Zwölfjähriger Jesus im Tempel (Bernhard Strigel)

Zwölfjähriger Jesus im Tempel (Bernhard Strigel)
 
Zwölfjähriger Jesus im Tempel
Bernhard Strigel, 1509
Tempera auf Holz, 84,5 cm × 54 cm
Antoniterkloster Memmingen

Zwölfjähriger Jesus im Tempel ist ein um 1509 entstandenes Bild des Malers Bernhard Strigel aus Memmingen, das von einem Altarretabel stammt, das die Sieben Schmerzen und Freuden Mariens zum Thema hatte. Es war für eine Kirche in Isny im Allgäu oder Aulendorf im Landkreis Ravensburg bestimmt.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Hintergrund der Darstellung

Die dargestellte Begebenheit des zwölfjährigen Jesus im Tempel wird im Evangelium nach Lukas (Lk 2,41-52 EU) beschrieben. Maria und Josef zogen wie jedes Jahr mit ihrem Sohn zum Passahfest nach Jerusalem. Bei ihrer Rückkehr verloren sie ihren Sohn, der ohne ihr Wissen im Tempel zurückblieb. Nach drei Tagen fanden sie ihn, wie er mitten unter den Schriftgelehrten saß, ihnen zuhörte und Fragen stellte.

Beschreibung des Bildes

Auf einem zweistufigen Podest steht ein goldener Thron. Purpurrote Gewandung, Barett, pelzverbrämter Mantel und schulterlanges Haar heben den obersten der Schriftgelehrten unter den anderen sechs hervor. Die Gesichtszüge dieses Anführers der Jerusalemer Priester-Aristokratie erinnern an den Habsburger Kaiser Maximilian I., den Strigel im Jahre 1515 in Wien anlässlich der Wiener Doppelhochzeit porträtierte. Er hat Jesus, dessen schlichter grauer Kittel („Knechtsgestalt“) in der mit Farben prunkenden Umgebung besonders auffällt, auf seinen Schoß genommen. Ein weiterer Schriftgelehrter (Pharisäer) sitzt Jesus gegenüber, beide deuten auf eine Stelle in der Thora. Ein älterer Jude mit Bart im Hintergrund hat drohend oder verwundert den Arm in die Höhe gestreckt.

Alle Fenster des Raums sind mit grünen Vorhängen abgedeckt. Es gibt keinerlei Ausblick auf eine Landschaft als Zeichen der irdischen Welt. Die Konzentration richtet sich ausschließlich auf die Interpretation der Schrift.

Ausgeschlossen vom Geschehen stehen Maria und Joseph am rechten Bildrand, den Rücken zum Betrachter und schauen der Szene zu, die sie „erstaunt“ und „betroffen“ macht, und deren Bedeutung Maria noch nicht verstanden hat, wie Lukas schreibt. Sie lenken den Blick des Betrachters, der zur Meditation über das Geschehen eingeladen wird, auf die Szene.

Maria, mit weißem Kopftuch und weitem roten Mantel über ihrem blauen Kleid, ist ebenso wie ihr Sohn durch einen goldenen Nimbus ausgezeichnet. Ganz am Bildrand steht Joseph, nicht wie ein Zimmermann gekleidet, sondern mit einem roten Mantel und einer zu Zeiten des Malers modischen gugelartigen roten Kopfbedeckung, wie sie in Kreisen der Aristokratie damals geschätzt wurde. Das Schwert in der Brust Marias ist ein ikonographisches Symbol der sieben Schmerzen, die Maria als Mutter Jesu erleiden musste. Ein solcher Schmerz ist der zeitweise Verlust ihres Sohnes auf der Pilgerfahrt nach Jerusalem.

Die Ikonographie der Freuden- bzw. Schmerzendarstellung Marias wird in der Kunst seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen. Im 15. und 16. Jahrhundert kommt es mit der Gründung spiritueller Bruderschaften zu einer Häufung des Bildthemas. Am Anfang gedachte man der fünf oder sieben Freuden. Die Schmerzen Mariens nahmen durch die intensive Meditation in der Anzahl zu. Sieben, zwölf, 15, 27, 50, sogar 150 Schmerzen wurden beschrieben. Im ausgehenden 15. Jahrhundert etablierte sich in Anlehnung an die sieben monastischen Gebetszeiten des Stundengebetes die Betrachtung von jeweils sieben Schmerzen und sieben Freuden.

Provenienz

Eingang Museum - Antoniter Kloster

Der ursprüngliche Klappaltar mit allen Bildern soll in Aulendorf oder Isny in einer der dortigen Kirchen vor dem reformatorischen Bildersturm aufgestellt gewesen sein. Das Altarbild ist seit 1883 im Bestand des Fürstlich Hohenzollerschen Museums in Sigmaringen nachweisbar. Danach gelangte es in Privatbesitz, bevor 1980 die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim es erwarb und der Stadt Memmingen als Leihgabe überließ.

Noch in weiteren Bildern hat sich Strigel mit den Themen der Schmerzen oder Freuden Mariens beschäftigt:

Thema Museum
Grablegung Christi Staatsgalerie Stuttgart
Krönung Mariens Staatsgalerie Stuttgart
Beweinung Christi Strigel-Museum Memmingen
Verehrung Marias Ulmer Museum

Text der Schrifttafel

Der Text auf der Tafel lautet in lateinischer und hochdeutscher Sprache:

Non minor tristicia sequitur theotocum sanctam
Cum inter amicos nec notos claresceret ipse
Qui varios disputationum nodos solvebat in scolis
Tridua maerorem attulit amissio matri


Nicht geringere Traurigkeit wird der heiligen Gottesmutter zuteil,
ob auch unter Freunden und Bekannten sich leuchtend hervortat jener,
der verschiedene Knoten der Disputationen in den Schulen löste;
der dreitägige Verlust fügte der Mutter Betrübnis zu.

Literatur

  • Gertrud Otto: Ivo und Bernhard Strigel, Hans Thoman. In: Memminger Geschichtsblätter. 1967, ISSN 0539-2896, S. 23–28.
  • Melanie Thierbach: Führer durch das Strigel-Museum Memmingen. Herausgegeben von der Stadt Memmingen, Memmingen 1998.

Weblinks

 Commons: Bernhard Strigel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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