Kastell Zwentendorf

Kastell Zwentendorf

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Kastell Zwentendorf
Alternativname Asturis (?)
Limes Noricum
Abschnitt Strecke 2
Datierung (Belegung) spätflavisch,
1. bis 5. Jahrhundert n. Chr
Typ Kohortenkastell,
Quadratische Anlage mit abgerundeten Ecken,
umgeben von drei Gräben,
umfangreiche Adaptierungen in der Spätantike
Einheit a) Vexillation/Legio II Italica
b) cohors V Breucorum
c) Vexillation/Legio I Noricorum
d) Cohors I Asturum (?)
Größe 161 × 131 m, circa 2,2 ha
Bauweise a) Holz-Erde-Kastell
b) Steinkastell
Erhaltungszustand Oberirdisch nicht mehr sichtbares Bodendenkmal,
Nordsektor von der Donau restlos abgetragen
Ort Zwentendorf
Geographische Lage 48° 20′ 33″ N, 15° 54′ 50″ O48.342515.913888888889Koordinaten: 48° 20′ 33″ N, 15° 54′ 50″ O
Vorhergehend Kastell Augustianis (westlich)
Anschließend Kastell Comagena (östlich)
Limes3.png

Kastell Zwentendorf war Teil der Festungskette des Donaulimes in Österreich und liegt im Bundesland Niederösterreich, Bezirk Tulln, Gemeinde Zwentendorf.

Das nur in seinem südwestlichen Bereich erhaltene Areal des Hilfstruppenkastells (Auxilia) wurde im Zuge einer mehrere Jahre andauernden Ausgrabung am Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre teilweise freigelegt und untersucht, danach aber wieder zugeschüttet. Es zählt zu den am besten erforschten Limeskastellen in Österreich. Gemeinsam mit diesem werden hier auch die beiden Wachtürme von Maria Ponsee behandelt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und strategische Bedeutung

Das Kastell dürfte aufgrund der Münzfunde[1] (Galba und Domitian) unter den flavischen Kaisern (Vespasian, Titus und Domitian) in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet worden sein. Diese Zeitstellung gilt als gesichert, da eine Fibel und ein Kettenpanzer des 1. Jahrhunderts aus dem eingestürzten Keller der principia geborgen werden konnten. Das Holz-Erde-Lager (von dem nur ein Brunnenschacht – Brunnen 1 – und das Südtor nachgewiesen werden konnte) hatte jedoch keinen langen Bestand.

Der Umbau in ein Steinlager ging planmäßig und ohne Störungen vonstatten. Aufgrund der Funde in der Verschüttung des obgenannten Kellers und einer im Lager entdeckten Münze des Trajan (112 n. Chr.) vermutet Stiglitz den Umbau des Lagers in Stein am Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Dieser Umbau stand vermutlich auch mit dem großangelegten Truppenverschiebungen, die Trajan in Noricum und Pannonien zu dieser Zeit für seine Dakerkriege vorgenommen hat, im Zusammenhang. In der darauffolgenden, sehr ruhigen, Zeitperiode wurden einige Adaptierungen vorgenommen die vor allem an der principia (Räume B und C) abzulesen sind. Die Friedensperiode wurde durch eine Brandkatastrophe abrupt beendet die besonders gut an den Kasernenbauten beobachtet werden konnte. Die nächsten großangelegten Umbauarbeiten erfolgten dann um 200 n. Chr. Aufgrund eingestampfter Brand- und Lehmhüttenschichten dürfte das Lager in den Markomannenkriegen schwere Schäden erlitten haben.

Im Zuge der militärischen und administrativen Reformen unter Diokletian und Konstantin I. erfolgte eine grundlegende Modernisierung der Befestigungsanlagen. Letztmalig scheinen im Lager aufgrund der Teilung des Heeres in Limitanei und Comitatenses größere Umbauten vorgenommen worden zu sein. Überaus schwierig ist jedoch die Frage zu beantworten in welchen Zeitraum genau diese letzte große Umbauphase (Steinperiode II) zu datieren ist. Stiglitz favorisiert aus historischen Überlegungen die Zeitspanne zwischen der Herrschaft von Konstantin I. und Valentinian I. wobei sie letzterer den Vorzug gibt. Die zahlreichen Festungsbauten und -umbauten unter Konstantin an der Rheingrenze beispielsweise, weisen durchwegs runde Türme auf, weiters lässt sich auch eine gewisse Bevorzugung dieses Gebietes unter diesem Kaiser feststellen. Valentinian hingegen stammte aus Pannonien und setzte alles daran den Donaulimes auf Dauer wieder zu stärken wozu er sich auch häufig in diesen Gebieten aufhielt. Auch die in Noricum oft zu beobachtende Umwandlung der Kastelle in zivile Wehrdörfer konnte man in Zwentendorf nachweisen. Die letzten baulichen Veränderungen an den Wehranlagen zur Zeit des Theodosius waren wohl in erster Linie nur noch Ausbesserungen und Anpassungen an die Bedürfnisse einer befestigten Zivilsiedlung. Aufgrund der Beobachtung einer größeren Brandschicht und diverser Keramikscherben wird von einer gewaltsamen Zerstörung des oppidum im späten 5. Jahrhundert ausgegangen wofür möglicherweise ostgotische latrones (Plünderer) verantwortlich waren.

Das römische Straßennetz rund um Zwentendorf konnte bis heute nicht genau lokalisiert werden. Es gilt jedoch als sicher, dass das Kastell in dieses fest eingebunden gewesen sein muss. In Zusammenwirkung mit den benachbarten Kastellen von Kastell Comagena (Tulln) und Kastell Augustianis (Traismauer) hatte Zwentendorf neben der Grenzüberwachung wohl vor allem auch die Sicherung der Verkehrsknotenpunkte im Tullner Becken als vordringliche Aufgabe, da hier wichtige Straßen aus dem Norden (vom Böhmerwald und Wagram) und Süden (Alpenvorland) zusammenführten und dann Richtung Donautal weiterliefen.

Name

In der Tabula Peutingeriana[2] findet sich an der Route VindobonaLauriacum eine Station namens Piro torto die je 8 römische Meilen von Commagenis und Trigisamum entfernt ist. Der antike Name des Kastells wurde anfangs auch mit dem o.g. Ort gleichgesetzt (Friedrich von Kenner, M. Klein, Eduard Zenker) und zunächst u.a. auch bei Pischelsdorf vermutet.

Kurt Hetzer schlug erstmals vor, Piro torto bei Zwentendorf/Krottendorf zu lokalisieren, da dieser Punkt etwa 12,3 km von Tulln und 11,2 km von Traismauer entfernt lag. Weiters liegt dieses in der Mitte der sog. drei „Bierbaumgemeinden“ (Moosbierbaum, Oberbierbaum und Bierbaum am Kleebühel). Bierbaum bedeutet eigentlich "Birnbaum" und Piro torto könnte man somit – nach Ansicht Hetzers – mit „gekrümmter Birnbaum“ übersetzen. Letztendlich konnte er aber für diese These keine stichhaltigen Beweise vorlegen.

Franz Ertl versuchte sogar Favianis ins Treffen zu führen, da u.a. die im gleichnamigen Kastell stationierte Flotteneinheit hier eine gute Operationsbasis vorgefunden hätte und in der Severinsvita auch die dortigen Obstgärten erwähnt werden.

Aufgrund der zahlreichen Funde von Ziegelstempel der cohors I Asturis nahm Herma Stiglitz den Namen Asturis für das Zwentendorfer Kastell an.[3] Ferner wird Piro torto nicht in der Notitia Dignitatum (ND) erwähnt. Für Stiglitz war Piro torto nur eine Station des staatlichen Kurierdienstes (cursus publicus) von der sich aber möglicherweise die Namen der drei o.g. Bierbaumorte abgeleitet hatten. Ausschlaggebend waren für sie auch die Größe des Kastells, die für 500 Mann (cohors quinqenaria) ausgerichtet war, die Lage westlich von Cannabiaca und der Umstand, dass in der Severinsvita von der völligen Zerstörung Asturis um 500 n. Chr. berichtet wird.[4] Diese Theorie wird allerdings nicht einhellig in der Fachwelt anerkannt.

Lage

Nördlicher Abbruch der Niederterrasse, Blick aus West

Die Gemeinde Zwentendorf liegt ca. 13 km westlich der Bezirkshauptstadt Tulln, unmittelbar am Ufer der Donau. Das Kastellareal liegt am Rande eines kleinen Waldstückes, genannt „Remise“ oder auch „Weingartl“. Dieses befindet sich ungefähr 1,5 km westlich des Ortskerns und dem Donauufer, nach der Abzweigung zum AKW-Zwentendorf, zwischen der Bundesstraße 226 und dem Wagram. Oberirdisch ist vom Kastell heute nichts mehr wahrnehmbar. Seine Überreste mussten nach den Grabungskampagnen in den 1950er und 1960er Jahren wieder zugeschüttet werden, da das Areal landwirtschaftlich intensiv genutzt wird.

Das Kastell lag zur Römerzeit auf einer ca. 2 m hohen, vor Hochwasser geschützten nach Norden hin abfallenden Niederterrasse, wie eine deutlich erkennbare Geländestufe noch heute ersichtlich macht, unmittelbar an einem ehemaligen Uferstreifen der Donau, die im Laufe der Jahrhunderte auch die nördliche Hälfte des Kastellareals restlos abgeschwemmt hat. Das Ufer des Hauptstromes befand sich in der Antike in unmittelbarer Nähe, sodass man vom Kastell aus einen direkten Zugang zur Donau hatte und damit trotzdem auch gleichzeitig durch die sumpfigen und damit nur schwer überwindbaren Flussauen geschützt war. Vom Südtor führte der Fahrweg zu der weiter südlich verlaufenden Limesstraße, die von

weiterführte. Ein weiterer Fahrweg führte von der Südwestecke des Kastells nach Südwesten, eine andere Nebenstraße lief im Südosten am Kastell vorbei.

Forschungsgeschichte

1883 führte St. Neill auf dem Areal erste oberflächliche Untersuchungen durch und stellte fest, dass zwar über Tage keine römischen Ruinen aufgefunden jedoch „… rundes starkes Mauerwerk …“ vorhanden war. Nach einem Bericht des Dorflehrers von Zwentendorf, Anton Zündel[5], scheinen aber damals im Waldstück des „Weingartl“ noch größere Mauerreste zu sehen gewesen sein und zwar die der Turmruine einer mittelalterlichen Befestigung, die „Krottenturm“ genannt wurde. Auch auf der „Schweickhartischen Karte"[6] von 1831 ist u.a. westlich von Zwentendorf ein Gebäude eingezeichnet das vermutlich mit dieser Anlage in engem Zusammenhang stand.[7] Im „Franziszeischen Kataster“ (1817–1861) ist auf dem Blatt für Zwentendorf die Parzelle 729 als „Grottenthurm Braiten“ angegeben. Seine letzten Mauerreste wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts von der Gutsverwaltung gesprengt, um das Grundstück als Weingarten nutzbar zu machen. Zudem berichtete der Volksmund von angeblich vergrabenen reichen Schätzen, die es dort noch zu heben galt. Es sind aber nur gelegentliche Lesfunde von römischen Münzen bekannt. Vereinzelt wurden zufällig auch römerzeitliche Gräber aufgedeckt. Vor allem Anton Zündel vermutete hier ein römisches Lager, jedoch wurde seine Theorie wieder verworfen, ohne allerdings das Areal vorher auch nur näher untersucht zu haben. Die Existenz eines Kastells in diesem Abschnitt wurde zwar grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen, man wollte es jedoch eher in Piro Torto (das man bei Pischelsdorf vermutete) lokalisieren.[8] Für Zwentendorf selbst wurde nur eine römische Zivilsiedlung angenommen.[9]

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges richtete sich die Aufmerksamkeit der österreichischen Limesforschung wieder auf die unmittelbare Umgebung von Zwentendorf und im Zuge dessen verstärkt auf das Gebiet um das Weingartl. 1950 zeichnete H. Schadn in seiner Hausbergkarte im Westen von Zwentendorf einen „Hausberg mit Mauereinbauten und urgeschichtlichen Funden“ in Zwentendorf an der Donau (Krottendorf)“ ein. Dieses Objekt scheint 1948 bei F. Halmer ebenfalls als „Krottenturm“ oder „verschwundene Burg“ auf. Auch Otto Biack vermutete hier zuerst[10] Mauerwerk aus der Römerzeit, lehnte später jedoch das Vorhandensein einer Limesbefestigung in dieser Region ab. Ab 1953 führte das Bundesdenkmalamt zahlreiche Suchschnitte durch, es folgten Ausgrabungen unter der Leitung von Herma Stiglitz-Thaller für die römischen Befunde (ÖAI, Unterstützung des NÖ Landesmuseums), die Umfang und Bauphasen des Kastells erschlossen. Bis 2007 konnten durch weitere Grabungskampagnen zahlreiche wichtige Erkenntnisse über weitere bauliche Details dieses Kastells gewonnen werden.

Grabungen 1952 - 2002

1952 kamen bei Renovierungsarbeiten an der Pfarrkirche von Zwentendorf zwei römische Reliefs zum Vorschein, die eine Jagdszene und ein Totenmahl darstellten. Dieser Glücksfall und die nähere Erforschung des Geländes durch Kurt Hetzer, der auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg dem Niederösterreichischen Landesmuseum derartige Funde gemeldet hatte (Hetzer machte immer wieder auf die zahlreichen Funde von römischer Keramik und Ziegelstücken im Weingartel aufmerksam), gaben den Anstoß für die erste systematische wissenschaftliche Untersuchung des Geländes im Jahre 1953 durch die Ur- und Frühgeschichtliche Abteilung des Niederösterreichischen Landesmuseums in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Archäologischen Institut. Herma Stiglitz, Franz Hampl und Eduard Vorbeck setzten sich dabei zum Ziel, das Kastell, ein Gräberfeld aus dem 10–11. Jahrhundert und mittelalterliche Befestigungen auszugraben.[11] Diese Grabungen sollten sich bis 1962 hinziehen. Um die große Anzahl der Funde auch angemessen präsentieren zu können, wurde dafür eigens im Juni  1963 das Museum in Zwentendorf eröffnet. 1975 wurden die Ergebnisse dieser Kampagnen von Herma Stiglitz auch umfassend im Rahmen der Publikation Der Römische Limes in Österreich, Heft XXVI, herausgegeben.

Die Suchschnitte im Osten ergaben zunächst, dass sich unter dem mittelalterlichem Friedhof ein antiker Gussstrich befand. Schichten aus dem 1.–5. Jahrhundert n. Chr. (Keramikscherben) waren erkennbar; der nördliche Teil des Areals zeigte einen deutlichen Geländeabriss. In einer zweiten Kampagne wurde auf Parz. 729/3 und 4 schließlich ein quadratischer Mauerzug freigelegt, der zunächst als Burgus interpretiert wurde. 1954 wurde unter der Leitung von Hampl, Vorbeck und Stiglitz im Nordosten des Areals ein von Nord-Süd verlaufender Mauerzug untersucht, der im südlichen Bereich eine Biegung nach Westen aufwies; im Norden untersuchte man danach den durch die Donau verursachten Abriss näher, das Mauerwerk war hier völlig durch Schutt überlagert. Weiters wurde die Schichtenfolge bis zum gewachsenen Boden (Flussschotter) erkundet.

1955 wurde das Areal zwischen dem Weingartl und der östlichen Abgrenzung der Parzelle 729/4 vom Österreichischen Archäologischen Institut mittels geophysikalischen Methoden weiter untersucht. Die Auswertung ergab zunächst einen Befund von Mauerwerk, der in der folgenden Ausgrabungen allerdings nicht bestätigt werden konnte.[12] In der mittleren- und östlichen Zone des Kastells konnten keine Ausgrabungen mehr vorgenommen werden, da hier schon massive Störungen durch mittelalterliche Verbauungen vorlagen.[13] Im südöstlichen Bereich konnte das Vorhandensein eines stark belegten Gräberfeldes aus dem 10.–11. Jahrhundert festgestellt werden.[14] Südlich der 1953 freigelegten Turmruine wurden noch einige West-Ost Sondierungsschnitte angelegt. Unter einer Geröllschicht stieß man auf eine Mauer, von der nur mehr die Fundamente erhalten geblieben waren. In 3,5 m Entfernung verlief ein Graben. Diese Reste der Mauer konnten auch nördlich des von E. Vorbeck freigelegten Turmes erkannt werden. Dieser wurde als Verstärkungsturm interpretiert, der über den zuvor zugeschütteten Graben gesetzt worden war. Aus dem Innenbereich des Turmes konnten im nördlichsten Suchschnitt Münzen aus der Zeit Galbas und Domitians (68 und 88 n. Chr.) sowie Keramikscherben, ein Tonsieb, Webgewichte, eine Handmühle und ein Ohrlöffel geborgen werden. Diese werden heute im Niederösterreichischen Landesmuseum aufbewahrt.[15]

1956 wurde die Ausgrabung unter der Leitung von Herma Stiglitz im südwestlichen Bereich fortgesetzt, um so die Südmauer des Lagers genauer zu erkunden, die anhand mehrerer von Nord–Süd verlaufenden Schnitten verfolgt werden konnte und wieder einen vorgelagerten Graben aufwies. Nördlich wurde ein parallel zur Mauer verlaufender gepflasterter Weg festgestellt. Im Kastellinneren wurden dank der Hinweise der geophysikalischen Messungen ein Brunnenschacht freigelegt sowie die Reste einer zweiphasigen Hypokaustumanlage (vermutlich die der principia) angeschnitten, weiters konnten dabei Reste von Fensterglas, diverse Keramik, Eisenfragmente, Ziegel, Schildbuckel, Metallbeschläge, Blech, Nägel, Beinschnitzerei und ein Kamm aus Knochenmaterial sichergestellt werden, die dem Landesmuseum Niederösterreich überantwortet wurden.

1957 wurde unter F. Hampl und H. Stiglitz in der Südostecke des Lagers ein nachträglich vor die alte Kastellmauer gesetzter Fächerturm erkannt; der diesem vorgelagerte Wehrgraben folgte exakt der vorderen Rundung des Turmes. Insgesamt wurden hier zehn Sondierungsschnitte angelegt, um die chronologische Abfolge der Festungsanlagen dokumentieren zu können. Dabei wurde festgestellt, dass die steinerne Kastellmauer (Steinperiode I) teilweise über den älteren Graben des Holz-Erde-Kastells errichtet wurde.[16]

1958 wurde auf der Suche nach dem Fächerturm der Südwestecke zunächst der Rest des Fundamentes eines Inneneckturms der Steinperiode I angeschnitten. Seine Mauern wurden vor Anlage des Fächerturmes sorgfältig abgetragen. Darunter war noch Spuren des Holz-Erde-Kastellgrabens zu erkennen. Die Fundamente des o.a. Eckturmes waren anscheinend direkt in die Wand dieses älteren Grabens gesetzt worden. Die Untersuchungen wurden danach im Lagerinneren fortgesetzt. Dabei konnten Heizkanäle der spätantiken Bauphase entdeckt werden, für die gestempelte Ziegel der legio I Noricorum sekundär verwendet wurden. Ansonsten fanden sich in der Umgebung lediglich Pfostenlöcher (Haus A).

Danach konnte ein zweiter Gebäudekomplex (principia) beobachtet werden, der aus mehreren Räumen, zum Teil noch mit Resten von aufgehenden Mauerwerk mit Putzresten, bestand. Ein größerer – in Fachwerkbauweise errichteter – L-förmiger Raum war mit einem Ziegelestrich (opus signinum) ausgestattet, der im Westen einen halbelliptischen Durchlass mit Holzresten freiließ. Auch hier wurden sekundär verbaute Ziegel mit dem Stempelabdruck "COHVB" geborgen. Weiters zeigte sich mittig ebenfalls ein quadratischer Einlass im Estrichboden. Die Archäologin vermutet hier einen Repräsentationsraum für eine (Kaiser?-) Statue oder einem Weihealtar.[17] Danach wurden die Untersuchung der Südmauer weiter westlich wieder aufgenommen und dabei die Fundamente eines weiteren Hufeisenturms freigelegt. Dieser war aber offensichtlich noch in der Spätantike wieder abgetragen worden. Eine weitere Sondierung, die auf den Fächerturm zugerichtet wurde, ergab den Befund eines wannenförmigen Wehrgrabens, der über den älteren Spitzgraben angelegt worden war und mit Schutt des Fächerturmes verfüllt war. H. Stiglitz deutet diese Befundsituation als aus dem Mittelalter stammend; der Fächerturm dürfte bei Anlage des Grabens noch weitgehend erhalten gewesen sein.

Ein Schnitt nördlich des Fächerturmes an der Ostseite des Kastells bestätigte die Überlagerung durch den mittelalterlichen Graben, unter dem sich noch die Spuren der zwei römerzeitlichen Spitzgräben erhalten hatten. Im antiken Niveau zeigte sich zudem noch eine ausgeprägte Brandschicht. In diesem Abschnitt war die Kastellmauer bereits vor Anlage der mittelalterlichen Umbauten umgestürzt.[18]

1960 wurde der östliche, an der Südmauer gelegene, Hufeisenturm freigelegt, der dem 1958 aufgedecktem entspricht. Weiters konnte festgestellt werden, dass seine Fundamente wesentlich tiefer als die der restlichen Umwallung gingen. Zusätzlich zeigte sich eine deutlich erkennbare Baufuge zwischen Turm- und Kastellmauer. Die Reste des Turmes wiesen eine Überlagerung durch Humus auf, dem eine Brandschicht folgte; über all dem lag Schutt der Kastellmauer. Die Ausgräberin glaubte darin eine Wiederherstellung der Kastellmauer nach Abtragung des Turmes zu erkennen.

Danach wurde der Fächerturm der Südwestecke untersucht, wobei massive Schichtungsstörungen aber keine gesicherten Erkenntnisse mehr erbringen konnten. Im Nordwesten der Kastellinnenfläche wurden zwei Mannschaftsbaracken (Bau E und F) ausgegraben. Ihr aufgehendes Mauerwerk war in Resten noch gut erkennbar. Mindestens zwei Bauphasen (Funde von Münzen des Mark Aurel bis Diokletian) und ein Brandhorizont konnten dabei unterschieden werden. Im nördlichen Bereich der Baracke F wurde der nachträgliche Einbau eines T-förmigen Schlauchheizungskanals festgestellt (Haus H). In dieser spätantiken Anlage befanden sich Ziegel der „OFARN Gruppe“[A 1] und 5 Münzen (Severus Alexander bis Theodosius).

Im Sommer 1960 wurden in der Gebäudegruppe der principia zwei Kellerräume untersucht, die vor dem bereits festgestelltem Bau zugeschüttet worden waren. Südlich davon konnte ein weiterer Gebäudekomplex nur in seinen Grundmauern erfasst werden, da eine Flächengrabung hier nicht möglich war. In einem rechteckigem Raum an der Südmauer befand sich eine flache Apsis. Die Südmauer des Gebäudes verlief in ihrem östlichen Abschnitt unter den Befunden der Ausgrabung von 1956. An Fundobjekten konnten gestempelte Ziegel (LEGIIITAL, COHIAST und OFARNMAXIMINAVIND), Münzen (principia: Münze aus der Zeit Trajans), die Reste eines Kettenhemds aus dem 1. Jahrhundert, diverse Keramikfragmente sowie Bruchstücke eines überlebensgroßen Standbildes (Panzerstatue eines Kaisers?) in den Räumen B und C aufgelesen werden, die im Niederösterreichischen Landesmuseum und als Leihgaben auch im Römermuseum Tulln gezeigt werden.[19]

Im gleichen Jahr wurde auch eine vor die Kastellmauer gesetzte, rechteckige Bastion ausgegraben, die über einen älteren Torbau gesetzt worden war. Dabei wurde auch eine schräg in die Westmauer eingelassene Öffnung festgestellt. Unter dem spätantiken Estrichniveau fand sich noch die ältere Tordurchfahrt, deren westlicher Flankenturm schon 1956 angeschnitten werden konnte. Im Kastellinneren wurden nordöstlich des Grabungsschnittes von 1958 weitere Reste der principia ergraben, die nur einen einzigen, in Steinbauweise errichteten Raum mit T-förmigen Heizungsschlauch aufwiesen, die restlichen Räume waren in Fachwerkbauweise hochgezogen worden. Ein weiteres gemauertes Haus (Haus D) wurde im Norden der Anlage freigelegt. Beide wiesen noch Reste von Estrichböden auf, die durch Münzfunde auch zeitlich bestimmt werden konnten. Durch weitere Tiefensondagen konnten insgesamt vier Bauphasen nachgewiesen werden.

1961 wurde durch Herma Stiglitz an der Westseite des Areals ein Innenturm der Steinperiode I freigelegt. Im Fundament des benachbarten Hufeisenturmes wurde wieder älteres Mauerwerk festgestellt, das von einem weiteren mittelkaiserzeitlichen Innenturm stammen könnte. Durch Umschichtung des Aushubmateriales konnte auch mit einigen wenigen Schnitten der Südwesten des Kastellinneren untersucht, hier aber keine weiteren Gebäudespuren mehr gefunden werden. Der Graben der Holz-Erde-Periode konnte bei einer Nachuntersuchung der Ostseite des Südtores beobachtet werden. Im Westen wurden die Fundamente eines Torturmes und der daran anschließende Lagerwall erkannt. Weiters konnte nachgewiesen werden, dass einst eine geschotterte Straße vom Tor aus Richtung Süden führte.

1981 konnten im Bereich des Lagers unter Aufsicht des BDA einige Oberflächenfunde (Pferdefibel, Münzen, Lunulaanhänger, Bronzelöffel, bronzener Pinienzapfen und Keramikscherben) aufgelesen werden, die sich heute in Privatbesitz befinden.[20]

1994 wurden Luftbilder des einstigen Kastellareals angefertigt. Deren Auswertung zeigte eine aus dem Südtor führende Straße und den sich südlich und westlich des Lagers befindlichen vicus. Zusätzlich konnte der Verlauf eines dritten Wehrgrabens verfolgt werden, der in 35 m Abstand neben den beiden bereits bekannten Grabenanlagen angelegt war.

2001–2005: In diesen Jahren wurde Archeo Prospections beauftragt, das Areal im Südwesten des Kastells sowie Planquadrate westlich, südwestlich und südlich (circa 9,8 ha) mittels Georadar zu scannen. Diese Messungen hatten zum Ziel, die Ergebnisse für Vergleiche zu weiteren Vicusbefunden u.a. in Mautern heranzuziehen. Die Auswertung ergab neben der schon erwähnten Straße (siehe weiter oben), die aus dem Südtor führte, noch einige weitere Nebenstraßen; daran schloss sich der Lagervicus an, der eine deutliche Parzellierungseinteilung aufwies. 280 m südlich des Kastelltores ließen sich noch kleinere Grabbauten als rechteckige Mauerwerke erkennen, die alle entlang der Hauptausfallsstraße angelegt waren. 2005 wurde auf einer Fläche von 8 ha südlich des Kastells entlang der zur Limesstraße führenden Trasse eine weitere Untersuchung durchgeführt. Die Auswertung der rund 4.000 Fundstücke (vor allem Keramik) ließ Rückschlüsse auf die Nutzung der Siedlungs- und Gräberfeldareale in der mittleren Kaiserzeit und auch in der Spätantike zu.

Das Waldstück Weingartl oder Remise, links der Bundesstraße 226, bedeckt heute teilweise das Areal des Kastells, Blick aus Südwest.

Kastell

Da der Bereich der Lagerfläche aufgrund seiner landwirtschaftlichen Nutzung nie überbaut wurde, blieben beträchtliche Reste der Anlage erhalten. Der quadratische Grundriss des Kastells ist gegen Westen hin stark verzogen. Dieser Umstand dürfte auch auf die Topographie des Areals zurückzuführen sein. Die Grabungen am westlichen Hufeisenturm zeigten, dass in diesem Bereich ursprünglich ein Donauarm vorbeiführte. Insgesamt konnten bis zu drei Bauphasen festgestellt werden; in der Spätantike wandelte sich das Lager in ein ziviles oppidum. Die Innenbauten, Kasernen und ein als principia (Stabsgebäude) gedeuteter Gebäudekomplex, sind ebenfalls mehrphasig. Die spätantike Innenverbauung folgt dabei nicht mehr dem vorangegangenem Schema und trug schon überwiegend zivilen Charakter. Die für Noricum typischen spätantiken Adaptierungen an den Befestigungen lassen sich in zwei Fächer-, drei Hufeisentürmen und einem rechteckigen, bastionsartigen Bau an Stelle des Südtores erfassen. Zusätzlich wurde im Kastellareal auch ein Gräberfeld aus dem 10.–11. Jahrhundert (Münze von Boleslaw II, gest. um 999) und eine mittelalterliche Befestigungsanlage (der schon oben erwähnte Krottenturm) entdeckt.[21]

Römische Gewandfibel im Form eines Seepferdchens aus Zwentendorf, gefunden 1969

Holz-Erde-Periode

Wall und Grabenanlagen

Die Nord-Süd-Ausdehnung des ersten Zwentendorfer Kastells betrug mit dem Graben annähernd 100 m. Die West-Ost-Ausrichtung wird mit 154 m angenommen. Aufgrund der Grabungsergebnisse in den 1950er Jahren konnte festgestellt werden, dass die erste spätflavische Holz-Erde-Befestigung ein typisches (allerdings stark verzogenes) Rechteck bildete und an seiner West- Süd- und Ostseite von einem ca. 5–7 m breiten und 1,70 m tiefen Graben umgeben war. Dieser verlief schräg von Nordwesten nach Südosten und folgte damit wahrscheinlich exakt dem Lauf des früheren Donauarmes. Er war breiter und tiefer als seine Nachfolger (1,70 m tief, 7 m breit). Vermutlich war er grundwasserführend (Vergleich mit Lagerbrunnen) und begünstigte die spätere Abschwemmung des nördlichen Kastellsektors da hier auch exakt der Geländeabbruch ansetzt. Der mit dem Grabenaushub aufgeschüttete Erdwall war an seiner Innenseite fast senkrecht und somit viel steiler als an seiner Außenseite. Der Wehrgang war aus Holz. Steinmaterial wurde keines verwendet (wie z. B. bei der Murus Gallicus), dies beweist die Planierungsschicht der nachfolgenden Periode (Steinperiode I) die nur aus Humus bestand.

Tore und Türme

Von den Toren konnte nur eines im Süden, circa in der Mitte des Walles, mit einer 1,80 m breiten und 5 m langen Durchfahrt nachgewiesen werden. Hier fanden sich auch die Tortürme und der Torverbau von Steinperiode II und III. Es wird weiters angenommen, dass das Lager im Osten und Westen gar keine Toranlagen besaß. Im Westen konnte auch keine

Römische Funde aus dem Kastell: rechts und links oben, Gewandfibeln, unten, Terra Sigillata aus Rheinzabern (Tabernae), 2.–3. Jahrhundert

Unterbrechung des Kastellgrabens nachgewiesen werden. Die kam auch bei anderen Limeskastellen vor wie z. B. bei der Holz-Erde-Anlage des Kastell Saalburg.[22] Herma Stiglitz vermutet aber noch ein kleineres Tor im Norden das als Zugang zu einem Anlegeplatz an der Donau gedient haben muss.

Innenbauten

Von den Innenbauten blieben nur Pfostenlöcher und Balkenabdrücke erhalten. Einzig unter der principia der Steinperiode I konnte noch ein Keller der ersten Holz-Erde-Anlage nachgewiesen werden. Er bestand aus zwei Räumen von denen der größere etwa 60 cm tiefer lag als der kleinere. Das Kellergeschoss war vollkommen mit Holzbrettern (Fichten- und Eichenholz) verschalt. Der Zugang dürfte über eine Falltür und eine Leiter erfolgt sein. Zusätzlich konnte im Westteil des Lagers ein weiterer Keller beobachtet werden.

Steinperiode I

Mitte des 2. Jahrhundert n. Chr. wurde das Holz-Erde-Lager eingeebnet und deren Befestigungen, vermutlich gleichzeitig wie bei den benachbarten Kastellen, in Steinbauweise neu hochgezogen.[A 2] Nach den archäologischen Befunden nach zu urteilen war dieses Lager zwar regelmäßiger aber, durch die

Grundrisse der Steinperiode I mit Wehrgraben der Holz-Erde-Periode

Geländegegebenheiten an seiner Breitseite zur Donau im Südwesten, wieder leicht verschoben angelegt. Es nahm von seiner Fläche her wieder den Umfang des Holz-Erde-Lagers ein, hatte jedoch eine größere West-Ost-Ausdehnung. Mit Hilfe der erhaltenen Grundmauern zweier Kasernenblöcke aus späterer Zeit, kann man (trotz des verlorengegangenen, schätzungsweise 35 m langen Nordabschnitt) eine flächenmäßige Ausdehnung von 160 × 131 m, das sind mehr als 2 ha, annehmen (Abmessungen ohne Wehrgräben). Ursache für die Vergrößerung des Lagers dürfte die Ablösung der früheren Stammtruppe gewesen sein. Als Grundmaß scheint lt. Herma Stiglitz hier von den römischen Ingenieuren der in diesen Breiten eher ungewöhnliche illyrisch-makedonische Fuß (27,2 cm) angewendet worden zu sein.

Kastellmauer

Umgeben wurde es von einer 1,10–1,15 m breiten Bruchsteinmauer (Höhe etwa 4 m[23]), dessen Fundamenttiefe mit nur 0,60 m mit Hinsicht auf die vorgelagerten Gräben auffallend gering war. Auch im Bereich der alten Gräben des Holz-Erde-Kastells waren die Fundamente nicht verstärkt worden. Dies barg aber die Gefahr von Senkungen und Rissen im Mauerwerk. Als erstes wurden wahrscheinlich die Befestigungen an Ost- und Westseite fertiggestellt. Während dieser Arbeiten blieb die Sicherheit durch die alten Erdwerke weiter gewährleistet. Nach Errichtung der Nord-Süd-Wälle ebnete man die nun im Lagerinneren gelegenen Gräben des Holz-Erde-Kastells mit Material von den alten Befestigungen ein. Ob auch ein standardmäßiger Erdwall hinter der Mauer aufgeschüttet wurde war archäologisch nicht mehr nachzuweisen, ist aber sehr wahrscheinlich. Für einen solchen sprechen auch die Ausformungen der Ecktürme. Die Fundamente bestanden aus unbearbeiteten Rollsteinen, ihre unterste Schicht bildeten gelegte Rollsteine ohne Mörtelbindung. Über das Aussehen der Mauerkrone kann man mangels eindeutigen Funden nur spekulieren. Sie wird sich aber von denen vergleichbarer Kastelle am Limes nicht wesentlich unterschieden haben. Vom früheren Holz-Erde-Kastell wurde ansonsten nur der Südwall wieder komplett in die neuen Befestigungen miteinbezogen. An seiner Ost- und Südseite waren zwei, an der Westseite nur ein Wehrgraben, jeweils 4,60–6,50 m breit und 2,40–3 m tief und offenbar mit Wasser geflutet worden. Die Breite der Berme betrug etwa 2,40 m.

Tore und Türme

Die Lagerecken waren typischerweise abgerundet und zusätzlich mit innen angesetzten Türmen verstärkt. Vom südwestlichen Eckturm war das Fundament noch gut erhalten, es reichte tief in den gewachsenen Boden hinein. Offenbar waren in diesem Turm schwere Wurfgeschütze (balliste) aufgestellt.

Fragmente einer Bronzestatue mit Silbereinlagen aus dem Kastell Zwentendorf (Römermuseum Tulln)

Das Haupttor befand sich an derselben Stelle wie das Südtor des Holz-Erde-Kastells und wurde an beiden Seiten von zwei quadratischen, größtenteils nach innen ragenden und 4 × 3 m messenden Türmen gesichert. Sie wurden später beim Bau des spätantiken Kastells wieder abgetragen. Vom westlichen konnte teilweise noch das Fundament nachgewiesen werden, vom östlichen nur mehr die Fundamentgrube. Die Breite des Durchganges betrug ca. 8 m wobei in der Mitte noch ein Abstützungspfeiler (spina) angenommen werden darf. Von der Ausfallstraße war nur noch der Kiesunterbau vohanden.

An der Ost- und Westseite konnten wiederum keine Torbauten, aber ein massiver, rechteckiger Zwischenturm festgestellt werden. Seine Abmessungen betrugen 3,40 × 4,60 m., Stärke der Mauer 80 cm. Weiters war auch der etwa 12 cm, dicke Estrichboden des Untergeschosses noch gut erhalten. Auffallend ist, dass die Fundamentstärke an der Lagermauer 1,40 m, an der Ostmauer des Turmes aber 2,40 m beträgt. Vermutlich war auch dieser Turm mit schweren Wurfgeschützen armiert gewesen. Das Erdmaterial über den Estrich bestand aus Humus und nicht aus „Hüttenlehm“ wie der aus den benachbarten Sondierungsschnitten. Dies beweist, dass er wohl bis in die Spätantike verwendet wurde. Auch an der Ostmauer fanden sich noch geringe Mauerreste eines weiteren, innen angesetzten Zwischenturmes.

Grundriss der principia, Steinperiode I

Innenbauten

Verbunden mit den Befestigungsanlagen wurden auch die Innenbauten völlig neu errichtet. Von den Kasernen haben sich nur geringe Reste erhalten, da sie von den Gebäuden der Steinperiode II überbaut wurden. Ziemlich sicher handelte es sich um keine Steingebäude, sondern um die in Kastellen dieser Art üblichen Fachwerkbauten mit Ziegeldächern. Im Kasernenblock E wurden die Trümmer eines Dachversturzes geborgen die eine Stempelung der Ziegelei der legio II Italica aufwiesen. Diese werden in das letzte Drittel des 2. Jahrhundert datiert, da auf ihnen noch nicht der Ehrenname „pia fidelis“ angegeben wird, den diese Legion erst ab 193 n. Chr. führte. Diese Kasernenbauten hatten vermutlich dieselbe Ausrichtung wie ihre Vorgängerinnen im Holz-Erde-Kastell.

Im Südwestsektor kam auch der Komplex der mehrmals umgebauten principia zutage. Das Objekt war größtenteils ein Fachwerkbau, nur zwei Räume waren in Stein aufgemauert worden. Es maß 27 × 24 m. Gut erhalten waren noch die Estrichböden die sich, mit Ausnahme eines einzigen, in allen Räumen des Gebäudekomplex fanden. Das Gebäude besteht aus den Raumanordnungen B (1–4) und C (2 und 3). Der älteste ist ein saalartiger Raum (Fahnenheiligtum?) der 5,30 × 5,70 m misst. Der Bodenestrich wurde hier zweimal vollkommen erneuert, sodass er um 60 cm höher lag als das Bodenniveau der benachbarten Zimmer. Später wurde er nach Westen um 3,80 × 4 m vergrößert und erhielt so eine hakenförmige Gestalt. Zwei apsidenförmige Rundungen an den Wänden fixierten die Standplätze von Halbsäulen. In der Mitte fand sich eine 60 × 50 cm große Ausnehmung die wohl einst den Haltezapfen eines Altars aufnahm. Unterteilungen durch weitere Mauern konnten hier keine festgestellt werden. Bei Errichtung der principia wurde der schon oben erwähnte Keller des Vorgängerbaues zugeschüttet. Ein Grund hierfür könnte ein zu hoher Grundwasserspiegel gewesen sein. Im Osten wurden die Reste eines gemauerten Heizungskanals verfolgt der aber durch spätere Umbauten stark gestört war. Vermutlich lagen hier die Wohnräume (praetorium) des Lagerkommandanten. Die Räume C 2 und C 3 waren durch einen mit einem Holzboden versehenen Korridor getrennt der voll mit Putzresten und Hüttenlehm der eingestürzten Zimmerwände war. Weiters konnten auch Reste der Holzbalken mit noch eingeschlagenen Eisennägeln geborgen werden. Im Westen sprang noch ein etwa 4 m breiter Raum nach Westen vor. Möglicherweise befand sich im Süden auch noch ein Hof mit einem Säulenrundgang.

Infrastruktur

Straßenreste aus dem Inneren des Kastells sind nur im Süden in Form einer unregelmäßigen und stark zerstörten Steinpflasterung beobachtet worden.

Über die Sanitäreinrichtungen gaben die Ausgrabungen bislang keinerlei Aufschluss. Planmäßig angelegte Kanalisationen wurden nicht angetroffen, ebenso wenig ein Lagerbad. Ansonsten wurde das Lager von Brunnen aus mit Wasser versorgt. Einer war 3,50 m tief, Durchmesser 1,40 m und wurde vollständig ausgegraben. Ausgekleidet war er mit Holz und stammte noch aus der Zeit der ersten Lagerperiode (Brunnen 1). Ein anderer lag westlich der principia und war mit Stein ausgekleidet (Brunnen 2). Dieser konnte aber wegen akuter Einsturzgefahr nicht bis zur Sohle untersucht werden.

Steinperiode II

Schematisierter Plan der Steinperiode II mit Zubauten des Oppidums, rechts das Areal der mittelalterlichen Turmburg

Vom letzten Bauabschnitt des Kastells Zwentendorf waren naturgemäß die meisten Überreste erhalten. Wie die meisten anderen norischen Kastelle auch, war das Steinlager II an den abgerundeten Ecken ebenfalls mit Fächertürmen (Mauerstärke 1,80 × 2,20 m) nachträglich „modernisiert“ worden. Größe, Ausrichtung und Grundriss des Lagers blieben dabei aber unverändert. Die schon vorhandenen Wehranlagen wurden, soweit noch brauchbar, weiterverwendet. Auch der Verlauf der Wehrgräben wurde größtenteils beibehalten, kleinere Abänderungen konnten nur an den Lagerecken beobachtet werden. Größe, Ausrichtung und Umfang des Steinkastell II waren im großen und ganzen ebenfalls fast unverändert geblieben. Die neuen, viel massiveren Gussmörtelmauern waren so widerstandsfähig, dass sie im 19. Jahrhundert teilweise sogar den Sprengungen mit Dynamit standhielten. Als Baumaterial diente wiederum hauptsächlich Bruchstein, Vorder- und Rückseite wurden mit zugerichteten Quadern verblendet. Auch bei Setzung der Fundamente wurde nun eine größere Sorgfalt an den Tag gelegt. Sie saßen ausnahmslos auf gewachsenem Untergrund auf. Selbst die untersten Steinschichten waren vermörtelt. In den oberen Fundamentschichten waren zusätzlich Ausgleichsschichten nachzuweisen. Weiters wurden auch Ziegelbrocken von Vorgängerbauten eingearbeitet. Der Mörtel selbst ist fast reinweiß und so gut wie ohne Ziegelsplitbeigaben. Die Fundamente dieser neuen Anlagen begannen aus bautechnischen Gründen erst 10 cm vor der Kastellmauer. Ein direkter Anbau dieser massiven Bastionen hätte wohl schon nach kurzer Zeit Druck- und Spannungsrisse in der älteren Wehrmauer verursacht. Die Fächertürme an den Ecken waren ohne Dach (Geschützplattform). Die letzten Baumaßnahmen am Kastell scheinen aufgrund des Mangels an Mannschaften hauptsächlich die Türme betroffen zu haben. Einige wurden noch in der Endphase des Lagers wieder abgetragen, um einem neuen Wehrgraben Platz zu machen.

Kastellgräben

Das herkömmliche Grabensystem wurde größtenteils auch in der Spätzeit beibehalten. Nur die neuen Türme erforderten einige Abänderungen, die besonders an den Ecken wie im Südosten gut zu beobachten war. Die Fächertürme mussten umlaufen werden. Der Graben maß hier 7,5 m in der Breite und hatte im Scheitel ungefähr 1,10 m Abstand vom Wehrgraben der Steinperiode I.

Türme und Tore

Bruchsteinhaufen im Weingartl, möglicherweise Überreste des südöstlichen Fächerturmes
Fächertürme

Charakteristisch für fast jedes spätrömische Kastell am Donaulimes waren ihre Eckbastionen, die weit aus der Mauer hervortraten. Ihre Form ähnelte einem halbgeöffneten Fächer. Ihre Wangen waren exakt im rechten Winkel an die Kastellmauer angesetzt (sog. Hals). Die Abschlüsse des Halses wurden durch einen viertelkreisförmigen Bogen verbunden. Die Innenmaße (für Zwentendorf) betrugen am Halsansatz 1 × 4,60 m. Die Mauerbreite variierte zwischen 1,80 × 2,20 m. Sie war mit den damals gebräuchlichen Belagerungsgeräten nur sehr schwer zu durchbrechen.

In Zwentendorf blieben die Fundamente von zwei dieser Fächertürme erhalten. Hier insbesondere das des Südostturmes. Er wurde im 10.–11. Jahrhundert von den slawischen Bewohnern des Krottendorfes möglicherweise als Grabkapelle und dann bis ins späte Mittelalter als Kernwerk einer Motte genutzt (Krottenturm). Seine Mauern sind zum Teil erst Mitte des 19. Jahrhunderts abgetragen worden. In seiner Fläche überspannte er den Wehrgraben des ersten Steinkastells. Die Füllung dieses Grabens bestand nur aus Humus, bemerkenswerterweise auch ohne Bruchsteineinschlüsse, woraus abgeleitet werden kann, dass die abgerundete Kastellecke in der Spätantike noch vollständig erhalten war. Das aufgehende Mauerwerk setzt sich deutlich vom Fundament ab das circa 20 cm breiter ist. Neben dem Turm fand sich eine (neuzeitliche?) Feuerstelle dessen Umfassungssteine noch von der Turmbekrönung stammen könnten. In seinem Inneren war aber nicht einmal mehr der Rest eines Estrichbodens oder Spuren einer Treppe vorhanden.

Die Bausubstanz des Südwestturmes hatte tiefgreifende Veränderungen erfahren. Von ihm war so wenig erhalten, dass es mehrerer Sondierungen bedurfte, um seine Überreste überhaupt aufspüren zu können. Es war nur mehr ein Rest des 1,80 m breiten Fundamentes vom frontseitigen Fächerbogen nachweisbar. Ansonsten wurden das Fundament anscheinend schon vor langer Zeit mühevoll ausgegraben und fast restlos beseitigt.

Hufeisentürme
Das spätantike Kastell um 400 n. Chr., Zeichnung nach einem Modell im Heimat- und Industriemuseum Zwentendorf

Als Zwischentürme wurden an den Längsseiten hufeisenförmige Türme vor die Mauer gesetzt. Davon zwei am Südwall. Beide waren baugleich. Einer von ihnen war genau in der Mitte der Linie zwischen Toranlage und südlicher Ecke angebaut. Die Fundamentbreite betrug 1,80–2 m, seine Innenfläche dürfte um die 6,80 m betragen haben. Die Fundamente waren nicht mit denen der Kastellmauer verbunden. Ein dritter Hufeisenturm, Länge 8,60 m, Mauerstärke 1,60 m, Innenmaße 7,20 × 3 m, konnte an der Westseite ergraben werden, auch hier waren nur mehr die Fundamente vorhanden. Ein weiterer Turm konnte nicht gefunden werden. Wahrscheinlich gab es aber auch an der Ostseite noch ein identisches Exemplar. Ihre Wangen setzten in gerader Linie an der Kastellmauer an. Sie waren direkt in den alten Holz-Erde-Wehrgraben hineingebaut. Eine Überdachung wäre zwar bautechnisch leicht möglich gewesen, war aber aufgrund der geringen Menge von aufgefundenen Dachziegeln nicht nachzuweisen. In der Machart glichen sie jenen von Tulln und Traismauer. Im obersten Geschoss waren vermutlich Rundbogenfenster eingebaut. Nach den Befunden zu urteilen, wurden die südlichen Türme anscheinend noch in der Spätantike beseitigt. An ihrer Stelle wurde ein neuer Wehrgraben angelegt.

Die letzten Reste des Westturmes wurde erst in der Neuzeit abgetragen. Durch diesen Umstand blieben 20 cm des aufgehenden Mauerwerkes erhalten. Seine Abmessungen betrugen: Mauerstärke (ohne Fundament) 1,60 m, Innenmaße 7,20 × 3 m, Länge 8,60 m. Das aufgehende Mauerwerk liegt nicht exakt auf den Fundamenten auf, sodass der Fundamentvorsprung innen 16–40 cm beträgt und an der Nordmauer gänzlich verschwindet. Auch dieser Turm überlagert den Wehrgraben des ersten Steinkastells. Möglicherweise besaß er auch ein Kellergewölbe. Als einziger Turm ragt er an der Rückseite auch etwas[A 3] in das Lagerinnere hinein. Das Turmfundament war fest mit dem der Kastellmauer verzahnt. Diese reichen auch nicht bis zum gewachsenen Grund hinab. An der Südmauer dieses Turmes lassen sich zudem deutlich zwei unterschiedliche Bauphasen ablesen. Möglicherweise wurde hier die Rückseite eines Vorgängerbaues (innen angesetzter Zwischenturm?) in den neuen Turm miteinbezogen. Der westliche Hufeisenturm deckte auch eine kleine – ca. 1,13 m breite – Pforte, die an seiner Südflanke aus der Kastellmauer herausgebrochen worden war. Von ihr war aber nur mehr die direkt auf dem Fundament aufliegende Türschwelle vorhanden.

Südtor

Den bemerkenswertesten Bauteil der Befestigungen des spätantiken Kastells stellt aber sein Südtor dar. Die ungefähr in der Mitte der Südfront des Kastells gelegene Toranlage war zu einer nach außen hin vorkragenden (12 × 7,80 m, Mauerstärke 1,80 m), rechteckigen Bastion umgebaut worden. Die möglicherweise schon baufälligen Flankentürme der Steinperiode I wurden abgerissen, das Material (sofern nicht wiederverwendet) an Ort und Stelle einplaniert. Die Fundamente waren in etwa gleich tief wie bei den restlichen Türme der Steinperiode II. Am ehesten lässt sich dieses Bauwerk noch mit dem sog. Körnerkasten von Zeiselmauer vergleichen obwohl seltsamerweise im Nordteil keinerlei Fundamente festgestellt werden konnte, d. h. dass es zum Lagerinneren hin scheinbar vollkommen offen gewesen war. Auch dieses Gebäude wurde erst in der Neuzeit eingeebnet und diente bis dahin wohl ebenfalls als Getreidespeicher wie Funde von Hülsenfrüchten andeuten. An der Westseite wurde weiters ein kleiner Durchlass entdeckt der circa 1 m breit war. Da hier auch die Fundamente unterbrochen waren vermutete man einen Kanalaustritt. Diese Annahme konnte jedoch nicht bewiesen werden.

Grundriss principia der Steinperiode II
Osttor

Ein Haupttor konnte bei den Grabungen in den 1960er Jahren nicht nachgewiesen werden. Es muss aber eine Möglichkeit gegeben haben mit einem Fuhrwerk in das Kastell zu gelangen. Es kann nur im Osten gelegen haben da auch an der Westmauer keines entdeckt werden konnte. Dieses Tor wurde wahrscheinlich beim Untergang des Oppidums im 5. Jahrhundert zerstört. Die Ausgräberin begründet diese Theorie damit, dass über der Ostmauer zwei Skelette aus dem 10. und 11. Jahrhundert n. Chr. gefunden wurden. Das bedeutet, dass die Ostmauer zu dieser Zeit schon zerstört oder abgetragen und mindestens 1 m mit Erde bedeckt war.

Innenbauten

Die Umbauten der Steinperiode II hinterließen auch bei den Gebäuden im Inneren des Kastells deutliche Spuren, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung.

Principia

Die principia wurde gänzlich neu erbaut, Altmaterial wurde hierfür keines mehr verwendet. Das Gebäude war langgestreckt und teilte sich in einen Nord- und einen Südtrakt. Diese waren wiederum in mehrere Räume unterteilt. Der gesamte Gebäudekomplex konnte archäologisch nicht mehr erfasst, seine genauen Ausmaße daher nur geschätzt werden. Sie betrugen 41 × 32,5 m. Der Neubau war wieder eine Fachwerkkonstruktion. Der Mauerunterbau wies nur eine Stärke von 45 cm auf und war äußerst mangelhaft ausgeführt. Außer im Raum C1 fanden sich nirgendwo mehr Estrichböden, die restlichen Räume dürften nur mit Stampf- oder Holzfußböden ausgestattet gewesen sein. C1 war auch der besterhaltene Raum der Anlage, man konnte sogar noch die Farbe des Estrichs (weiß) erkennen. Trotz des schlechten Erhaltungszustandes der principia konnte aber wiederum sein sacellum (Fahnenheiligtum) identifiziert werden. Es misst 8,80 × 15,60 m und liegt ca. in der Mitte des Südtraktes. An der Südwand befindet sich eine nur sehr kleine und unregelmäßig gemauerte Apsis. Bei deren Fundamenten lag eine grautonige Schüssel die wohl als Bauopfer hier zurückgelassen wurde. Weiters fanden sich auch wieder Fußbodenheizungen (Schlauchkanäle) die in Qualität und Bauausführung stark differierten, besonders im Ostteil des Gebäudes.

Kasernen
Grundriss der nordwestlichen Kasernenblöcke E und F

Auch die Kasernen wurden wieder in Fachwerktechnik hochgezogen. Zwei dieser Blöcke, E und F, zählten zu den besterhaltenen Gebäuden der Steinperiode II. Die Fundamente waren 40 cm breit. Aufgrund der zahlreichen Ziegelfunde ist davon auszugehen, dass sie ausnahmslos mit Ziegeldächern versehen wurden. Durch den von der Donau verursachten Geländeabbruch im Norden waren sie jedoch nicht mehr in voller Länge erhalten. Die Räume in beiden Blöcken waren fast gleich groß. Ihre Abmessungen betrugen 4,50 × 8,70 m bzw. 4,70 × 7,70 m. Die südlichen Kammern waren etwas größer, 9,60 × 7,60 m bzw. 8,20 × 8,80 m. Vermutlich dienten sie als Unteroffiziersquartiere. Die Räume hatten Stampfböden[A 4] und öffneten sich auf einen dazwischenliegenden gepflasterten Hof. Ihre Türen (nach außen aufgehend) waren 1,10 m breit und befanden sich jeweils in der Süd- bzw. Nordecke. Ein kleines Postament an der Westwand von Block F könnte der Aufstellungsort einer Statue gewesen sein.[A 5] In Block E konnte noch eine Feuerstelle angetroffen werden. Eine zwischen Block E und F etwa 12 m breite Fläche fungierte wohl als Appellplatz. Die in anderen Kastellen häufig anzutreffenden überdachten Laubengänge gab es in Zwentendorf aber nicht.

Haus A

Dieser Bau lag westlich der principia. Von ihm fand man nur mehr eine dreiecksförmige Schlauchheizung und das Präfurnium, das aus Dachziegeln zusammengesetzt war. Drei von diesen waren mit Stempel der legio II Italica versehen.[24] Die Stempelungen erlaubten eine Datierung in die Spätantike. Das Haus bestand ansonsten nur aus Holz, von den Abstützungen konnten noch einige Pfostenlöcher und Balkenabdrücke beobachtet, der Grundriss konnte nicht mehr rekonstruiert werden.

Haus D

Das sogenannte Haus D liegt im Zentrum des Lagers und wurde aufgrund seiner Mauertechnik wohl gleichzeitig mit den Hufeisentürmen errichtet. Seine Ausmaße betragen 6 × 10 m. Die Mauern waren sorgfältig aufgemauert und massiv (80 cm breit). Möglicherweise war das Gebäude zweistöckig. Insgesamt konnten zwei Bauphasen nachgewiesen werden. Das Gebäude war in Phase I mit einer 45 cm hohen, überwölbten Schlauchheizung mit einer technischen Besonderheit ausgestattet. Der Zwischenraum von Fundament und Heizschlauch war mit einer Schotterlage aufgefüllt. Dies war eine wirksame Methode die Wärme zu speichern und dann gleichmäßiger in die Räume abzugeben. Im Osten befand sich das praefurnium, im Westen war noch ein Teil des Rauchabzuges vorhanden. Der Innenraum des Gebäudes war ansonsten nicht unterteilt und mit einem dicken Estrichbelag ausgestattet. In Phase II wurde die Heizung wieder stillgelegt und der Kamin zugemauert, gleichzeitig wurde ein neuer Estrichbelag aufgebracht.

Haus H

Dieses Gebäude gehört in die Zeitperiode, als das Kastell nur mehr als befestigtes Dorf (oppidum) genutzt wurde. Es lag genau am Donauabbruch und überlagerte teilweise den nördlichen Teil des Kasernenblock F. Von ihm blieb ebenfalls nur die dreiecksförmige Schlauchheizung erhalten. Dieser verlief von West nach Ost, sein Praefurnium lag im Osten. Der Heizkanal war vollständig mit Ziegelplatten ausgelegt worden von denen 40 Stück eine Stempelung aufwiesen. Sie wurden in der Spätantike in Ybbs gebrannt und waren mit dem Stempel nach unten verlegt.[25] Nach der Menge der aufgefundenen Asche zu urteilen, muss die Heizung relativ lange in Betrieb gewesen sein. Der Innenraum war möglicherweise über dem Dreieck des Heizungsschlauches und dessen Zuleitung zweigeteilt. Vom Gebäude haben sich ansonsten keine Reste erhalten.

Garnison

Über die im diesen Kastell stationierten Einheiten können bis heute keine definitiven Aussagen gemacht werden. Im Kastell geborgene Ziegelstempel verweisen mehrheitlich auf die Stationierung der cohors V Breucorum und insbesondere der cohors I Asturum, die möglicherweise für dieses Kastell auch namensgebend war. Ebenso finden sich Stempel der legio II Italica, des spätantiken Dux Ursicinus, einige Exemplare der legio I Noricum, sowie spätantike Ziegelstempel der sog. „OFARN-Gruppe“ mit der Aufschrift "OFARNMAXIMINAVIND", und "OF ARN BONO MAG". Die Frage, welche Einheiten hier tatsächlich den Wachdienst versahen ist bis heute unbeantwortet geblieben, diesbezügliche Inschriften und literarische Quellen sind entweder nicht vorhanden oder noch nicht bekannt geworden. Die aufgefundenen Ziegelstempel haben in dieser Hinsicht nur einen sehr begrenzten Aussagewert.

Zeitstellung Truppenname Bemerkung
1. bis 3. Jahrhundert n.Chr. cohors quinta Breucorum civium Romanorum equitata
("die fünfte berittene Kohorte der Breuker, römische Bürger")
Unter den Ziegelfunden in Zwentendorf befand sich ein - in die Spätantike zu datierender - Stempel mit der Aufschrift COHVP. Da die Bruchlinie bedauerlicherweise genau durch den letzten Buchstaben verläuft, versuchte Herma Stiglitz diesen neben P auch als B oder R zu bestimmen. Demnach könnte er einst von Angehörigen der coh(hors) V P(annoniorum) bzw. B(reucorum) oder auch R(aetorum) hergestellt worden sein. Als eine norische Kohorte mit der Zahl V kam für Stiglitz nur die der cohors V Breucorum in Betracht. Ausschlaggebend hierfür waren für Stiglitz auch die Verwendung des hier schon erwähnten makedonischen (oder norisch-pannonischen) Fußes der offensichtlich bei der Absteckung des Kastellareals verwendet wurde. Da diese Kohorte ja auch ursprünglich aus Pannonien stammte könnte sie bei den Baumaßnahmen dabei durchaus das in ihrer Heimat gebräuchliche Längenmaß mitgebracht und angewendet haben.

Der Aufenthalt einer cohors V Pannoniorum ist hingegen für diese Provinz nicht bekannt. Man weiß nur von einer cohors V Gallorum et Pannoniorum die auf einem Militärdiplom aus Obermösien genannt wird. Desgleichen finden sich keine Hinweise für die Stationierung einer V. Räterkohorte in Noricum, die ansonsten nur von einem Bruchstück einer Inschrift aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. bekannt ist, die den Aufenthalt dieser Truppe im Kastell Naissus/Nisch (Obermösien) bezeugt. W. Wagner schließt dabei nicht aus, dass diese auch mit jener Einheit ident sein könnte die unter Hadrian an Britanniens Nordgrenze stationiert war.[26] Die cohors V Breucorum hingegen ist durch das Klosterneuburger Militärdiplom (80 n. Chr.)[27] eindeutig für Pannonien nachzuweisen. In diese Zeitperiode fallen auch zwei in Carnuntum aufgefundene Grabsteine von Angehörigen dieser Truppe, ihre Verlegung nach Noricum wäre auch durch die umfangreichen Militäroperationen des Domitian erklärbar. Weiters ist ihr Aufenthalt in dieser Provinz zusätzlich durch Grabsteine aus Preims im Lavanttal (Kärnten)[28] und Knittelfeld (Steiermark)[29] nachgewiesen.

Da auch zahlreiche pannonische Militärdiplome aus der Zeit um 80–90 n. Chr. diese Einheit in ihren Truppenlisten nicht mehr anführen scheint ihr Abmarsch aus Pannonien so gut wie sicher zu sein.[30] Nach ihrer (hypothetischen) Stationierung im Kastell Zwentendorf sind allerdings auch ihre weiteren Aufenthaltsorte in Noricum nicht mehr eruierbar. Nach Ansicht J. E. Bogars verblieb die Truppe jedoch noch bis ins 3., oder möglicherweise sogar über das 4. Jahrhundert hinaus, in dieser Provinz. Dies vor allem deswegen da sich diverse Ziegelstempel und ein vermutlich von Passau nach Weihmörting verbrachter Weihealtar[31] eine Verlegung der Einheit nach Schlögen, Wallsee oder vielleicht sogar nach Passau (Boiodurum) und somit an die rätische Grenze vermuten lassen.

Ziegelstempel (C)OH V BR(eucorum) der 5. Breukerkohorte, 3.Jhdt.n.Chr. (Römermuseum Kastell Boiotro, Passau)
2. bis 3. Jahrhundert n.Chr. cohors prima Asturum
("die erste Kohorte der Asturer")
Der Name der cohors I Asturis leitet sich wohl vom Stamm der Asturi ab der in Nordspanien beheimatet war. In Asturis stand die Truppe vielleicht schon seit Errichtung des Kastells in der frühen Kaiserzeit. Der älteste Beleg der Anwesenheit der Truppe in Noricum ist das Militärdiplom[32], das für einen gewissen L. Cuspius Lautus ausgestellt wurde der auch aus Noricum stammte. Dies mag zwar noch kein zwingender Beweis dafür sein, dass die Truppe seit der frühen Kaiserzeit in Noricum aufhältig war, jedoch weis man, dass auch schon zu dieser Zeit neue Rekruten aus den Alpenstämmen angeworben wurden.

Im 2. Jahrhundert n. Chr. ist die Einheit durch Inschriften in Noricum gut fassbar. Aus Virunum sind zwei Grabsteine von Soldaten, einem Benefiziarier, aus Flavia Solva und Iuvavum jeweils zwei Grabsteine von Zenturionen dieser Einheit bekannt. Ein weitere Inschrift die einen Angehörigen dieser Einheit nennt, ist aus Sankt Martin am Bacher belegt. Auch der Präfekt C. F. Pal. Iulius Festus, von dem eine Ehreninschrift in Aquileia gefunden wurde, könnte unter Kaiser Trajan in dieser Einheit gedient haben. Aus dem 3. Jahrhundert kennt man den einfachen Soldaten M. Aurelius Titus Titianus der auf einem Grabstein aus Pannonien genannt wird und den eques (Reiter) Ti. Claudius Zeno Ulpianus der die Kohorte im Rahmen seiner prima militia befehligte. Das derselbe seine beiden nachfolgenden Kommandoposten ebenfalls in Noricum und Oberpannonien antrat könnte zumindest ein Indiz dafür sein, dass die Truppe auch im 3.Jahrhundert in Noricum ansässig war.

Im Zusammenhang mit dem Fund drei weiterer Ziegelstempel, deren Aufschrift von Herma Stiglitz als COH I AST interpretiert wurde, versuchte sie auch die Anwesenheit einer weiteren Auxiliareinheit in Zwentendorf zu belegen. Da in Zwentendorf unterschiedlich große Kasernenbarracken entdeckt wurden, ist es gut möglich, dass im Kastell auch eine 1000 Mann starke Kohorte untergebracht werden konnte und nach der Truppenliste in der ND Asturis westlich von Cannabiaca liegt. Stiglitz versuchte Asturis auch anhand der Aussagen in der Vita Sancti Severini mit dem Kastell Zwentendorf gleichzusetzen. Jedoch ist die genaue Bedeutung der o. e. Ziegelstempel bis dato nicht zweifelsfrei erwiesen. So liest z. B. Hannsjörg Ubl sie als C.I.AS. Es muss daher die Stiglitz-Theorie, wie sie auch selbst zugibt, vorerst „… nur eine zur Diskussion gestellte Hypothese bleiben“. Auch die übrigen in Zwentendorf sichergestellten Ziegelstempel lassen keinen eindeutigen Nachweis für den tatsächlichen Truppenbeleg in diesem Kastell zu.

4. bis 5. Jahrhundert n.Chr. limitanei
("Grenzwächter")
Über die Besatzung in der Spätantike ist mangels schriftlicher Quellen nichts bekannt. Einzig die Notitia Dignitatum (ND)[33] nennt im Abschnitt des Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis einen Tribunen im Kastell Asturis, der wohl eine Kohorte der Limitanei unter seinem Befehl hatte. Da die Namenszuordnung des Kastell Zwentendorf aber nach wie vor ungeklärt ist können hierüber auch keine definitiven Aussagen gemacht werden.

Lagerdorf

Lage von Haus H und seines Heizkanals

Die älteste Siedlungsperiode ist nicht vor der spätflavischen oder trajanischen Regierungszeit anzunehmen. In der mittleren Kaiserzeit erfolgte eine Verlagerung der Aktivitätszonen entlang der Südstraße an die Ost-West-Straße, besonders während der Zeit der Severer. Weiters waren intensive Kontakte der Siedlung mit Pannonien, insbesondere für die mittlere Kaiserzeit, nachzuweisen. Das ansonsten bei vielen anderen Kastellen beobachtete Nachlassen der Funde in der Zeit um die Markomannenkriege ist in Zwentendorf nicht festzustellen. Im späten 3. und im 4. Jh. n. Chr. erfolgte eine kleinräumigere, jedoch immer noch intensive Nutzung des Vicusareals.

Ausdehnung

Das Lagerdorf zählte zum sogenannten „Straßentyp“, d. h. ihr Kernbereich konzentrierte sich an den Rändern der Südstraße. Die bebaute Fläche des vicus Süd und West von Zwentendorf dürfte um die 7 ha betragen haben. Der vicus ist, entsprechend dem Kastell, das mit ca. 2 ha knapp Platz für eine cohors milliaria bot, deutlich kleiner als z. B. der von Mautern. Da die permanente Hochwassergefahr eine donaunahe Bebauung nicht zuließ, breitete er sich vor allem im Süden des Kastells entlang seiner Hauptausfallstraße aus, die den Anschluß an das Fernstraßensystem des Donaulimes bildete. Rund um den äußersten Lagergraben dürfte eine Fläche von 30 m Tiefe (Glacis) aus Sicherheitsgründen ausgespart geblieben sein.

Bebauung

Unter den verschiedenen Haustypen dominierten Grubenhütten auf Streifenparzellen. Solche Behausungen wurden wahrscheinlich im Zuge einer Ablösung der Garnison durch neue Verbände und dem damit verbundenen Bevölkerungswechsel im vicus errichtet. Entlang der Straßen war das Vicusareal in streifenförmige Parzellen unterteilt, die zu beiden Seiten im rechten Winkel zum Verlauf der Fahrwege ausgerichtet waren. Ihre Breite wechselte zwischen 10,5 und 14 m, wobei der größte Teil der Parzellen etwa 12 m breit war. Innerhalb dieser Grundstücke war der Bebauungsschwerpunkt eindeutig in den straßennahen Zonen zu erkennen. Die Bauten waren anhand rechteckiger grubenartiger Vertiefungen entlang des Straßenrandes und einzelnen Gruben im Mittel- bzw. rückseitigen Teil der Parzellen bestimmbar. Diese ca. 1,8–2 × 2,5–3 m messenden quadratischen Objekte können wohl ebenfalls als Stein- oder Erdkeller bzw. Hüttengruben angesehen werden. Entlang der Südstraße beobachtete Steinfundamente von einräumigen Hütten stammten, wie in Mautern, wohl aus der Spätantike. Entlang der Straße waren auch noch mehrere einzeln stehende Steinstrukturen von 4,5 × 5–6 m zu erkennen, wahrscheinlich ebenfalls die Fundamente von kleineren spätantiken Häusern. Im Westen des Kastells wurde eine Fläche von ca. 2,7 ha untersucht, wobei Gebäudereste bis auf eine Entfernung von 370 m westlich der Lagermauer feststellbar waren. Es konnten in diesem Planquadrat zwar keine nennenswerten Mauerstrukturen und auch keine Straße erkannt werden, jedoch bezeugen über 200 Objekte eine intensive Nutzung des Areals durch eine Bebauung mit einfachen Hütten bzw. deren Unterkellerungen. Das westliche Areal dürfte aber kaum annähernd so dicht bebaut bzw. durch Straßen und Wege erschlossen gewesen sein wie jenes im Süden. Der Großteil der Mauerstrukturen wurde im Laufe der Zeit durch die intensive landwirtschaftlichen Nutzung fast vollständig abgetragen.

Gräberfeld

Etwa 280 m südlich des Lagertores endete der vicus und wurde von einem Gräberfeld mit mehreren einzeln stehenden rechteckigen Grabbauten bzw. -bezirken abgelöst. Ein Grabsteinfund aus der Flur „Haidbreiten“[34] ließ bereits vor Beginn der Messungen die Existenz einer kaiserzeitlichen Nekropole beim Kastell vermuten. Im gegenständlichen Areal waren bei der Prospektion drei Kreisgrabenanlagen unbekannter Zeitstellung aufgefallen. Diese Grabbauten wurden als ca. 4–5 m breite und bis zu 10 m lange Steineinfassungen identifiziert, die die Straße im Abstand von ca. 7 m begleiteten und auch, wie anhand der Luftbilder aus den 1990er Jahren erkennbar war, noch außerhalb des untersuchten Areals noch weiter nach Süden verliefen.

Straßenverbindungen

Südlich des Kastells wurde auch eine parallel zur Flanke des Kastells verlaufende 3 m breite Schotterstraße erkannt, die sich vor der Südwestecke des Lagers in eine weitere, ebenfalls nach Süden führende Straße mündete. Deren weiterer Streckenverlauf konnte nicht mehr geklärt werden. Vom Südtor des Kastells zog sich die bereits erwähnte 6,5 m breite geschotterte Hauptausfallsstraße ebenfalls nach Süden, und konnte noch über eine Länge von 300 m verfolgt werden.

Oppidum

Grundriss Haus D mit Heizkanal und Praefurnium

Durch die Armeereformen unter Diokletian und Konstantin I. wurde das Heer im 4. Jahrhundert n. Chr. in stationäre Einheiten (Limitanei) und mobile Truppen (Comitatenses) getrennt. Die Soldaten in den Grenzkastellen wurden nun zu sesshaften Bauern und Grundbesitzern, die sich weitgehend selbst versorgten. Durch den kaiserlichen Erlass von 349[35] war es auch deren Angehörigen gestattet worden im Lager zu leben. All diese neuen Umstände leiteten die langsame Entwicklung der Kastelle zu befestigten Zivilsiedlungen ein wie sie auch in der Vita Sancti Severini[36] beschrieben werden.

Diese Transformation machte wohl auch das Lager von Zwentendorf durch. Wie bei anderen Kastellen am norischen und oberpannonischen Limes (Cannabiaca, Gerulata) fanden sich in Zwentendorf jedoch keine Anzeichen dafür, dass sich die Garnison in einem Burgus zurückgezogen hatte. Dies deutet darauf hin, dass die Siedlung auch als oppidum für die damaligen Verhältnisse noch recht groß und bedeutend war.

In der Endphase des Lagers wurden aber keine umfangreichen Umbauten mehr vorgenommen. Man besserte notdürftig Schäden aus, den noch vorhandenen Altbestand passte man den neuen Bedürfnissen so weit als möglich an. An den Grundmauern der Kasernen befanden sich in unregelmäßigen Abständen Pfostenlöcher die von nachträglich angebrachten Abstützungen stammen könnten. Wahrscheinlich waren durch das Gewicht der Ziegeldächer die Wände schon brüchig geworden und mussten abgepölzt werden. Bei der principia wurden ebenfalls Pfostenlöcher beobachtet die zu einem größeren Holzhaus (Haus A ?) gehört haben müssen. Sein Grundriss konnte jedoch nicht mehr rekonstruiert werden. Auch das ursprüngliche Bebauungsschema wurde nicht mehr eingehalten, die neuen Holzgebäude wurde quer über den Resten ihrer Vorgänger erbaut. Man hielt die herkömmliche Einteilung wahrscheinlich nur so lange aufrecht wie auch dessen Bauwerke noch zu gebrauchen waren. Dort wo eine Weiterverwendung nicht mehr möglich war wurden sie abgerissen und durch einfachere Behausungen ersetzt.

Das Kastell der Steinperiode II war für einen Angreifer ohne schwere Belagerungsgeräte und gegen den Widerstand von entschlossenen Verteidigern im schnellen Sturm nicht einzunehmen. Der Fall der Festung konnte nur durch Aushungern der Besatzung oder Verrat erreicht werden. Zu ersteren waren die landsuchenden Beutegemeinschaften der Völkerwanderungszeit aber nur äußerst selten in der Lage. Die Anlagen mussten aber im Gegenzug von der Besatzung auch regelmäßig in Stand gehalten bzw. gewartet werden, was nur mit einem großen Personalaufwand zu bewerkstelligen war. Dementsprechend mussten auch genügend Soldaten für die Besetzung von Toren, Türmen und Wehrmauern vorhanden sein. Laut dem Chronisten der Severinsvita, Eugippius[37], war jedoch gerade dieses Erfordernis im späten 5. Jahrhundert n. Chr. zu einem großen Problem geworden.

Diese Zustände erklären vielleicht eine bemerkenswerte Beobachtung die bei den Ausgrabungen in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gemacht werden konnte. Die beiden Hufeisentürme der Südmauer waren, wie schon erwähnt, noch in der Spätantike bis in die Fundamente abgetragen worden und hatten so Platz für einen neuen Wehrgraben geschaffen. Diese Abbrucharbeiten mussten der damaligen Besatzung aber große Mühen bereitet haben, da dem Gussmauerwerk selbst mit modernen Sprengstoff nur schwer beizukommen waren. Der Grund für ihren Abbruch kann nur in dem Umstand liegen, dass diese Türme durch die stark zusammengeschrumpfte Garnison des Kastells nicht mehr ausreichend bemannt werden konnten. Auch der südwestliche Eckturm musste wohl deswegen abgetragen werden. Davon verschont blieben nur der mittlere West- und der Südostturm.

Auch das Haupttor dürfte in der Spätzeit des Kastells in den Osten verlagert worden sein. Sondagegrabungen zeigten, dass an der Ostflanke ein weiterer unregelmäßiger Graben, wohl nur provisorisch, angelegt wurde der an einem circa 6 × 6 m großen turmähnlichen Gebäude endete, von dem jedoch fast nichts erhalten geblieben war. Ein anderer, sehr ähnlicher, Graben kam von Süden bis an den o. e. Turm heran. Beide endeten in einer flachen seichten Rundung um wohl die Grundfesten dieses Turmes nicht zu gefährden. Aufgrund ihrer provisorischen Bauweise datiert die Ausgräberin die Gräben in das 5. Jahrhundert n. Chr.

Wachtürme Maria Ponsee

Maria Ponsee liegt ungefähr 18 km westlich von Tulln. Der Ort zählt verwaltungstechnisch zur Gemeinde Zwentendorf. 1972 stieß man im Zuge von Kommassierungsarbeiten zur Einplanierung verlandeter Donauarme neben römischen Funden auch auf die Überreste von zwei Wachtürmen.[38] Der südliche, kleinere Turm lag auf einer flachen Erhebung, eine Niederterrasse der Donau die hier in der Antike eine Auenlandschaft bildete, der andere ungefähr 50 m weiter westlich am Abhang des Donaugrabens. Etwa 1 km südöstlich war 1965–1966 auch ein Gräberfeld in der Sandgrube Penner bei Oberbierbaum untersucht worden.

Befund

Etwas nördlich des Areals befand sich ein alter von West nach Ost verlaufender Donauarm, der in der Antike etwas näher am Turm vorbeifloß. Die Mauer des jüngeren Südturmes (6 × 3 m) war aus Bruchsteinen zusammengefügt, das auch etwas Konglomerat enthielt und war in eine 30 cm starke Schotterlage eingebettet. Die Mauerstärke betrug bis ca. 80 cm. An der Südfront zeigte sich noch eine kleine Ausbuchtung. Weiters konnte ein kreisförmiger Graben festgestellt werden. Eine Fundstelle im nördlichen Graben war mit Abfall gefüllt.

Der westliche Turm, etwas tiefer liegend, ca. 3 × 6 m im Geviert, war mit seiner Breitseite dem Donauarm zugewandt. Sein Mauerwerk bestand ebenfalls aus Bruchsteinen mit Kies und Rollschotter in schwacher Mörtelbindung. Sein Nordwestteil fehlte gänzlich, es zeigten sich hier auch Schwemmsandablagerungen, wahrscheinlich war er durch ein Hochwasser zerstört worden. Nach der Überschwemmung durch die nahen Donauarme erfolgte offenbar die Errichtung des zweiten, größeren Turmes auf höherem Terrain. Zusätzlich umgab je eine kreisrunde Bewehrung aus Gräben und Palisaden die Türme die eine Fläche von 15 m im Durchmesser umschlossen.

Funktion und Datierung

Die Funktion ist unbekannt, die Datierung unsicher. Aufgrund der kreisförmigen Palisadenumwehrung vermutet Hannsjörg Ubl die Errichtung des älteren, westlichen Turmes im Zeitraum vom 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr.

Denkmalschutz

Die Anlagen sind Bodendenkmäler im Sinne des Denkmalschutzgesetzes.[39] Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden ohne Genehmigung des Bundesdenkmalamtes stellen eine strafbare Handlung dar. Zufällige Funde archäologischer Objekte (Keramik, Metall, Knochen etc.) sowie alle in den Boden eingreifenden Maßnahmen sind dem Bundesdenkmalamt (Abteilung für Bodendenkmale) zu melden.

Verweise

Anmerkungen

  1. [OF]ficinia [A]uxiliares [R]ipenses [N]orica = „Verwaltung der Norischen Grenztruppen“ (nach Titus Kolnik, 1977).
  2. Nach den Kleinfunden nach zu schließen wurde dieses erste Steinlager wohl in der selben Zeitperiode umgebaut wie die benachbarten Kastelle von Tulln, Traismauer und Mautern. Die Bauinschrift von Traismauer von 140/144 entpuppte sich später allerdings als Weihinschrift und stand mit der Errichtung des erstigen dortigen Steinlager in keinem Zusammenhang (Herma Stiglitz, 1979, S. 49).
  3. vgl. dazu auch U-Turm Klosterneuburg
  4. Die Reste eines Estrichbodens lagen tiefer als das Fundament und gehörten einer früheren Periode an.
  5. Bei der Freilegung des Postamentes kamen auch Wandmalereien in weiß, grau und rot ans Licht die allerdings aus einer früheren Bauperiode stammten

Einzelnachweise

  1. Herma Stiglitz, 1975, S. 22
  2. Segmentum/IV/5.
  3. Notitia Dignitatum, Occ. XXXIV/XXXXV, Eugippius, Vita Sancti Severini, 1
  4. Herma Stiglitz: 1973 c, S. 48
  5. 1895, S. 248ff
  6. F. X. J. Schweickhart: 1831–1861
  7. Herma Stiglitz, 1975b, Abb. 3.
  8. Friedrich v. Kenner: 1868/69.
  9. Gertrud Pascher: 1949, S. 188.
  10. 1952, S. 125.
  11. Fundberichte aus Österreich. Band 6, 1951–55, S. 102.
  12. Stiglitz 1975, S. 11.
  13. H. Stiglitz 1975, S. 12.
  14. Stiglitz 1975, S. 11f. und Beilage 2.
  15. H. Stiglitz 1975, S. 19ff.
  16. H. Stiglitz 1975, S. 18f.
  17. H. Stiglitz. In: Der Römische Limes in Österreich, 1975, S. 30ff.
  18. H. Stiglitz. In: Der Römische Limes in Österreich, 1975, S. 28ff.
  19. Herma Stiglitz. In: Der Römische Limes in Österreich, 1975, S. 36ff.
  20. Fundberichte aus Österreich, 20, 1981, S. 522.
  21. Herma Stiglitz 1975, S. 47ff
  22. vgl. W.Schleiermacher: Der römische Limes in Deutschland, 1959, S. 95
  23. errechnet nach der Tiefe des Grabens
  24. FIG IVENSIANA LEG II ITALICA
  25. officina Yvensiana
  26. CIL 16, 69 vom 17. Juli 122
  27. CIL 16, 26
  28. CIL 3, 5086
  29. CIL 3, 5472
  30. Kurt Genser, 1986, S. 348
  31. CIL 3, 5613
  32. CIL 16, 52
  33. Notitia Dignitatum, Occ. XXXIV 13, Tribunus cohortis in Asturis,
  34. Parzelle Nr. 685
  35. Codex Theodosiani VII, 3, am 3. Mai 349
  36. Kapitel 31
  37. Vita Sancti Severini, Cap. 4
  38. Parzelle Nr. 487
  39. Denkmalschutzgesetz auf der Seite des Bundesdenkmalamtes

Literatur

  • Herma Stiglitz: Das römische Donaukastell Zwentendorf in Niederösterreich (die Ausgrabungen 1953–1962), in: Der römische Limes in Österreich, Band 26, 1975, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 47–97,
  • Kurt Genser: Die Entwicklung des römischen Limes an der Donau in Österreich, Salzburg 1975.
  • Kurt Genser: Der österr. Limes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht (Dissertation) Salzburg 1982, Teil II.
  • Kurt Genser: Der österreichische Donaulimes in der Römerzeit. Ein Forschungsbericht. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1986, ISBN 3-7001-0783-8, (Der römische Limes in Österreich, 33), S. 336–351.
  • Manfred Kandler und Hermann Vetters (Hrsg.): Der römische Limes in Österreich. Wien 1989.
  • Franz Hampl, Herma Stiglitz: Kurzführer zu den Ausgrabungen in Zwentendorf, Das römische Kastell Pirotorto. Ein Gräberfeld aus dem 10.–11. Jh. Ein mittelalterl. Erdwerk, Wien 1961, Kulturreferat des Amtes der NÖ Landesregierung, S. 3–9.
  • Stefan Groh, Helga Sedlmayer: Die Vici von Mautern und Zwentendorf – ein Vergleich norischer Kastellvici, darin: Forschungen im Vicus Ost von Mautern-Favianis, Der Römische Limes in Österreich, Band 44 (2006) S. 174–178.
  • Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Horst Wolfgang Böhme (Hrsg.): Burgen der Salierzeit, Teil 2, In den südlichen Landschaften des Reiches, Monographien, Band 26, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen, 1991,
    • darin: Erik Szameit: Der Krottenturm bei Zwentendorf, über die Weiterverwendung zweier spätantiker Wehrbauten des Österreichischen Donaulimes im Mittelalter: Zwentendorf und Tulln, S. 377–387.

Siehe auch

Weblinks


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