James Graham (Quacksalber)

James Graham (Quacksalber)

James Graham (* 23. Juni 1745 in Edinburgh; † 23. Juni 1794 in Edinburgh) war ein schottischer Arzt. In der Literatur wird er oft als Quacksalber und Exzentriker beschrieben. Er behandelte Patienten mit „magnetischen Kuren“, entwickelte unkonventionelle Sexualtherapien und eröffnete in London einen „Tempel der Gesundheit“, in dem er ein Himmlisches Bett aufstellte und wo auch die junge Emma Hamilton unbekleidet aufgetreten sein soll. In seinen späteren Lebensjahren wurde er ein christlicher Eiferer und Pamphletist.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und erste medizinische Tätigkeit

James Graham war der Sohn des schottischen Sattlers William Graham und dessen Gattin Jean. Er absolvierte eine Ausbildung in Medizin an der Universität Edinburgh, die damals auf diesem Gebiet als führend in Europa angesehen wurde. Im Verlauf seines Studiums hörte er Vorlesungen mehrerer Professoren der Medizin, so Alexander Monro I., William Cullen und Robert Whytt, ohne jedoch einen Abschluss zu erreichen. Trotzdem legte er sich später den Doktor-Titel bei. Im Alter von 25 Jahren feierte er seine Hochzeit mit Mary Pickering. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor.

1770 verließ Graham die Britischen Inseln und begab sich nach Nordamerika in das Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten, die damals noch zum britischen Kolonialreich gehörten. Dort arbeitete er als Augen- und Ohrenarzt. Er ließ sich für etwa zwei Jahre in Philadelphia nieder und erfuhr dort durch den aus England stammenden Forscher Ebenezer Kinnersley von den neuen Erkenntnissen, die der amerikanische Staatsmann und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin auf dem Gebiet der Elektrizität gemacht hatte. Dies war eine Grundlage für seine spätere ärztliche Behandlungsmethodik.

Bei den ersten Anzeichen für den Ausbruch der Amerikanischen Revolution verließ Graham 1774 die Neue Welt wieder und übte seinen Beruf zuerst in Bristol, dann im Kurort Bath und 1775 in London aus. Anfang 1777 praktizierte er wieder in Bath, vermarktete werbewirksam seine Kuren und erlangte durch seine Behandlung von Catherine Macaulay erste Bekanntheit. Als diese englische Historikerin und Feministin im Alter von 47 Jahren im Dezember 1778 eine Ehe mit dem erst 21jährigen William Graham, einem Bruder James Grahams, einging, erregte dies einen öffentlichen Skandal. James Graham behandelte u. a. um ihre Gesundheit besorgte Personen, die ihre Nerven angegriffen glaubten. Er setzte seine Patienten auf einen „magnetischen Thron“ oder in mit milden elektrischen Strömen durchflossene Bäder und ließ sie „elektrischen Äther“ einatmen, d. h. angeblich einem elektrischen Feld ausgesetzt gewesene Pflanzenextrakte.

Während einer Reise, die Graham im Sommer 1779 auf den europäischen Kontinent führte, besuchte er u. a. Paris. Dort wirkte in den folgenden Jahren auch der bekannte italienische Alchemist Alessandro Cagliostro, der ebenso wie Graham das damalige Interesse für Okkultismus ausnützen konnte. In Aachen, das ebenfalls auf Grahams Reiseplan stand, behauptete er, viele adlige Patienten zu deren Zufriedenheit behandelt zu haben.

Tempel der Gesundheit

Im Herbst 1779 eröffnete Graham im heutigen Londoner Stadtbezirk City of Westminster seinen sogenannten „Tempel der Gesundheit“ oder „Tempel des Äskulap“, der in den Adelphi Buildings nahe der Themse angesiedelt war. Er bewarb sein Etablissement erfolgreich und beschrieb auf Reklamezetteln die luxuriöse Innenausstattung des Tempels. Dazu gehörten komplizierte elektrische Apparate, ein durch Glassäulen isolierter „elektrischer Thron“ und als größte angepriesene Sensation ein „himmlisches Bett“, für dessen Benutzung pro Nacht der stolze Preis von 50 Pfund Sterling bezahlt werden musste. Dafür würden impotente Personen, die darin schliefen, angeblich ihre Zeugungsfähigkeit wiedererlangen. Eheleute sollten bei der Erfüllung ihres Kinderwunsches unterstützt werden. Das etwa dreieinhalb Meter lange und zweieinhalb Meter breite Bett war aufs Prächtigste mit Gold und Seide geziert. Damit verbundene Batterien von Magneten sollten eine kraftvolle Wirkung ausüben. Wer sich ins Bett legte, konnte auch erregende orientalische Düfte einatmen und zauberhafte Musik vernehmen. Eine eingravierte Botschaft forderte auf: „Seid fruchtbar, mehret Euch und füllet die Erde“. („Be fruitful, multiply and replenish the earth“)

Graham ließ in seinem Tempel auch schöne, spärlich bekleidete Mädchen auftreten, die als „Göttinnen der Gesundheit“ präsentiert wurden. Laut einem zeitgenössischen Werbeplakat erschien etwa die riesige Göttin Hygieia in antikisierenden Posen, die wundervoll singen könne. Auch die später als Geliebte des englischen Seehelden Horatio Nelson berühmt gewordene Emma Hamilton soll 1781, als sie noch ein junges Mädchen war und Emma Lyon hieß, in Grahams Tempel dem Publikum völlig nackt, nur mit einem lose fallenden Gazeschleier bedeckt, als Gesundheitsgöttin gezeigt worden sein.[1]

Der Gesundheitstempel wurde bald in ganz London bekannt. Graham war nur an zahlungskräftigen Kunden interessiert und verlangte daher fünf Schilling Eintrittsgeld. Zwei riesige Türsteher, die zwei Meter groß gewesen sein sollen, hielten die zahlreichen Schaulustigen fern. Die Damen, die den Tempel frequentierten, verbargen ihr Gesicht hinter einem Schleier, um nicht erkannt zu werden. Der Doktor hielt Vorlesungen, verkaufte seine Arzneien, propagierte angeblich heilsame Kuren wie Schlammbäder und gab therapeutische Ratschläge zu einem glücklichen Sexualleben, das die Voraussetzung für eine gesunde Existenz sei. Er sah die Erzeugung von Nachwuchs als patriotische Pflicht zur Vermehrung der Bevölkerung an und lehnte Prostitution und Masturbation vehement ab.

Graham wurde als Quacksalber und Scharlatan gebrandmarkt, so vom englischen Schriftsteller und Politiker Horace Walpole, der sich in einem aus dem August 1780 stammenden Brief abfällig über ihn äußerte. Spottgedichte, Zeitungssketche und satirische Theaterstücke wie George Colmans The Genius of Nonsense (1780) nahmen ihn auf die Schaufel.

Späteres Leben

Da sich Graham nach einiger Zeit seine Residenz in den Adelphi Buildings nicht mehr leisten konnte, zog er im Frühling 1781 in das an der Pall Mall gelegene Schomberg House um, wo er einen Temple of Health and Hymen einrichtete. Dennoch wuchsen seine Schulden, so dass sein Besitz im Dezember 1782 zum Zwangsverkauf angeboten wurde. Er konnte ihn aber größtenteils wieder zurückkaufen. Im Juli/August 1783 hielt er in Edinburgh seine schon in den Adelphi Buildings vorgetragene Lecture on Generation über sexuelle Gesundheit. Als er diese wegen unsittlichen Inhalts nicht mehr öffentlich wiederholen durfte, griff er die städtischen Behörden in einer Schrift heftig an. Kurzzeitig wurde er im Tolbooth-Gefängnis interniert, wo er vor den Häftlingen predigte. Nach seiner Entlassung am 19. August 1783 hielt er seine Vorlesungen in verschiedenen anderen Städten, wurde aber manchmal mit Auftrittsverboten belegt. Unter anderem hielt er sich 1786 wieder in Paris auf.

Seit etwa 1783 propagierte Graham nicht mehr so sehr Behandlungsmethoden mittels Elektrizität, sondern pries zunehmend „Erdbäder“ als erfolgreiche medizinische Therapie an. Bei öffentlichen Vorführungen ließ er sich nackt bis zum Kinn eingraben und erläuterte die Vorzüge von Erdbädern, die er ausführlich im Short treatise on the all-cleansing, all-healing, and all-invigorating qualities of the simple earth (1790) beschrieb. Er trat für eine vegetarische Lebensweise ein und lehnte zu viel Essen und Trinken ab.

Ab Ende der 1780er Jahre wandte sich Graham intensiv der Religion zu, bedauerte sein früheres extravagantes Leben und wurde ein christlicher Eiferer. Er demonstrierte auf Reisen quer durch Großbritannien seine Erdbäder-Therapie und predigte seine theologischen Ansichten. Zeitweise wurde er in seinem Haus in Edinburgh wegen Unzurechnungsfähigkeit eingesperrt. Anfang 1793 behauptete er, dass er mehr als zwei Wochen gefastet und nur kaltes Wasser getrunken habe; er hätte durchgehalten, indem er auf seinem nackten Körper Torf getragen und seine Gliedmaßen mit seinem ätherischen Balsam eingeschmiert habe.

An seinem 49. Geburtstag (23. Juni 1794) starb Graham unerwartet in seinem Haus in Edinburgh und wurde am Greyfriars Friedhof seiner Heimatstadt beigesetzt.

Literatur

  • Roy Porter: Graham, James (1745–1794). In: H. C. G. Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB), Band 23 (Goss - Griffiths), Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861373-3, S. 197–199, online, Stand: Januar 2006 (Lizenz erforderlich) (englisch)
  • George Thomas Bettany: Graham, James (1745-1794). In: Leslie Stephen, Sidney Lee (Hrsg.): Dictionary of National Biography (DNB), Band 22 (Glover - Gravet), MacMillan & Co, Smith, Elder & Co., New York City, London 1890, S. 323326 (englisch)
  • Gilbert Sinoué: Emma – Das Leben der Lady Hamilton. Piper Verlag, München 2005, ISBN 3-492-24102-6, S. 11ff. (französische Originalausgabe L’ambassadrice, Paris 2002).

Einzelnachweise

  1. Roy Porter (ODNB Bd. 23, S. 198) hält diese Geschichte für spätere Legendenbildung.

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