Neige

Neige
Das Trinken der Neige (sogenanntes „Boden-hoch“)

Unter Neige versteht man im engeren Sinne entweder einen Zustand kurz vor der Leerung oder einen verbliebenen Rest selbst. Aus der Übertragung der „Neigung“ eines Gefäßes (beispielsweise eines Fasses), um auch die letzte Flüssigkeit entnehmen zu können, wurde die Tätigkeit des Neigens auf die verbliebene Flüssigkeitsmenge übertragen. Im weiteren Sinne bezeichnet die Neige alles, was kurz vor der Leerung oder seinem Ende steht, beispielsweise ein Zeitalter oder ein Geldbetrag.

Da der Rest im Falle von Wein- oder Bierfässern durch sedimentierte Feststoffe (Hefen, Weinstein etc.) meist getrübt ist, wird Neige meist mit einer negativen Konnotation versehen (Die Gottlosen trinken die Neige aus[1]). Daher wird in verschiedenen Trinksitten jenem das Recht auf einen frischen Antrunk beispielsweise bei einem Rundgesang und Trunk aus einem Trinkhorn zugestanden, der zuvor auch die schlechtere Neige austrank. Umgekehrt wurde sprichwörtlich, dass der Genuss des frischen Antrunks auch die Bürde der Neige begründe (Wer vom frischen getrunken, muß auch die Neigen trinken [2]). Diese Sitte findet sich auch in makkaronischer Dichtung in einem Vers des sogenannten Zanower Rechts: Qui bibit ex neigas, de frischibus incipit ille.[3]

Die Neige in einem Trinkhorn, einem großen Trinkgefäß oder auch nur einem Trinkglas wird oft auch als „Rest“ bezeichnet. In der Studentensprache seit dem 18. Jahrhundert wird dem Trinken dieses Restes oder dieser Neige eine besondere rituelle Aufmerksamkeit zuteil, seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ist in Ansehung der geringen Menge einer Neige und auch in Anlehnung an die geringe Wertigkeit des (trüben) Restes der feststehende Ausdruck „schäbiger Rest“ gebräuchlich.[4] Bereits im Jus potandi des Richard Brathwaite (1616) wird das Austrinken der Neige mit Ritualen, zu singenden Abschiedsliedern oder speziellen Verpflichtungen für den Leertrinkenden verknüpft. Da ab dem 16. Jahrhundert auch in der Studentensprache große Trinkgefäße jeglicher Art allgemein auch als „Kanne“ (lat. canna: Rohr, Gefäß) bezeichnet wurden, verbreitete sich das Synonym „Kannenglück“ für die Neige, welches jedoch schon im niederdeutschen kannengluk belegt ist[5]. Aus dieser Bezeichnung für die Neige eines Trinkgefäßes leitet sich auch Kanluk und Kannegeluk im Niederländischen, pot-luck im Englischen und sönnelykke im Dänischen ab.

Im Trinkbrauch des sogenannten Hospitiums wird 1747 die hefehaltige Neige im Glas abfällig auch als „Philister“ bezeichnet, ebenso wie der verharzte Rest in einer ausgerauchten Tabakspfeife.[6]

Quellen

  • Jacob und Wilhelm Grimm: Das Deutsche Wörterbuch, „Neige“, Band 13, Spalte 565ff
  • Blasius Multibibus (d.i. Richard Brathwaite): Jus Potandi, oder Zechrecht, Leipzig 1616

Einzelnachweise

  1. Christoph Ernst Steinbach: Vollständiges Deutsches Wörter-Buch, Breslau 1734 Band 2, 116
  2. Karl Simrock: Die deutschen Sprichwörter, 1846
  3. Karl Simrock: ebd. nach: F. Hasemann: Über den pommerschen Trink-Convent vor 400 Jahren in der Oderzeitung, Stettin 1867
  4. Christian Helfer: Kösener Brauch und Sitte, Saarbrücken 1991, S. 172
  5. Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart. 2. Aufl. Leipzig 1793-1801, Band 2, 733
  6. vgl Friedrich Kluge: Deutsche Studentensprache, Straßburg 1895, S. 114

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