Schloss Bellin

Schloss Bellin
Schloss Bellin von der Parkseite im Sommer 2010

Das neobarocke Jagdschloss Bellin aus dem Jahre 1912 ist der Mittelpunkt einer großzügigen Gutsanlage in Bellin in Mecklenburg-Vorpommern und wird heute als Hotel und für Veranstaltungen genutzt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das 1912 vom Hamburger Unternehmer und Kaufmann Henry Brarens Sloman errichtete Schloss ersetzte das klassizistische Herrenhaus eines großen landwirtschaftlichen Betriebes in Bellin. Im Mai 1910 hatte Sloman diesen rund 1050 Hektar großen Betrieb für 1.475.000 Reichsmark von Gerhard Freiherr von Marschall gekauft[1], der ihn selber erst 1900 von Friedrich Gotthard von Pentz erworben hatte. Das von Sloman abgerissene Gutshaus war Anfang des 19. Jahrhunderts von Christian Friedrich von der Osten-Sacken anstelle einer älteren Wasserburg gebaut worden. Der heute noch bestehende, sogenannte „Goldfischteich“ im Park des Schlosses ist vermutlich ein Teilstück des damals nicht verfüllten Burggrabens.

Sloman hatte das Anwesen als seinen Altersruhesitz bestimmt; nach seinem Tode 1931 wurde er in einem von ihm errichteten Mausoleum in Bellin beigesetzt. Ab 1935 übernahm der älteste Sohn, Enrique Sloman, die Bewirtschaftung des Besitzes. Als 1940 auf der Ausstellung eines Hegerings eine kapitale Rothirsch-Trophäe aus der Belliner Eigenjagd gezeigt wurde, wurde der Reichsjägermeister Hermann Göring auf den wildreichen Besitz aufmerksam und bot der Familie Sloman vergebens an, ihnen das Gut abzukaufen. Im Jahr 1941 wurden Gebirgsjäger einquartiert, die auf dem Weg zum Einsatz nach Norwegen waren. In den Jahren 1944 und 1945 wurden Schüler aus Rostock im Schloss untergebracht, um sie vor Bombenangriffen zu schützen.

Zu Kriegsende 1945 bezogen zunächst russische Truppen das Gebäude. Dabei wurde die Inneneinrichtung geplündert und das Mausoleum geschändet.[2] 1950 wurde eine Verwaltungfachschule im Schloss eingerichtet, in der rund 90 Schüler ausgebildet wurden. 1951 brannte der Dachstuhl des Schlosses aus ungeklärter Ursache ab. Von 1963 bis 1979 befand sich im Schloss eine Außenstelle der Bezirksparteischule Schwerin.[3]

Namibische Flüchtlingskinder

Am 18. Dezember 1979 kamen über Berlin-Schönefeld zunächst achtzig namibische Kinder im Kindergartenalter nach Bellin. Kurzfristig war das Schloss auf Betreiben von Margot Honecker als Kinderheim eingerichtet worden.

Nachdem am 4. Mai 1978 südafrikanische Truppen das SWAPO-Hauptquartier in Cassinga angegriffen hatten, war SWAPO-Präsident Sam Nujoma an das Zentralkomitee der SED mit der Bitte herangetreten, Teil- und Vollwaisen sowie Flüchtlingskinder aufzunehmen, um sie so vor der südafrikanischen Besatzungsmacht in Sicherheit zu bringen. Die DDR-Führung unterstützte das Projekt in der Hoffnung, dass Namibia zukünftig ein kommunistischer Staat werden würde und sah die Ausbildung der Kinder zu zukünftigen Kadern dieses Staates vor.

Im Rahmen des Programmes kamen bis 1986 rund 430 namibische Kinder in die DDR. In Bellin wurden insgesamt 298 von ihnen untergebracht. Nach Beendigung der Grundschulklassen wurden sie von Bellin dann zur weiterführenden Schulbildung nach Staßfurt verlegt. Die Erziehung der Belliner Schlosskinder erfolgte durch namibische und deutsche Lehrerinnen sowie einen namibischen Ausbilder. Die Kinder erhielten neben dem deutschen Schulunterricht nur wenig Ausbildung in Oshivambo, namibischem Tanz und Gesang. Es gab Appelle und militärischen Drill, und auch der Umgang mit Gewehren wurde gelernt. Margot Honecker und Kovambo Theopoldine Nujoma waren öfters zu Besuch.

Der Aufenthalt war zunächst nur vorübergehend geplant, da ein Sieg der SWAPO bald erwartet wurde. Kurz vor der deutschen Wiedervereinigung wurden die Kinder im Alter zwischen 8 und 17 Jahren am 26. August 1990 von der Maizière-Regierung überstürzt nach Namibia zurückgeflogen. Aufgrund der jahrelangen Entfremdung von ihren namibischen Wurzeln und ihrer geringen Sprachkenntnisse war die Integration der Jugendlichen in ihrer Heimat schwierig. Einige von ihnen kehrten später nach Deutschland zurück.

Eines der Belliner Heimkinder, Lucia Engombe, veröffentlichte ihre Erlebnisse in dem Buch Kind Nr. 95. Meine deutsch-afrikanische Odyssee, das im Jahr 2005 beim Ullstein Taschenbuchverlag erschien. Die Geschichte eines anderen Kindes, Oshosheni Hiveluah (heute Filmproduzentin in Windhoek), war Thema in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Geo im Jahr 2008.[4] Im Frühjahr 2007 entstand der Low-Budget-FilmWenn uns zwei Berge trennen“ von Marion Nagel und Martin Reinbold zum Thema.[5]

Die Unterbringung der Flüchtlingskinder im Schloss bis kurz vor der Wiedervereinigung führte dazu, dass das Gebäude stets gewartet und beheizt wurde und die Bausubstanz so erhalten blieb.[6]

Weiteres siehe unter → DDR-Kinder von Namibia

Nach der Wende

Im Herbst 1990 besuchte die niederländische Königin Beatrix mit ihrem Mann Claus das Schloss. Es kam dort zu einem Treffen mit dem deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker.

Nachdem er bereits Anfang der 1990er Jahre die landwirtschaftlichen Flächen und Anlagen der vormaligen LPG gepachtet hatte, kaufte der vormalige Hamburger Privatbankier Friedrich-Wilhelm Sloman, ein Enkel des Erbauers, 1996 auch das Schloss aus dem Sondervermögen der Treuhandanstalt zurück. Das Hamburger Architektenbüro Ehrensberger & Oertz begann im Herbst 1999 mit dem Umbau des Gebäudes zu einem Appartement-Hotel.[7] Im Januar 2000 wurde das Hotel eröffnet und ist heute ein beliebter Veranstaltungsort vor allem für Hochzeitsfeiern.

Architektur

Das Belliner Schloss gilt als das bedeutendste Werk des regional tätigen Architekten Paul Korff. Es wurde nach Vorgaben des Bauherrn in einem zurückhaltenden neobarocken Stil mit klassizistischen Anklängen der Gründerzeit errichtet. Der Baubeginn erfolgte 1911, abgeschlossen wurde bereits im Jahr 1912. Der Putzbau beinhaltet zwei Geschosse über einem Tiefparterre sowie ein Mansardwalmdach.[3] Zur Hofseite verfügt das Schloss über einen mächtigen Mittelrisaliten mit Dreiecksgiebel sowie einem von vier Säulen getragenen Altan. Auf der Gartenseite wurde eine imposante Freitreppe errichtet. Der ursprünglich dachverglaste Wintergarten erhielt bei den Erneuerungsarbeiten 1999 eine Betondecke (sowie eine Balustrade, deren Baluster denen der Freitreppe nachgebildet sind), die heute als Terrasse für die Zimmer im ersten Stock dient. Der darunter liegende, weitgehend verglaste Raum mit Zugang zur Freitreppe hat eine Länge von 35 Metern und wird heute als Speisesaal genutzt.

Das Kavaliershaus mit Originalgiebel
Das Torhaus zur Straßenseite
Großer Parkteich mit Pavillon

Ensemble

Die ursprüngliche barocke Ensemblestruktur des inneren Gutshofes aus dem 18. Jahrhundert ist fast komplett erhalten. Der früher teils als Ehrenhof, teils als Gutshof genutzte Innenbereich erstreckt sich vom Torhaus rund 160 Meter in südlicher Richtung bis zum heutigen Schloss, welches vor dem Abriss des klassizistischen Herrenhauses 1912 direkt hinter demselben errichtet wurde. Durch den Neubau des Schlosses verlängerte sich der Ehrenhof um rund 20 Meter, der anschließende Park wurde um rund 30 Meter verkleinert. Die zur Hofseite vorgelagerten, symmetrisch sich gegenüberstehenden beiden kleinen, ursprünglich vermutlich dreiflügeligen, verputzten Kavaliershäuser stammen aus der barocken Erbauungszeit. Erhalten ist ein originaler Dreiecksgiebel mit der Jahreszahl 1746 im ostwärts des Ehrenhofes gelegenen Haus. Das westlich gelegene Kavaliershaus ist in einem schlechten Bauzustand.

Die sich Richtung Torhaus anschließenden, ursprünglich rund 20 Meter zurückgesetzten beiden großen Wirtschaftsgebäude mit Walmdächern an den Längsseiten des Hofes wurden von Henry B. Sloman erweitert und erneuert. Das ostwärtige Wirtschaftsgebäude ist heute nicht mehr erhalten, es wurde in der Nachkriegszeit durch zwei kleinere Bauten (näher am Hof gelegen) ersetzt. Im sich westlich anschließenden Viehhofbereich erneuerte Sloman ebenfalls Stallgebäude. Außerdem errichtete er eine Maschinenzentrale sowie eine Maschinenhalle auf dem Gut. Die mittig des Hofes liegenden großen Grünflächen werden heute von durch Sloman gepflanzte Linden eingefasst.[3]

Torhaus

Das beeindruckende Torhaus von Bellin ist ein ursprünglich vermutlich verputzter Backsteinbau mit Mansarddach und einem haubengekrönten Laternenturm aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Es ist eines der wenigen aus der Barockzeit erhaltenen Gutstorhäuser Mecklenburg-Vorpommerns, das allerdings mehrfach umgestaltet wurde.[3] Der Mittelrisalit zur Straßenseite enthält eine Tordurchfahrt sowie nur zur Straßenseite zwei flankierende Seiteneingänge. Der Giebel beinhaltet einen Wappenstein aus Sandstein der Familie Sala. Der Laternensockel enthält zur Straßen- und zur Hofseite je eine Uhr. Die Wetterfahne trägt die Jahreszahlen 1910 und 1982.

Park

Der etwa 1750 angelegte barocke Park im Süden des vormaligen Herrenhauses wurde im 19. Jahrhundert zu einem Landschaftspark umgestaltet. Mit dem Bau des in den vormaligen Park hereinreichenden Schlosses im Jahr 1912 erhielt er eine neubarocke Formgebung. Ein einrahmender Rosengarten besteht heute nicht mehr. Der seitlich stark bewaldete Park erstreckte sich – im Norden begrenzt durch den großen Parkteich bzw. den „Goldfischteich“ – bis zu den von Sloman durch Drainage der Feldwirtschaft zugänglich gemachten Äckern im Süden der Anlage. Das Parkgelände ist heute von einer Steinmauer umgeben. Der Baum- und Gehölzbestand des Parkes enthält Stieleichen, Rotbuchen, Tulpen-Magnolien, Riesen-Lebensbäume, Japanische Zedern und Pyramideneichen. Am Parkteich steht ein vermutlich aus barocker Zeit stammender kleiner Pavillon. Der Parkteich wird von Mauern und Treppen eingeschlossen. Sloman ließ das Parkteich-Ensemble in Anlehnung an die Wassertreppe der Kleinen Alster am Hamburger Rathausmarkt gestalten.[3]

Nutzung als Hotel

Das heute als „Jagdschloss Bellin“ bezeichnete Gebäude bietet Gästen bis zu 180 Quadratmeter große Apartments[8] mit insgesamt 42 Betten. Neben einem zu bestellenden Frühstück wird kein klassischer Hotelservice angeboten, die Gäste müssen sich in den mit Küchen ausgestatteten Apartments selbst verpflegen oder in der Umgebung essen.[6] Von den 3.600 Quadratmetern Innennutzfläche werden rund 2.000 der Hotelnutzung zugänglich gemacht. Der von den Gästen zu begehende Park beträgt rund 10 Hektar. Das Schloss kann komplett für Feiern angemietet werden.

Im Jahr 2003 wurde das Hotel während der Produktion der NDR-Polizeiruf 110-Folge „Verloren“ vorübergehend als Wohnung für Hauptkommissar Tobias Törner (gespielt von Henry Hübchen) genutzt, der laut Drehbuch kurzfristig von Berlin zu seiner neuen Dienststelle in Schwerin versetzt worden war.[9] Im Frühjahr 2010 drehte die NFP Neue Film Produktion GmbH[10] hier unter der Regie von Anja Schütze einen dokumentarischen Hochzeitskurzfilm.

Einzelnachweise

  1. Kurz darauf erwarb Sloman auch den benachbarten Besitz Gut Steinbeck (400 Hektar) von der Familie Wunderlich für 500.000 Reichsmark
  2. Die Särge von Sloman und seiner ebenfalls dort beigesetzten Frau Renata, geb. Hillinger, und Tochter Adelaida wurden aufgebrochen, vorhandene Knochenteile in der Umgebung verteilt und im Mausoleum selbst eine Tankstelle eingerichtet
  3. a b c d e gem. Beitrag Bellin bei Orte-in-MV.de
  4. gem. Filmproduzentin in Windhoek auf Geo.de (GEO-Spezial Ausgabe 5/2008)
  5. gem. Artikel Die “Exen” aus dem Schloss Bellin auf Myexperience4u
  6. a b gem. Detlef Jens in dem Artikel Die feine mecklenburgische Art im Hamburger Abendblatt Online vom 4. Oktober 2003
  7. gem. Artikel Hanseaten mit Herrenhaus bei Welt Online vom 14. Oktober 2001
  8. gem. Gerhard Meir in dem Artikel Schloss Bellin, Bellin im Rahmen der Serie Meirs Weltreise im Süddeutsche Zeitung Magazin, Ausgabe 7/2005
  9. gem. Polizeiruf 110-Lexikon.de
  10. Die Berliner NFP Neue Film Produktion produzierte unter anderem die Kinodokumentarfilme „Albert Schweitzer. Ein Leben für Afrika“ (2009), „Sturmflut II“ (2008), „Luther. Er veränderte die Welt für immer“ (2003) und „Bonhoeffer. Die letzte Stufe“ (1999)

Literatur

  • Freundeskreis der Familie Sloman (Hrsg.), Michael Fleissner (Verantw.), Bellin. Das Jagdschloss in Mecklenburg, Berlin 2010

Weblinks

53.70794444444412.189305555556

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