Klassifikation projektiver Ebenen

Klassifikation projektiver Ebenen

Die übliche Klassifikation projektiver Ebenen erfolgt in der synthetischen Geometrie anhand der Operation der jeweiligen Gruppe ihrer Kollineationen. Die Lenz-Barlotti-Klassifikation klassifiziert die Ebenen durch Eigenschaften der Operation bestimmter Untergruppen ihrer Kollineationsgruppe, sie verfeinert dabei die Lenz-Klassifikation. Dazu wird bei beiden Klassifikationen als Merkmal die Reichhaltigkeit der Untergruppen der Kollineationsgruppe betrachtet, die aus zentral-axialen Kollineationen mit je einer festen Achse und einem festen Zentrum bestehen.

Dabei zeigt sich, dass die gröbere Klasseneinteilung nach Lenz in der Regel jeder Klasse von Ebenen eine für sie charakteristische Klasse von Ternärkörpern zuordnet: Der Koordinatenbereich einer „höheren“ Lenz-Klasse erfüllt - bei geeigneter Wahl der projektiven Punktbasis für die Koordinatisierung - stärkere algebraische Axiome als der einer niedrigeren.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Hanfried Lenz entwickelte in den 1940er Jahren eine Klassifikation für projektive Ebenen, die Lenz-Klassifikation.[1] Dabei definierte er als charakteristisches Merkmal die später ebenfalls nach ihm benannte Lenz-Figur einer projektiven Ebene, eine Menge von Paaren, die jeweils von einer Achse (Fixpunktgerade) und einem Punkt (dem Zentrum) auf dieser Achse gebildet werden.[2] Adriano Barlotti erweiterte und verfeinerte diese Klassifikation in den 1950er Jahren dadurch, dass er für die charakteristische Figur auch Zentren außerhalb der Achse zuließ. Damit wird aus der Lenz-Figur die Lenz-Barlotti-Figur.

Definitionen

Im folgenden sei \mathcal{P} eine projektive Ebene und zugleich die Menge der auf der Ebene liegenden projektiven Punkte und \mathcal{G} die Menge der Geraden der Ebene, Γ die Gruppe der Kollineationen der Ebene. Für ein Paar (a,Z)\in\mathcal{G}\times\mathcal{P} heißt eine Kollineation \kappa\in\Gamma (a,Z)-Kollineation, wenn sie die Achse a und das Zentrum Z hat, das heißt, wenn gilt:

  1. Für jeden Punkt P\in a ist κ(P) = P und
  2. Für jede Gerade g, die durch Z geht, ist κ(g) = g.

Mit Γ(a,z) < Γ wird die Untergruppe der (a,Z)-Kollineationen der Ebene bezeichnet. Die projektive Ebene heißt (a,Z)-transitiv, wenn die Gruppe Γ(a,Z) für jede Gerade h\in \mathcal{G}\setminus \lbrace a\rbrace mit Z\in h transitiv auf h\setminus \left( \lbrace Z \rbrace \cup (a \cap h) \right) operiert.

Figuren

Die Menge

L(\mathcal{P})=\lbrace (a,Z)\in \mathcal{G}\times\mathcal{P}:\quad Z\in a \and  \mathcal{P}\text{ ist } (a,Z)\text{-transitiv}\rbrace

heißt Lenz-Figur von \mathcal{P}.

Die Menge

B(\mathcal{P})=\lbrace (a,Z)\in \mathcal{G}\times\mathcal{P}:\quad \mathcal{P}\text{ ist } (a,Z)\text{-transitiv}\rbrace

heißt Lenz-Barlotti-Figur von \mathcal{P}.

Eigenschaften

Lenz-Klassen

Lenz ordnet jeder Lenz-Figur eine Ordnungszahl in Form einer römischen Zahl zwischen I und VII zu. Eine Klasse mit einer höheren Klassenzahl erfüllt alle Eigenschaften der Klassen mit niedrigeren Zahlen, aber ihre Lenz-Figur ist eine echte Obermenge von Lenzfiguren der niedrigeren Klassen. Die Klassenzahl VI entfällt, da gezeigt wurde, dass keine projektive Ebene mit der entsprechenden Lenz-Figur existiert. Stattdessen hat bereits Lenz die Klasse IV in zwei Unterklassen IVa und IVb aufgeteilt, die dual zueinander sind.

Eine projektive Ebene \mathcal{P} hat genau eine der im folgenden genannten Lenz-Figuren:[3]

Lenz-Typ Lenz-Figur Koordinatenbereich
I L(\mathcal{P})=\emptyset Ternärkörper
II L(\mathcal{P})=\lbrace (a,Z)\rbrace kartesische Gruppe
III Es gibt eine Gerade g\in\mathcal{G} und einen Punkt Z\in\mathcal{P}\setminus g, so dass

L(\mathcal{P})=\lbrace (PZ,P): P\in g\rbrace gilt.

spezielle kartesische Gruppe
IVa Es gibt eine Achse a\in\mathcal{G}, so dass

L(\mathcal{P})=\lbrace a \rbrace\times a gilt.

Quasikörper
IVb Es gibt ein Zentrum Z\in\mathcal{P}, so dass

L(\mathcal{P})=\lbrace g\in\mathcal{G}: Z\in g\rbrace \times \lbrace Z\rbrace gilt.

spezielle kartesische Gruppe[4]
V Es gibt eine Achse a\in\mathcal{G} und ein Zentrum Z\in\mathcal{P}, so dass

L(\mathcal{P})=\left(\lbrace a \rbrace\times a \right)\cup \left(\lbrace g\in\mathcal{G}: Z\in g\rbrace \times \lbrace Z\rbrace\right) gilt.

Zugleich Rechts- und Linksquasikörper, das heißt Halbkörper
VII L(\mathcal{P})=\lbrace (a,Z)\in\mathcal{G}\times\mathcal{P}: Z\in a \rbrace Alternativkörper

Projektive Ebenen, die mindestens den Lenz-Typ IVa haben, also zu einer der Klassen IVa, V oder VII gehören, werden auch als projektive Translationsebenen bezeichnet. Schlitzt man eine solche Ebene längs einer Achse, die zur Lenzfigur gehört, dann entsteht eine affine Translationsebene. Bei Ebenen der Lenz-Klassen IVb, V oder VII ist die duale Ebene eine projektive Translationsebene in diesem Sinn.

Lenz-Barlotti-Klassen

Die Lenz-Barlotti-Klassifikation[5] verfeinert die Lenz-Klassifikation, indem bei der Lenz-Barlotti-Figur auch zugelassen wird, dass das Zentrum nicht auf der Achse liegt. Damit zerfällt zum Beispiel die Klasse I von Lenz in 6 Unterklassen (I.1 bis I.6). Die römischen Zahlen nach Lenz werden beibehalten, ihnen werden, durch einen Punkt getrennt, arabische Ziffern angefügt. Jede Lenz-Barlotti-Klasse ist eine Unterklasse der oben beschriebenen Lenz-Klassifikation.

Für die Klasse VII der Lenz-Klassifikation liefert diese Verfeinerung unterschiedliche Klassen für die nichtdesargueschen Moufangebenen, deren Koordinatenbereich ein „echter“ Alternativkörper ist und die desargueschen Ebenen, deren Koordinatenkörper ein Schiefkörper ist:

Lenz-Barlotti-Typ Lenz-Barlotti-Figur Koordinatenbereich
VII.1 B(\mathcal{P})=\lbrace (a,Z)\in\mathcal{G}\times\mathcal{P}: Z\in a \rbrace Alternativkörper
VII.2 B(\mathcal{P})=\mathcal{G}\times\mathcal{P} Schiefkörper

Nur im Fall der siebten Klassen (VII.1 und VII.2) ist die algebraische Struktur des Koordinatenbereichs unabhängig von der Wahl des projektiven Koordinatensystems. → Siehe dazu Moufangebene.

Literatur

  • Adriano Barlotti: Le possibili configurazioni del sistema delle coppie punto-retta (A,α) per cui un piano grafico risulta (A,α)-transitivo. In: Bolletino Unione Matematica Italiana. 12, 1957, S. 212–226.
  • Walter Benz: Ein Jahrhundert Mathematik, 1890-1990. Festschrift zum Jubiläum der DMV. Vieweg, Braunschweig 1990, ISBN ISBN 3-528-06326-2.
  • Hanfried Lenz: Kleiner desarguesscher Satz und Dualität in projektiven Ebenen. Jahresbericht der Deutschen Mathematiker Vereinigung Ver. 57 (1954), 20–31.
  • Günter Pickert: Projektive Ebenen. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1975.
  • Charles Weibel: Survey of Non-Desarguesian Planes. In: Notices of the American Mathematical Society. 54, American Mathematical Society, November 2007, S. 1294–1303 (http://www.ams.org/notices/200710/tx071001294p.pdf PDF, 702 KB).

Einzelnachweise

  1. Benz 1990
  2. Lenz (1954)
  3. Hauke Klein: Lenz types. Geometry. Universität Kiel, abgerufen am 17. Januar 2011 (HTML, englisch, Tabellarische Übersicht über die Lenz-Klassen).
  4. Wenn man bei einer Ebene der Lenz-Klasse IVb die duale Ebene betrachtet, also bei der Konstruktion des Koordinatenbereichs anstelle der Punktmenge \mathcal P die Geradenmenge \mathcal G und ein vollständiges Vierseit zugrundelegt, dann kann man dieses Vierseit so wählen, dass der Koordinatenbereich ein Quasikörper ist.
  5. Hauke Klein: Lenz Barlotti. Geometry. Universität Kiel, abgerufen am 17. Januar 2011 (HTML, englisch, Tabellarische Übersicht über die Lenz-Barlotti-Klassen).

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