Cerha

Cerha

Friedrich Cerha (* 17. Februar 1926 in Wien) ist ein österreichischer Komponist und Dirigent.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Cerha erhielt seine Ausbildung an der Wiener Musikakademie (Violine, Komposition, Musikerziehung) und an der Universität Wien (Musikwissenschaften, Germanistik, Philosophie). 1958 gründete er gemeinsam mit Kurt Schwertsik das Ensemble die reihe, mit dem er ein wichtiges Instrument zur Verbreitung zeitgenössischer Musik in Österreich schuf. Neben seinen Kompositionen festigte Cerha seinen Ruf als Interpret Bergs, Schönbergs und Weberns; die Affinität zu den Werken der Zweiten Wiener Schule gipfelte in der Fertigstellung von Alban Bergs Oper Lulu, für die Cerha die Instrumentation des 3. Akts vollendete und die Lücken ergänzte (Uraufführung unter Pierre Boulez, Paris 1979).

Ab 1959 war Cerha Lehrer an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und von 1976 bis 1988 dort Professor für "Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik". Zu seinen Schülern zählen unter anderem Georg Friedrich Haas, Dirk D'Ase und Karlheinz Essl.

Der auch im hohen Alter weiterhin kompositorisch tätige Cerha tritt vor allem als Komponist orchestraler Werke und von Bühnenwerken (u. a. Baal, Der Rattenfänger) in Erscheinung, wobei die Uraufführung von Der Riese vom Steinfeld, - ein Auftragswerk der Wiener Staatsoper nach einem Text von Peter Turrini - im Juni 2002 einen seiner jüngsten Erfolge darstellt. Weitere Erstaufführungen seiner Werke fanden im Januar 2006 (Impulse für großes Orchester, ein Auftragswerk der Wiener Philharmoniker zum 150-jährigen Jubiläum ihres Bestehens) sowie im März 2006 (das Konzert für Sopransaxophon und Orchester aus dem Jahre 2004) statt. Cerha gilt inzwischen auch aus internationaler Sicht als der bedeutendste zeitgenössische Komponist Österreichs, was sich 2006 in der Verleihung des "Goldenen Löwen" auf der Musik-Biennale Venedig ausdrückte.

Stil

Nach Kriegsende hat sich Cerha zunächst mit dem im Konzertleben und Unterrichtsbetrieb vorherrschenden Neoklassizismus auseinandergesetzt (das 1947/1948 geschriebene, 1954 überarbeitete Divertimento ist eine Hommage an Strawinsky). Später wurden die Werke Anton Weberns und ab 1956 die seriellen Techniken der Avantgarde zu Ausgangspunkten für weitere selbständige kompositorische Entwicklungen (Relazioni fragili, Espressioni fondamentali, Intersecazioni).

Mit Mouvements, Fasce und seinem Spiegel-Zyklus (1960/1961) hat er sich eine von traditionellen Formulierungen gänzlich freie Klangsprache geschaffen. Sie unterscheidet sich von scheinbar Ähnlichem in gleichzeitig und unabhängig davon entstandenen Werken von Ligeti oder Penderecki vor allem dadurch, dass fassbare Entwicklungsvorgänge eine entscheidende Rolle spielen und im Verein mit nicht-linearen Prozessen großformale Zusammenhänge stiften, die das Gesamtwerk zu einem kohärenten System, zu einer Art Kosmos werden lassen. Im bisher nicht realisierten "Welttheater"-Konzept zu den Spiegeln entsprechen quasi aus raum-zeitlicher Distanz betrachtete Verhaltensweisen der Masse '"Mensch" den musikalischen Vorgängen in Massenstrukturen.

Im Bühnenstück Netzwerk, auf der Basis der bewusst heterogenes Material einbegreifenden Exercises (1962-1967) entstanden, wechseln die Perspektiven zwischen Massenreaktionen und wie unter dem Mikroskop herangezogenen Individualbereichen. Stilistisch und strukturell regressive Elemente brechen in eine puristische Klangwelt ein und schaffen komplexe Verhältnisse von Störung und Ordnung in einem Organismus, der dem Bild einer "Welt als vernetztes System" entspricht.

Nach einer Reihe von Instrumentalwerken, die im Interesse einer Erweiterung des ihm verfügbaren Materials direkten Bezug auf historische Idiome nehmen (Curriculum, Sinfonie), sind in der Oper Baal (1974-1980) alle bisher erreichten Strukturformen nahtlos ineinander verwoben. Der einzelne tritt nun provokant ins Zentrum des Interesses, aber die Palette reicht von spiegelähnlichen Klangfeldern, die für Urgrundhaftes stehen, bis zu eindeutig artikulierten melodisch-harmonischen Gestalten, in denen sich das differenzierte Beteiligtsein des Individuums äußert. In der Oper Der Rattenfänger (1984-1986) werden zusätzlich vor allem polyrhythmische Bildungen mit leitmotivischer Bedeutung für Aufruhr und Unruhe integriert. Eine Wiederaufnahme von Auseinandersetzungen mit verschiedenen Formen von Folklore, schon im Frühwerk feststellbar, bezieht sich in kleineren Arbeiten wie den Keintaten (1982-1984, nach Ernst Kein) und Chansons (u. a. nach Texten der Wiener Gruppe) auf eine Stilisierung und Verfremdung des Wiener Idioms. In den zum Teil mikrotonalen Streichquartetten verstärken hingegen Einflüsse aus außereuropäischer Musik die Tendenzen zu polyrhythmischen und -metrischen Bildungen. Die letzten Werke (Langegger Nachtmusik III, Drittes Streichquartett) bestätigen erneut, dass es Cerhas - schon 1962 einsetzendes - Interesse bleibt, eine Vielfalt von heute Erfahrbarem in komplexen musikalischen Organismen zu bewältigen.[1]

Auszeichnungen

Werkauswahl

  • Opern
  • Requiem für Hollensteiner, 1982/83
  • Spiegel I-VII, 1960-72
  • Netzwerk, 1981
  • Baal-Gesänge, 1983
  • Keintaten, 1983 ff.
  • Fünf Stücke für Klarinette in A, Violoncello und Klavier, 1999-2000

Weblinks

Quellenangaben

  1. Komponisten der Gegenwart (KDG): Lexikon-Artikel Friedrich Cerha (Werner Grünzweig)

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