Indische Botschaft in Berlin

Indische Botschaft in Berlin
Indische Botschaft in Berlin

Die Indische Botschaft im Botschaftsviertel des Berliner Stadtteils Tiergarten wurde von 1999 bis 2001 als Hauptsitz der diplomatischen Vertretung Indiens in Deutschland errichtet. Das Gebäude wurde vom Berliner Architekturbüro Leon Wohlhage Wernik entworfen, und wirkt vornehmlich durch seine farblich ungewöhnliche Gestaltung – die Fassade ist aus indischem roten Sandstein.

Inhaltsverzeichnis

Lage, Bau und Architektur

Indische Botschaft mit Nachbargebäuden

Die Botschaft befindet sich in der Tiergartenstraße 16–17 am südlichen Rand des Tiergartens, zwischen Hildebrandstraße und Stauffenbergstraße. In diesem Block befinden sich derzeit vier Gebäude. Direkte Nachbarn der Indischen Botschaft sind westlich – von der Tiergartenstraße aus gesehen rechts – die Südafrikanische Botschaft (Nr. 18) und östlich – von der Tiergartenstraße aus gesehen links – die Baden-Württembergische Landesvertretung (Nr. 15). An die Landesvertretung schließt sich an der Ecke zur Stauffenbergstraße als viertes Gebäude die Österreichische Botschaft an. Das etwa 3.500  große Grundstück der Indischen Botschaft ist an der Straßenfront knapp 40 m breit, gut 80 m tief und zur Straße leicht schief ausgerichtet.[1] Vor den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges befand sich auf dem Grundstück unter der Hausnummer 16 das Büro des Reichsverbands der deutschen Presse und unter der Hausnummer 17 das Britische Konsulat mit den Militärattaché-Abteilungen der drei Waffengattungen.[2]

Nach dem Hauptstadtbeschluss von 1991 und dem Berlin/Bonn-Gesetz von 1994 stand fest, dass die wesentlichen deutschen Ansprechpartner der höchsten diplomatischen Vertreter eines Landes – Bundeskanzleramt, Bundestag, Außenministerium und Wirtschaftsministerium ihren Sitz ab 1999 (spätestens 2000) in Berlin haben würden. Dementsprechend fasste das indische Außenministerium den Entschluss, die Indische Botschaft ebenfalls von Bonn nach Berlin zu verlagern. Die Berliner Botschaft Indiens befand sich vorerst in Pankow im Gebäude der ehemaligen indischen Botschaft bei der DDR. Da Pankow nicht zentral genug war, und das Gebäude nicht den Repräsentationsansprüchen Indiens entsprach, erwarb der indische Staat 1996 das Grundstück in der Tiergartenstraße 16–17,[3] und führte einen beschränkten Wettbewerb durch, bei dem das Berliner Büro Leon Wohlhage Wernik im März 1998 den 1. Preis gewann.[1] Indien war damit einer der wenigen Staaten, die den Entwurf ihrer Botschaftsneubauten in Berlin nicht an Architekten des eigenen Landes vergaben. So stammen die Entwürfe für die Botschaftsgebäude in der unmittelbaren Nachbarschaft alle von Architekten der Herkunftsländer: mma architects aus Kapstadt für Südafrika, Hans Hollein für Österreich und Samir Rabie aus Kairo für Ägypten. Indien entschied sich hingegen bewusst für eine „architektursprachliche Übersetzung“ der indischen Architekturtradition durch ein deutsches Architekturbüro.[4]

Leon Wohlhage Wernik bestand[5] aus den Berliner Architekten Hilde Léon, Konrad Wohlhage und Siegfried Wernik, die auch die nahe gelegene Bremische Landesvertretung in der Hiroshimastraße 24 entwarfen, die ebenfalls eine rote Fassade besitzt, allerdings aus gestrichenem Putz. Die Berliner Architekturgalerie Aedes stellte beide Gebäude 2001 im Vergleich vor.[6] Am 9. September 1998 fand die Grundsteinlegung statt,[1] am 17. Januar 2001 wurde die Indische Botschaft in Anwesenheit der damaligen Außenminister von Deutschland und Indien – Joschka Fischer und Jaswant Singh – feierlich eröffnet. Erster indischer Botschafter, der den Neubau beziehen konnte, war Ronen Seng.[7] Die Baukosten betrugen 26 Mio. DM[8] bei einer Brutto-Grundfläche (BGF) von 8.200 m².[9]

Blick auf den Eingang zum Atrium (links das Staatswappen)

In die Nachbarschaft der Vertretungen von Südafrika und Baden-Württemberg reiht sich die Indische Botschaft mit einer geschlossenen Fassade ein, die vom zylindrischen Atrium angeschnitten wird, das so wie durch eine schmale Blende sichtbar wird.[10] Nach außen ist das Gebäude als Quader gestaltet, der die Fläche des Grundstücks fast komplett einnimmt. Im Innern ist das Gebäude hingegen deutlich in drei Abschnitte gegliedert: der erste Abschnitt von der Straßenfront aus gesehen ist ein fünfgeschossiger Baukörper mit quadratischem Grundriss, der von innen durch das Atrium erschlossen wird. Der zweite Abschnitt ist ein Garten mit fast quadratischem Grundriss, auf zwei Ebenen gelegen. Die höhere Ebene des Gartens befindet sich auf einem zweigeschossigen Sockelbau, der seitlich versetzt einen Turm mit kreisförmigen Grundriss trägt. Der Turm hat die gleiche Höhe wie die Traufhöhe des ersten Abschnitts und enthält die Arbeitsräume des Botschafters. Turm und Atrium haben den gleichen Durchmesser und die gleiche Höhe; somit wirkt der Turm in der Draufsicht wie aus dem Quader des ersten Abschnitts ausgestanzt.[11]

Auf der Ostseite des zweiten Abschnitts führt eine breite Freitreppe über die Tiefe des Gartens zum Dachgarten auf dem ersten Abschnitt. Gestaltung und Steigungswinkel der einläufigen Treppe soll an die historische Freiluftsternwarte Jantar Mantar erinnern.[4] Die tiefere Ebene des Gartens liegt auf Höhe des Bodenniveaus. Den dritten Abschnitt bildet ein fünfgeschossiger Riegel, der Wohnungen für Botschaftsangestellte enthält. Der Botschafter mit seiner Familie wohnt allerdings in einer Residenz an der Podbielskiallee in Dahlem.[12] Die Außenfassade des Baus ist mit einem roten Sandstein, dem Ruby Red der Region Barauli in Rajasthan verkleidet, dessen Oberfläche durch die bruchraue Spaltfläche des Steins und die unregelmäßige Verfugung der Quader lebendig gestaltet ist.[13] Aus Sandstein dieser Herkunftsregion wurde auch das Rote Fort in Agra erbaut.[14] Weitere beim Bau der Botschaft verwendete Natursteine sind grünlicher Kota-Kalkstein, schwarzer Naturstein aus Jhansi und schwarzer Kalkstein aus Kadapa.[15] Unter dem indischen Staatswappen am Eingang ist die dazugehörige Inschrift „Allein die Wahrheit siegt“ in Sanskrit eingemeißelt.

Vom Atrium aus sind alle öffentlich zugänglichen Räume erreichbar. Das Konsulat ist auch separat von der Westseite erschlossen. An das Atrium schließt sich eine doppelgeschossige Halle an, von der aus der Besucher im Erdgeschoss den großen Veranstaltungssaal erreicht, der sich zum Garten im Innenhof öffnet. Zum öffentlichen Bereich gehören außerdem eine Ausstellungshalle mit Bibliothek und ein Business-Center. Die äußere und innere Formgebung des Gebäudes ist kompromisslos modern, nimmt aber in Farb- und Materialwahl Bezüge zur Bautradition und Handwerkskunst Indiens auf. So werden als Trennwände filigran gearbeitete Jalis aus Stein verwendet, die in Indien gefertigt wurden.[12]

Literatur

Weblinks

 Commons: Indian Embassy, Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Indischer Sandstein in Berlin – Grundsteinlegung bei der indischen Botschaft. Meldung auf BauNetz vom 9. September 1998.
  2. Berliner Adressbuch 1936, unter Benutzung amtlicher Quellen. Scherl, Berlin 1936, Teil IV. (Straßenverzeichnis), S. 866.
  3. Botschaften: Republik Indien In: „BauNetz Magazin“. (Abgerufen am 17. Januar 2010.)
  4. a b Katharina Fleischmann: Botschaften mit Botschaften?. In: „Wolkenkuckucksheim“, Nr. 12/2007.
  5. Konrad Wohlhage verstarb 2007 im Alter von 53 Jahren.
  6. just arrived: Indien und Bremen in Berlin – Léon Wohlhage Wernik Architekten, Berlin. Ausstellung in der Galerie „Aedes West“ in Berlin-Charlottenburg vom 28. Mai bis 1. Juli 2001.
  7. Elisabeth Binder: Neue indische Botschaft: Klassischer Ausdruckstanz und ein Dach mit Aussicht. In: „Tagesspiegel“ vom 18. Januar 2001.
  8. Indische Botschaft in Berlin zur Ausschreibung bei der Architektenkammer Berlin.
  9. Angabe zu BGF bei Leon Wohlhage Wernik (Abgerufen am 19. Januar 2010.)
  10. Embassy of India Berlin
  11. Die gleiche Formensprache von rundem Turmaufsatz und zylindrischem Atrium als komplementärer Negativkörper findet sich in dem 1996 öffentlich präsentierten Entwurf, mit dem Moore Ruble Yudell den Wettbewerb für den Neubau der Amerikanische Botschaft in Berlin gewonnen hatten; vgl. doppelseitiges Foto in Newsweek 2008
  12. a b Dilek Güngör: Sechs Lichter für die Botschaft von Indien. In: „Berliner Zeitung“ vom 19. Januar 2001.
  13. Friedrich Müller: INSK kompakt. Ulm (Ebner Verlag), Blatt 90.21
  14. Die Herkunft des an der Botschaftsfassade verwendeten roten Sandsteins wird in einigen Publikationen falsch mit Uttar Pradesh angegeben, weil es in diesem Bundesstaat unweit von Agra einen weiteren Ort mit gleichen Namen gibt.
  15. Wolfgang Toepfer: Moderne Interpretation traditioneller indischer Kunst und Handwerk. In: „Stein, Keramik & Sanitär“, Nr. 6 / 2002, S. 8–11. (jedoch mit falscher Ortsbezeichnung)
52.50944444444413.362111111111

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