1901 lehrte er als Dozent für Biochemie an der Universität Genf und ab 1904 als Professor an der Universität Manchester.

1910 wurde er britischer Staatsbürger und während des Ersten Weltkriegs war er Direktor der Munitionslabors der Königlich Britischen Admiralität von 1916 bis 1919. Er wurde berühmt, weil er eine neue enzymatische Synthese für Aceton entwickelte, die Aceton-Butanol-Gärung durch Clostridium acetobutylicum. Die Verfügbarkeit von Aceton, das für die Herstellung von rauchlosem Schießpulver Kordit notwendig ist, war für den Erfolg der Alliierten entscheidend. Für diese Arbeiten hielt er einige wichtige Patente. 1919 verließ er den britischen Staatsdienst.

Neben seinem Studium interessierte sich Weizmann schon früh für die vor allem von Theodor Herzl in seiner Schrift Der Judenstaat entwickelte Idee des Zionismus. Auch wenn er den ersten Kongress der zionistischen Bewegung 1897 in Basel noch versäumte, setzte er sich nun zunehmend für die Idee eines eigenen jüdischen Staates ein. In Begleitung von Jehoschua Hankin reiste Weizmann im September 1907 drei Wochen durch Palästina und besichtigte jüdische Siedlungen.[2] Bis 1908 war Weizmann nun vor allem darin engagiert, die beiden Spielarten des Zionismus zu vereinen: Gegen den Ugandaplan und ähnliche Überlegungen, die sich auf Argentinien oder Südafrika bezogen, setzte sich Weizmann für Palästina als jenes Gebiet ein, auf dem der jüdische Staat verwirklicht werden sollte. Dass aber ein Staat und nicht nur eine Kulturgemeinschaft auf diesem Gebiet entstehen solle, war die zweite Forderung Weizmanns. Die so additiv aus dem so genannten Politischen Zionismus, der den Staatsgedanken präferierte, und dem so genannten Praktischen Zionismus, der die Palästinabesiedelung bevorzugte, hervorgegangene Idee des Synthetischen Zionismus einte erstmals die Bewegung und wurde so einer der größten Erfolge Weizmanns - zu dem außenpolitisch der Erfolg der Balfour-Deklaration von 1917 kam. Auch Nachum Sokolows Einfluss soll hierbei nicht unerwähnt bleiben. Daneben unterstützte er die Graswurzel-Bewegung, bei der jüdische Siedlungen in Palästina entstanden.

Am 3. April 1918 suchte Weizmann mit einer Delegation Edmund Allenby in seinem Hauptquartier in Bir Salem auf, um nach drei Tagen des Antichambrierens Palästina als Staat für das jüdische Volk zu fordern.[3] Allenby erwiderte leise, dass seine Aufgabe Kriegführung und Eroberung sei, für Politik und Staatsgeschäfte sei London zuständig.

Faisal I. (rechts) und Chaim Weizmann (in arabischer Kleidung, als Zeichen der Freundschaft), 1918

Bei der Pariser Friedenskonferenz unterzeichnete er als Leiter der Zionistischen Delegation am 3. Januar 1919 gemeinsam mit dem Emir Faisal das Faisal-Weizmann-Abkommen, in dem Faisal und Weizmann die Stärkung der jüdischen Einwanderung nach Palästina und die muslimische Kontrolle über die muslimischen heiligen Stätten vereinbarten. Aufgrund der weiteren Entwicklung in Palästina trat es jedoch nicht in Kraft.

1921 wurde Weizmann Präsident der Zionistischen Weltorganisation (WZO), was er mit Unterbrechung zwischen 1931 und 1935 bis 1946 blieb. Hilfe bei der Organisation bekam Weizmann durch den Prager Publizisten und engen Kafka-Freund Felix Weltsch, welcher jahrelang die Zeitung der Zionistenkongresse mitgestaltete.

1929 wurde Weizmann zeitweise auch zum Präsidenten der Jewish Agency gewählt. Zwei Jahre später übertrug man ihm auch das Amt der Zionistischen Föderation von Großbritannien. Zwischen 1931 und 1935 widmete er sich wieder nachhaltiger seiner Forschung. Nachdem Weizmann schon 1922 das Churchill-Weißbuch zur geopolitischen Regelung des Nahen Ostens nur widerwillig hingenommen und 1930 wegen des Passfield-Weißbuches zurückgetreten war, bekämpfte er nun ab 1939 das MacDonald-Weißbuch, das die in der Balfour-Deklaration gegebenen Zusagen nahezu vollständig zurücknahm. In den folgenden Jahren fand sich Weizmann so im Dienste der zionistischen Sache vor allem in Großbritannien und den USA diplomatisch tätig. Er traf sich mit US-Präsident Harry S. Truman, um ihn für die Unterstützung des geplanten Staates Israel zu gewinnen. Zwei Tage vor dem deutschen Angriff auf Polen, am 29. August 1939, erging ein weiteres Angebot an das Auswärtige Amt in London. Chaim Weizmann schrieb an Arthur Neville Chamberlain, den damaligen britischen Premierminister:

„Ich wünsche in nachdrücklichster Form die Erklärung abzugeben, daß wir Juden an der Seite Großbritanniens stehen und für die Demokratie kämpfen werden. Aus diesem Grunde stellen wir uns in den kleinsten und größten Dingen unter die zusammenfassende Leitung der britischen Regierung. Die jüdische Vertretung ist bereit, in sofortige Abkommen einzutreten, um alle menschlich-jüdische Kraft, ihre Technik, ihre Hilfsmittel und alle Fähigkeiten nützlich einzusetzen“ (veröffentlicht in der Londoner Times vom 5. September 1939, drei Tage später auch im Jewish Chronicle 8. September 1939)

Während des Zweiten Weltkrieges war Weizmann Berater des britischen Versorgungsministeriums. Er forschte auf den Gebieten künstlichen Gummis und hochverdichtendem Benzin, da die alliierten Rohstoffquellen für Gummi während der japanischen Besetzung weitestgehend versiegt waren.

Chaim Weizmanns, im Krieg getöteter Sohn Michael diente in der Royal Air Force als Pilot.[4]

Erst als 1945 die britische Labour Party an die Macht gelangte und ihre in der Zeit vor dem Wahlsieg verkündete prozionistische Politik nicht umsetzte, wurde auch Weizmanns auf den Dialog mit der britischen Regierung ausgerichtete Position hinterfragt. 1946 wählte ihn der 22. Kongress der WZO nicht wieder.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich Weizmann anfangs für die Teilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat ein. 1948 verließen die Briten Palästina, für das in der Resolution 181 der UN-Generalversammlung die Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorgesehen war. Gegen massiven Widerstand der arabischen Bevölkerung Palästinas und der Nachbarstaaten wurde am 14. Mai die israelische Unabhängigkeitserklärung proklamiert. Am 17. Mai 1948 wurde Weizmann Präsident des Provisorischen Staatsrates. Am 16. Februar 1949 wählte die verfassungsgebende Versammlung Weizmann zum ersten Präsidenten des Staates - Premierminister und Verteidigungsminister wurde David Ben Gurion. Im November 1951 wurde der bereits schwer herzkranke Weizmann noch einmal wiedergewählt.

Weizmann, der sich mit dem Physiker Albert Einstein u.a. schon 1918 als Mitbegründer für die Hebräische Universität von Jerusalem zusammen mit Hugo Bergman eingesetzt hatte und deren Präsident er zwischen 1932 und 1952 war, gründete und leitete an seinem Wohnort Rechowot ein Forschungsinstitut, das als Weizmann-Institut bekannt wurde. Chaim Weizmann verstarb am 9. November 1952 und wurde im Garten seines Hauses, heute Teil des Weizmann-Institutes, beigesetzt.

Sein Neffe Ezer Weizman (1924-2005) war von 1993 bis 2000 siebter Präsident Israels. Er war zuerst Mitglied des Likud, wechselte jedoch später zur sozialdemokratischen Arbeitspartei.

Signatur

Autobiographie

Im Jahr 1949 veröffentlichte Chaim Weizmann seine Autobiographie unter dem Titel Trial and Error: The Autobiography of Chaim Weizmann, Jewish Publication Society of America, deutsch (1951) unter dem Titel Das Werden des Staates Israel.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur Geschichte des Israelitischen Lehr- und Erziehungsinstitutes (1857-1907). (abgerufen am 11. Mai 2011)
  2. Mordecai Naor: Eretz Israel, Könemann, Köln, 1998, ISBN 3-89508-594-4 S. 36
  3. Barnet Litvinoff (Hrsg.): The Letters and Papers of Chaim Weizmann. Transactions Books, Rutgers University, New Brunswick (New Jersey) 1984, ISBN 0-87855-279-0; Israel Universities Press, Jerusalem 1984; ISBN 965-07-0003-X, Band 2: December 1931-April 1952. S. 266.
  4. Tom Segev : Es war einmal ein Palästina, München, 2006, S. 503

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