Volksbefreiungsarmee (Jugoslawien)

Volksbefreiungsarmee (Jugoslawien)

Die Volksbefreiungsarmee (serbisch/kroatisch: Narodnooslobodilačka vojska, NOV; auch Tito-Partisanen) war eine kommunistische Partisanenorganisation in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs. Sie kämpften von 1941 bis 1945 gegen die nationalsozialistischen bzw. faschistischen Besatzungsmächte Deutschland und Italien, die kroatischen faschistischen Ustascha, und kroatische Heimwehr (Domobrani), slowenische Heimwehr (Domobranzen), gegen die serbischen nationalistisch-monarchistischen Tschetniks und später auch gegen die italienischen, deutschen (AVNOJ-Beschlüsse) und ungarischen Minderheiten (Délvidéki vérengzések).

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Am 27. Juni 1941 beschloss das Zentralkomitee der KPJ, bei einer Sitzung in Belgrad, die Gründung des Hauptstabes der Volksbefreiungsbewegung, unter Titos Führung.[1]
Die jugoslawische Volksbefreiungsarmee war eine kommunistisch dominierte Volksbewegung, welche aus einem Bündnis verschiedener Gruppen und Parteien bestand. Die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) übernahm von Anfang an eine organisatorische Führungsrolle, nicht zuletzt wegen ihrer großen Erfahrung als Untergrundbewegung. Die KPJ hatte sich schon 1934 für eine föderative Staatsordnung mit der Gleichberechtigung aller Völker eingesetzt, was es wohl den Mitgliedern der verschiedenen Nationalitäten einfacher machte, sich unter ihrer Führung zu vereinigen.

Am 4. Juli 1941 rief Tito den allgemeinen Aufstand aus und stellte Partisaneneinheiten auf. Die erste offensiv und überregional agierende gesamtjugoslawische Kampfeinheit die Erste Proletarische Brigade wurde am 21. Dezember 1941 gegründet.[2] Nachdem Serbien Ende 1941 von den Besatzungsmächten erobert wurde flohen die Partisanen unter Tito nach Ostbosnien. Dort gelang es den anfänglich serbisch-montenegrinisch geprägten Aufstand in eine multinationale Volksbefreiungsbewegung zu transformieren.[3] Die zweite Einheit wurde am 1. März 1942 gegründet und bis Ende des Jahres folgten 21 weitere, 500 bis 600 Mann starke, Kampfeinheiten. Ab Ende 1942 bezeichneten sich die Verbände als „Volksbefreiungsarmee“.[4]

Kampf gegen die Besatzer

Unter der Führung von Josip Broz, genannt Tito, erkämpften sich die Partisanen im Schatten der alliierten Luftangriffe die Befreiung vom Faschismus und die Wiederherstellung Jugoslawiens in neuer Form als sozialistischer Bundesstaat (Föderative Volksrepublik Jugoslawien).

Die Partisanen waren anfangs schlecht und meist nur mit Flinten ausgerüstet, später änderte sich dies durch Beutewaffen, Überläufer und die Unterstützung der Alliierten, die Ausrüstung und Waffen abwarfen. Während die Partisanen 1941 nur kleine Gebiete kontrollierten, wurden diese Gebiete bis 1943 immer größer. Die Kampftaktiken der Partisanen waren der Zermürbungskrieg und die Sabotage beim Feind. Deutsche Truppen schlugen mit großer Brutalität zurück, konnten die Partisanen aber kaum abhalten, immer mehr Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen.

Beziehungen mit den Alliierten

Die Westalliierten sahen zunächst noch die jugoslawische königliche Exilregierung in London und die königstreuen Tschetniks als rechtmäßige Vertreter des besetzten Jugoslawien an. Erst als die militärischen Erfolge der Partisanen und die Kollaboration der Tschetniks mit den Besatzern bekannt wurden, führte dies zur umfassenden Anerkennung und Unterstützung durch die Alliierten. Zwischen 1942 und 1943 schwenkte auch Großbritannien schrittweise auf eine Unterstützung der Tito-Partisanen um, die es inzwischen als die stärkere Widerstandsgruppe ansah.

Im Oktober 1944 einigten sich Stalin und Churchill auf einen jeweils fünfzigprozentigen Einfluss in Jugoslawien. Tito aber hatte bereits einen Monat zuvor mit Stalin die Modalitäten des Einmarsches der Roten Armee besprochen. Am 20. Oktober 1944 wurde Belgrad durch jugoslawische Truppen überraschend eingenommen, nachdem Tito zuvor durch eine List die sowjetischen Verbündeten von einem Einmarsch in die Hauptstadt abgehalten hatte. In Kroatien und Slowenien dauerten die Kämpfe gegen die slowenische und kroatische Heimwehr des Ustascha-Regimes noch bis zum Frühling 1945 an.

Das Bewusstsein, das Land selbst befreit zu haben, trug wohl auch zum Bruch zwischen Tito und Stalin 1948 bei.

Neugründung Jugoslawiens

Schon während des Krieges kontrollierten die Partisanen große Teile Jugoslawiens. 1943 wurden auf der zweiten Tagung des Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugoslawiens (Antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Jugoslavije, kurz AVNOJ) in Jajce (Bosnien-Herzegowina) die Grundlagen der späteren Föderativen Volksrepublik Jugoslawien beschlossen. Die Partisanen befreiten Jugoslawien weitgehend ohne sowjetische Hilfe, allerdings mit großen Verlusten. Deutsche Vergeltungsmaßnahmen an der Zivilbevölkerung, der Genozid der Ustascha und die Kampfhandlungen im Allgemeinen forderten schätzungsweise mindestens 500.000 Opfer.

Unter Vermittlung von Großbritannien wurde 1944 eine neue jugoslawische Regierung als Koalitionsregierung aus Vertretern der Partisanen und der Exilregierung gebildet. Da die Kommunisten unter der Führung von Tito mit dem Oberbefehl über die Volksbefreiungsarmee die tatsächliche Macht ausübten, konnten sie auch andere Schlüsselpositionen besetzten und so die Oberhand in der neuen Regierung gewinnen. Mit Errichtung regulärer Streitkräfte ging die Volksbefreiungsarmee in der Jugoslawischen Volksarmee (Jugoslovenska narodna armija, JNA) auf.

Nationale Zusammensetzung

Die Volksbefreiungsarmee setzte sich aus Angehörigen aller jugoslawischen Nationen zusammen. Nach Angaben Titos war die Volksbefreiungsarmee, im Frühjahr 1944, aus 44 % Serben, 30 % Kroaten, 10 % Slowenen, 4 % Montenegrinern und 2,5 % bosnischen Muslimen vertreten. Der Rest wurde von Angehörigen anderer Nationalitäten gebildet.[5]

Ausländische Kämpfer in NOV i POJ

Es existierten zahlreiche Verbände unterschiedlichster Nationalität, die sich dem Befreiungskampf der Jugoslawischen Partisanenverbände anschloßen. Die französische Kämpfer stellten die Partisaneneinheit Liberté die sich vor allem aus französischen Häftlingen des KZ Lagers Loibl und polnischen und russischen Zwangsarbeitern der „Kompania Stary" zusammensetzten.[6] Freiwillige aus Österreich und Deutschland kämpften in der NOV i POJ (Volksbefreiungsarmee und Partisanenverbände Jugoslawiens).[7] 5 österreichische Freiheitsbataillone (ÖFB) die von der Österreichischen Freiheitsfront aufgestellt wurden, wurden in Slowenien in der NOV i POJ eimgesetz,[8] davon das 3. Österreichische Battalion auch im österreichischen Kärnten, dass bei den Kämpfen nach Kapitulationstermin herbe verluste erlitt.[9]

Menschenrechtsverletzungen und Kriegsgräuel

Die Partisanen und ihre Rolle wurden im Nachkriegs-Jugoslawien mythologisiert und stellten einen wichtigen Teil des Selbstverständnisses des sozialistischen Jugoslawien dar. Die Rache an den ehemaligen Besatzern und den Kollaborateuren, als welche alle angesehen wurden die nicht aktiv am Widerstand beteiligt waren, und die damit einhergehende Vertreibung, Enteignung, Internierung und Ermordung von Gottscheern und Donauschwaben, ungarischen und italienischen Minderheiten (Foibe-Massaker) und die von der Volksbefreiungsarmee nach Kriegsende begangenen Verbrechen wie die Hinrichtungen von Kroaten, Slowenen und Serben, die als Massaker von Bleiburg bekannt wurden, wurden meist verschwiegen. Orte mit Massengräbern wie im Gottscheer Hornwald (Kočevski Rog), in Tezno bei Maribor oder der Barbara-Stollen von Huda Jama waren als militärische Sperrgebiete gegen die Öffentlichkeit abgeschirmt.

Andere Partisanengruppen

Am 22. Juni 1941 wurde im Wald Brezovica bei Sisak in Kroatien die erste Partisaneneinheit gegründet. Dies war die erste antifaschistische Militäreinheit nicht nur in Kroatien, sondern auch im ganzen späteren Jugoslawien und Südosteuropa. Heute ist dieser Tag in Kroatien ein Feiertag (Tag des antifaschistischen Kampfes).[10][11] Diese und andere Gruppen schlossen sich später der Volksbefreiungsbewegung unter Führung von Josip Broz, später Tito genannt, an und weiteten sich aus.

Siehe auch

Literatur

  • Barbara N. Wiesinger: Partisaninnen. Widerstand in Jugoslawien. L'homme Schriften 17. Böhlau Verlag, 2008.
  • Heinz Kühnrich, Franz-Karl Hitze: Deutsche bei Titos Partisanen 1941-1945. GNN-Verlag, Schkeuditz 1997, ISBN 3929994836. Rezension

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vlado Strugar: Rat i revolucija naroda Jugoslavije, 1941-1945, Militärhistorisches Institut Belgrad 1962, Seite 357
  2. Othmar Haberl: Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941-1945. 1974, S. 28.
  3. Holm Sundhaussen: Geschichte Jugoslawiens. 1982, S. 132.
  4. Friedrich Wiener: Partisanenkampf am Balkan. 1976, S. 112/113.
  5. Tito: Borba za oslobodjenje Jugoslavije 1941-1945 Beograd 1947, Seite 194
  6. Tišler Janko / Tessier Christian: Das Loibl-KZ. Die Geschichte des Mauthausen- Außenlagers am Loiblpass/Ljubelj, Wien 2007.
  7. Heinz Kühnrich, Franz-Karl Hitze: Deutsche bei Titos Partisanen 1941-1945. GNN-Verlag, Schkeuditz 1997, ISBN 3929994836. Rezension
  8. Holzer Willibald, Die österreichischen Bataillone im Verbande der NOV i POJ. die Kampfgruppe Avantgarde/Steiermark; die Partisanengruppe Leoben-Donawitz; die Kommunistische Partei Österreichs im militanten politischen Widerstand, Band I, Wien 1971
  9. Florian T. Rulitz: Die Tragödie von Bleiburg und Viktring. Partisanengewalt in Kärnten am Beispiel der antikommunistischen Flüchtlinge im Mai 1945. Hermagoras Verlag, Klagenfurt/Ljubljana/Wien, 2011. ISBN 978-3-7086-0616-3
  10. Dragutin Pavličević, Povijest Hrvatske, Naklada Pavičić, Zagreb, 2007., ISBN 978-953-6308-71-2, Seite 441-442
  11. Dragutin Pavličević: Povijest Hrvatske, S. 441–442, Naklada Pavičić 2000

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