Ikarus (Bushersteller)

Ikarus (Bushersteller)
Ikarus (Bushersteller)
Ikarus.png
Rechtsform Beteiligungsgesellschaft
Gründung 1895
Sitz Budapest
Branche Bushersteller
Ikarus-Gelenkbus Typ 280.03 der Berliner Verkehrsbetriebe

Ikarus ist ein ungarischer Hersteller von Omnibussen und Oberleitungsbussen in Budapest-Mátyásföld und Székesfehérvár.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Unternehmen Ikarus wurde 1895 gegründet und war hauptsächlich für seine Reisebusse und Stadtbusse bekannt, die in der Ostblock-Zeit eine bedeutende Rolle spielten. Vor allem die Busse der 200er Serie wurden (dank RGW-Spezialisierung) in enormen Stückzahlen produziert und führten dazu, dass Ikarus mit einer Jahresproduktion von 15.000 Bussen zeitweilig der größte Omnibushersteller der Welt war. Über 30.000 Busse wurden allein in die DDR geliefert, die letzten im Jahre 1990. In vielen Nachfolgestaaten der UdSSR werden noch heute Ikarus-Busse eingesetzt. Zu Zeiten des Ostblocks wurden Ikarus-Busse auch in Kuba, Mozambique, Angola und im Iran aus CKD-Kits zusammengesetzt[1].

Ikarus-Oberleitungsbus in Budapest

In den 1980er und 1990er Jahren lieferte Ikarus außerdem in größeren Stückzahlen die Basis für Oberleitungsbusse, die auch in die Sowjetunion, die DDR, nach Bulgarien und Rumänien exportiert wurden. Die Zulieferung der elektrischen Ausrüstung erfolgte dabei durch das Budapester Unternehmen Ganz (unter anderem Typ TK101 mit 150 Kilowatt) beziehungsweise durch BBC (Typ 4ELO 2052K mit 169 Kilowatt)[1]. Ferner wurden Anfang der 1990er Jahre in Polen 13 Gelenkbusse des Typs 280 zu O-Bussen umgebaut. Sie bekamen die Baureihenbezeichnung 280E und verkehrten in Gdynia (neun), Lublin (vier) und Słupsk (einer).

Ikarus war von 1999 bis 2006 Mitglied der Irisbus-Gruppe. Nach der Insolvenz verließ am 11. Dezember 2007 der letzte Bus die Werkhallen. Übrig geblieben ist eine Karosserie- und Fahrzeugteilfabrik.

Im Herbst des Jahres 2010 stellte das Unternehmen „IKARUSBUS“ die geplanten neuen Bustypen E127, V134 (jeweils Midibus) und V187 (Gelenkbus) vor.[2] Inzwischen gibt es davon auch Prototypen.

Fahrzeuge und Typen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die damals üblichen auf Leiterrahmen aufgebauten Omnibusse mit über der Vorderachse positionierten Motoren gebaut (Ikarus 60, 601, 620 und 630). Gleichzeitig wurden bereits Busse mit selbsttragenden Aufbauten (Tr3.5, Ikarus 31) gebaut. Die Anfang der 1950er Jahre konstruierten Heckmotor-Typen Ikarus 55 und 66 fielen äußerlich besonders durch das große Heck auf. Die ersten Exemplare dieser Typen waren mit einer druckluftbetätigten Kupplung und elektrisch vorwählbarem Getriebe ausgestattet, hatten aber Stabilitätsprobleme, besonders im vom schweren Dieselmotor belasteten Heck. Diese wurden bis 1960 gelöst, und die Busse wurden erfolgreich bis in die 1970er Jahre hinein produziert.

Bis Mitte der 1960er Jahre wurden für den Großstadtverkehr größere Busse benötigt. Die bisher verwendeten Dieselmotoren von Csepel waren für solche Großraumbusse zu schwach. Durch die von Rába mit der deutschen MAN geschlossenen Lizenzvereinbarung konnten ab 1965 leistungsstärkere Motoren in der neuen Baureihe 556 und beim ersten vollständig bei Ikarus hergestellten Gelenkbustyp 180 eingesetzt werden. Diese beiden Baureihen mit Unterflurmotor fanden mit den Typen 260 und 280 aus der 200er Reihe sehr erfolgreiche Nachfolger, die in großen Stückzahlen in die damaligen Ostblockstaaten im Rahmen des RGW-Abkommens geliefert wurden.

Im Raum Hamburg konnten von 1973 bis 1986 ebenfalls Ikarus-Linienbusse beobachtet werden, hier allerdings in der nach den deutschen VÖV-Richtlinien gestalteten Standard-Bus-I-Version. Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) erhielten 1973–1976 mehrere Serien des Heckmotor-Bustyps Ikarus 190 (insgesamt 154 Wagen) und setzten sie auf ihren Linien im Südosten Hamburgs (Bezirk Bergedorf) und in Holstein (besonders in Neumünster und Norderstedt) ein. Auch hier kam ein Rába-MAN-Motor zum Einsatz. Später wurde dieser Typ auch nach Kuwait geliefert.

Ikarus 66 mit großem Motor-Heck in Guben

Die Busse der von den 1970er bis 1990er Jahren in über 200.000 Einheiten gefertigten Baureihe 200 werden unterteilt in:

  • 211: 8,5-Meter-Midibus mit Komponenten des Industrieverband Fahrzeugbau (IFA)
  • 250/255/256: Reisebusse in verschiedenen Ausführungen
  • 260: 11-m-Solobus mit Unterflurmotor für den Stadt- und Überlandverkehr
  • 261: Rechtslenker-Variante des Typs 260
  • 263: 12-Meter-Solobus mit Heckmotor für den Stadt- und Vorortverkehr ab 1989
  • 266: 11-Meter-Solobus für den Stadt- und Überlandverkehr von 1979 bis 1982
  • 280: 16,5-Meter-Gelenkbus mit Unterflurmotor für den Stadt- und Überlandverkehr
  • 281: Rechtslenker-Variante des Typs 280
  • 283/284: Schubgelenkbus mit Heckmotor im Stil des 280
  • 293: 22 Meter langer Doppelgelenkbus, der 1988 in Budapest getestet wurde

Bei diesen Modellen gab es jeweils verschiedene Untervarianten, unterschiedliche Anzahl und Typen der Türen sowie Oberleitungsbus-Varianten. Darüber hinaus gab es noch einzelne Prototypen und Modelle in sehr geringer Stückzahl sowie Aufbauten auf Fahrwerken anderer Hersteller. Die Ikarus-Busse ermöglichten aufgrund der hohen Stückzahlen in den Verkehrsbetrieben einen nahezu typenreinen Einsatz und rationelle Instandhaltung. Besonders die Unterflurmotor-Typen 556/260 waren für ihre gute Beschleunigung bekannt. Ungünstig waren teilweise die schlechte Verfügbarkeit von Original-Ersatzteilen und vom Fahrzeugtank unabhängige Zusatzheizungen, deren Fassungsvermögen im Winter oft nicht für einen vollen Tageseinsatz ausreichte.

1991 gelangten in großer Stückzahl Ikarus-Stadtbusse der Typen 260 und 280 in die türkische Metropole Istanbul, wo sie teilweise mit umweltfreundlichem Gasantrieb eingesetzt werden.

In den 1980er Jahren wurden moderne Stadtlinienbusse mit Heckmotor und niedrigerer Fußbodenhöhe entwickelt: Ikarus 415 (11,4-Meter-Solobus, zunächst als 410 NE bezeichnet) und 435 (17,9-Meter-Gelenkbus). In den 1990er-Jahren wurden auch bei Ikarus Niederflurbusse vorgestellt: Ikarus 412 (12-Meter-Solobus), 417 (Gelenkbus) und 405 (Midibus). 1994 wurde versucht, durch den Standort Wuppertal mit solchen Bussen auch in Deutschland wieder Fuß zu fassen. So wurden ab 1995 in Wuppertal Ikarus 405 (Midibus) und 417 (Gelenkbus) eingesetzt, die damals durch ihre besondere „durchgängige Heizung“ punkteten. Ein weiterer Ikarus 417 wurde ab 1996 bei der Potsdamer Havelbus Verkehrsgesellschaft eingesetzt. Es gelang jedoch nicht, weitere Busse in Deutschland abzusetzen. Sowohl bei Havelbus als auch bei den Wuppertaler Stadtwerken schieden die Ikarus-Niederflurbusse 2005 aus dem Dienst aus.

Kooperationen mit anderen Herstellern

In den 1980er Jahren wurden Teilesätze der Ikarus Typen 256, 260 und 280 sowie Busse der Typen 256 und 280 nach Kuba geliefert. Sie wurden dort vom Hersteller Giron zusammengebaut.

1991 wurden auch 28x-er Baugruppen nach Thailand geliefert und dort vermutlich zum Typ 285 (aber als Typ 283 bezeichnet) zusammengebaut.

  • 194-Karosserie im VÖV-Standardbus-I-Stil auf Volvo-B10M-Bodengruppe
  • 196-Kooperationsmodelle mit Volvo- oder Scania-Teilen (Gelenkbus)
  • 212-MAN-CR-160 [3]
  • 259.10 auf Steyr-Chassis 1991 in 100 Stück für Uganda
  • 259.10 auf Ford-R-1011-Chassis als Prototyp für Nigeria [4]
  • 259.62 auf Scania-Fahrgestell
  • 259.x auf Chassis von Renault für Afrika
  • 260.22 durch Steyr-Hellas für Athen (nur letzte Serie 1984)
  • 271 auf Iveco-Chassis für Libyen
  • 272-Prototyp mit MAN-Chassis
  • 259.80 auf MB-OF1317/5170-Chassis für die griechische Armee durch Steyr-Hellas in Thessaloniki
  • 283.20 nur Fahrgestell, Aufbau in Tunesien durch STIA
  • 286/Orion III: 18,3-Meter-Gelenkbus mit 2,6 Meter Breite für den nordamerikanischen Markt, die erst bei Crown Coach Corp. (USA) oder Orion Bus Industries (Kanada) mit Teilen aus nationaler Fertigung komplettiert wurden, um bei der Anschaffung Zuschüsse zu erhalten[5]
  • 521: 6,5-Meter-Midibus auf VW LT55
  • 542/545: Midibus auf Mercedes-Benz 814 D
  • Ikarus 657–664 (662 als „Tourbus“ in verschiedenen Varianten mit Teilen (u.a. Chassis) der Firmen Scania oder Volvo (beschriftet als Ikarus-Scania, Ikarus-Volvo sowie Scania oder Volvo)
  • Ikarus 659 als Saurer: 5 SH4 F-OLI bzw. später für Steyr als Steyr-Ikarus SIR 11 (12) H210 [6]
  • Ikarus 662.65/MAN SR 240 [7]
  • Ikarus 663 für Steyr als Steyr-Ikarus SIR/SIL 7H 132 [1]
  • Ikarus 664 auf Scania-Chassis

Verbleib der Wagen in Deutschland

historischer Ikarus 260 aus Gera

Der letzte noch im Linienverkehr eingesetzte Ikarus war ein Ikarus 280.03 der KVG in Zittau, welcher am 31. August 2010 seine letzte Einsatzfahrt absolvierte. Die Fahrzeuge der Baureihen 55 (Reise- und Überlandbus) und 66 (Stadt- und Linienbus) erlebt man heutzutage hauptsächlich bei Traditionstreffen. Exemplare der Frontmotor-Typen 601 und 31/311 sind dagegen fast völlig verschwunden.

Von den acht Ikarus 250, die dem Zentralkomitee der SED im Zeitraum von 1984 bis 1989 vor allem für Jagdausflüge und Transferfahrten zur Verfügung standen, ist das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ABI-ZK 89 noch bei der Vetter Touristik[8] in Zörbig (Ortsteil Salzfurtkapelle) für Sonderfahrten im Einsatz. Der Bus, der anlässlich der 40-Jahr-Feier der DDR für Erich Mielke angefertigt wurde, zeichnet sich durch die Sonderausstattung mit 16 bequemen Drehsesseln aus. In dem für Erich Honecker reservierten Sessel ist ein Thermometer integriert. Die Fahrt wurde mittels Außenkamera auf Videogeräten wiedergegeben[9].

Galerie

200er Reihe

Ikarus-Busse im Modell

Die Firma L. Herr KG, ein Hersteller von Modelleisenbahnen und Modellfahrzeugen, entwickelte in den 1960er-Jahren Modelle der Typen Ikarus 31, 311, 55 und 66 im Maßstab 1:87 (Nenngröße H0). Die Modelle 31, 311 und 55 wurden zunächst unter eigenem Namen, ab 1967/68 unter der Marke ESPEWE vertrieben. Das bei Herr entwickelte Modell des Ikarus 66 erschien bereits unter Espewe. Während der Ikarus 55 bereits Ende der 60-er Jahre eingestellt wurde, gab es die 31/311 bis MItte der 70-er Jahre, den 66 bis Ende der 70-er Jahre, inzwischen unter "Plasticart". Unter dem späteren Namen "Modell-Fahrzeuge" erlebten die Ikarustypen 31/311 Ende der 80-er Jahre überraschend eine Neuauflage. Im Jahr 1979 brachte ESPEWE unter der Marke minicar ein Modell des Ikarus 260 auf den Markt, der bereits bündig eingesetzte Fenster und eine Federung besaß. Die vorgenannten Modelle finden sich heute bei Modelltec unter der Marke SES im Fertigungsprogramm. Modelle des Ikarus 556 und 180 im gleichen Maßstab werden von Beka Modellbau angeboten[10].

Literatur

  • Michael Dünnebier: Lastwagen und Busse sozialistischer Länder. transpress Verlag für das Verkehrswesen, Berlin 1988

Weblinks


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