Ibn al-Kalbī

Ibn al-Kalbī

Ibn al-Kalbī, arabisch ‏هشام بن محمد بن السائب الكلبي ‎ Hischām ibn Muhammad ibn as-Sā'ib al-Kalbī, DMG Hišām b. Muḥammad b. as-Sāʾib al-Kalbī (* um 737; † 819 oder 821 in Kufa), bekannt unter dem Namen Ibn al-Kalbī, war ein muslimischer Historiker und Genealoge.

Inhaltsverzeichnis

Seine Gelehrsamkeit

Er beschäftigte sich vor allem mit dem arabischen Altertum, der Geschichte und den Sitten der arabischen Stämme in der vorislamischen Zeit. Über sein Leben ist nur wenig bekannt. Sein Wissen erwarb er bei seinem Vater Muḥammad ibn as-Sāʾib al-Kalbī († 763) in seiner Heimatstadt Kufa; später, während des Kalifats von al-Mahdi, zog er nach Bagdad, in das damalige Zentrum islamischer Gelehrsamkeit, wo er seine Lehrtätigkeit entfaltete. Die Sunniten standen ihm als Schiiten feindlich gegenüber; Ahmad ibn Hanbal († 855) urteile über ihn mit folgenden Worten: „Wer tradiert von Hischām? Er ist doch nur Verfasser von Nachtunterhaltungen und Genealogien. Ich denke nicht, daß jemand von ihm überliefern würde.“ [1] In der Umgebung des Kalifen al-Mahdi fand er wiederum allgemeine Anerkennung; einem Bericht von al-Waqidi († 823) zufolge, der bei at-Tabari († 923) erhalten ist, hatte er auf dem Gebiet der mathālib[2], „der anzüglichen Geschichten, welche die arabischen Stämme voneinander erzählten“,[3] außerordentliche Kenntnisse, wodurch er beim Kalifen zu Ansehen und Vermögen gelangte.

Seine Zeitgenossen und Nachfolger im Gelehrtenleben bezichtigten ihn, wie seinen Vater, der Lüge. Er selbst soll sogar zugegeben haben, in Genealogien die Unwahrheit gesagt zu haben. „Das erste mal habe ich in der Genealogie gelogen als mich Khālid ibn ʿAbd Allāh al-Qasrī[4] über (die Abstammung) seiner Großmutter Umm Kuraiz befragt hat. Ich sagte zu ihm: sie ist Zainab bint ʿArʿara ibn Ǧazīma.... Da freute er sich darüber und beschenkte mich reichlich.“ In Wirklichkeit war sie eine Prostituierte im nordarabischen Stamm der Asad[5], eine Dienerin (ama) ohne Abstammung, mit dem Namen Zainab. [6]

Werke

Ibn an-Nadim stellt die Titel seiner Schriften – monographische Abhandlungen über die arabischen Stämme, ihre führenden Persönlichkeiten, Dichter und „Schlachttage“ – auf drei Druckseiten in seinem Fihrist zusammen.[7] Nur wenige dieser Werke sind heute entweder in Handschriftenfragmenten, oder im Druck erhalten.

  • Dschamharat an-nasabجمهرة النسب ‎ / Ǧamharat an-nasab /‚Zusammenfassung der Genealogie‘ist im islamischen Schrifttum das bekannteste genealogische Werk über die arabischen Stämme, das allerdings nicht vollständig erhalten ist. al-Baladhuri hat es in seinem Ansāb al-ašrāf zum größten Teil ausgewertet. Ibn al-Kalbī, der in diesem Werk auch die Arbeiten seines Vaters verarbeitet, gilt als der Begründer der Wissenschaft über die Verwandtschaftsverhältnisse der alten Araber.[8] Das Werk ist vom deutschen Orientalisten Werner Caskel herausgegeben und kommentiert worden.[9] Diese Werkausgabe enthält keinen arabischen Text, sondern 334 genealogische Tafeln als Stammbäume mit rund 35000 Namen.[10]
Blatt aus dem „Götzenbuch“ mit Randglossen
  • Im Kitāb al-Aṣnāmكتاب الأصنام‎ / kitābu ʾl-aṣnām /‚Das Götzenbuch‘ beschreibt Ibn al-Kalbī die altarabischen Gottheiten und die mit ihnen verbundenen Sitten überwiegend nach mündlichen Überlieferungen seiner Zeit. Dieses Werk haben mehrere muslimische Historiker bis in das 13. Jahrhundert hinein ausgewertet, zitiert und in der uns heute vorliegenden Handschrift mit Randglossen versehen. Auszüge daraus – wenn auch nur paraphrasiert – sind in der Folgeliteratur ebenfalls aus dem 12. und 13. Jahrhundert erhalten. Der Geograph und Literaturhistoriker Yaqut († 1229) übertrug den größten Teil des „Götzenbuches“ von Ibn al-Kalbī in sein geographisches Wörterbuch, verteilt auf die einzelnen Götternamen in der alphabetischen Anordnung seines Werkes.

Der deutsche Orientalist Julius Wellhausen hat in seinem heute noch maßgeblichen Werk Reste arabischen Heidentums die von Yaqut nach Ibn al-Kalbī zitierten Angaben zum vorislamischen Götzenkult ausgewertet und damit erstmals eine wertvolle Monographie über die altarabischen Gottheiten der vorislamischen Zeit vorgelegt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es dem ägyptischen Forscher Ahmed Zeki Pacha ‏ أحمد زكي باشا‎ / Aḥmad Zakī Bāšā, die damals als Unikat eingestufte Handschrift von Ibn al-Kalbīs „Götzenbuch“ in der Privatsammlung eines algerischen Gelehrten zu identifizieren und sie durch Kauf zu erwerben. Die bis dahin unbekannte Handschrift[11] stellte er auf dem Weltkongress der Orientalisten in Athen im Jahre 1912 erstmals der Öffentlichkeit vor.[12] 1914 erschien in einer sorgfältigen Edition die erste Auflage: Ibn el Kalbi: Le livre des idoles (Kitab el Asnam).[13] Der Herausgeber zählt im Anhang zur Edition (S. 107–111) 49 weitere Idole auf, die bei Ibn al-Kalbī nicht erwähnt sind.[14]

Das Götzenbuch stellt eine religionsgeschichtlich wertvolle Quelle dar. In der historisch bedeutsamen Epoche des Übergangs von der Dschahiliya zum Islam im 7. Jahrhundert hat es „bei dem Problem des Religionswechsels ein ganz gewichtiges Wort mitzureden“.[15] Die Darstellungen werden von zahlreichen Gedichten über die Gottheiten begleitet, deren Ursprünge nach dem heutigen Forschungsstand weit in die vorislamische Zeit zurückreichen. Die vom Verfasser überlieferten Gedichte bieten einen sehr guten Einblick in die primitiven „Gebräuche des heidnischen Arabiens, die viele alte, charakteristische Formen dieser Religionsstufe überliefern“.[16]

Eine originalgetreue Neuausgabe als Nachdruck der Edition von Ahmed Zeki Pacha besorgte die Orientalistin Rosa Klinke-Rosenberger mit einer deutschen Übersetzung und einem reichhaltigen Kommentar.[17]

Die englische Übersetzung des Werkes hat N. A. Faris (Princeton 1952) mit wissenschaftlichen Anmerkungen besorgt.[18] W. Atallah hat das Buch ins Französische übersetzt und kommentiert: Les Idoles de Hicham Ibn al-Kalbi. Paris 1969.

Literatur

  • Werner Caskel: Aus der Frühzeit des Islam. In: Wilhelm Hoenerbach (Hrsg.):Der Orient in der Forschung. Festschrift für Otto Spies zum 5. April 1966. S. 9-17. Wiesbaden 1967. - Zwei Berichte aus dem genealogischen Werk von Ibn al-Kalbī.
  • Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums. Bd. 1, S. 268-271. Brill, Leiden 1967
  • Rose Klinke-Rosenberger: Das Götzenbuch. Kitāb al-Aṣnām des Ibn al-Kalbī. Leipzig 1941
  • M. J. Kister and M. Plessner: Notes on Caskel's Ǧamharat an-nasab. In: Oriens. Bd. 25-26, S. 48-68
  • Julius Wellhausen: Reste arabischen Heidentums. 2. Auflage. Berlin und Leipzig 1927
  • The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 494. Nr. II.

Einzelnachweise

  1. adh-Dhahabī: Siyar aʿlām an-nubalāʾ, Bd. 10, S. 101; Rosa Klinke-Rosenberger (1941), S. 18
  2. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 6, S. 828
  3. Julius Wellhausen (1927), S. 12; Rosa Klinke-Rosenberger (1941), S. 19
  4. Bekannter Statthalter unter den Umayyaden, der gegen Ende seines Lebens in Ungnade fiel:The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 4, S. 925
  5. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 1, S. 683
  6. Ahmed Zeki Pacha (Hrsg.): Le livre des Idoles. 2. Auflage. Kairo 1924. Einleitung, S. 17 nach dem Kitāb al-Aghānī von Abu l-Faradsch al-Isfahani († 967): Fuat Sezgin (1967), S. 378-382
  7. S. 108-111. Hrsg. Riḍā Taǧaddud. Teheran 1971
  8. M. J. Kister and M. Plessner, S. 48-49
  9. Ǧamharat an-nasab. Das genealogische Werk des Hišām ibn Muḥammad al-Kalbī. Band I: Einleitung von Werner Caskel; die Tafeln von Gert Strenziok. Band II: Erläuterungen zu den Tafeln von Werner Caskel; Das Register, begonnen von Gert Strenziok, vollendet von Werner Caskel. Brill, Leiden 1966. F. Wüstenfelds Genealogische Tabellen der arabischen Stämme und Familien. Göttingen (1852) ist dadurch erstmals wesentlich erweitert worden.
  10. Die Angabe in der en:WP, Werner Caskel habe das Werk ins Deutsche übersetzt, ist falsch: https://secure.wikimedia.org/wikipedia/en/wiki/Ibn_Al-Kalbi
  11. Über ein weiteres Handschriftenfragment des Werkes siehe: Otto Spies: Die Bibliothek des Hidschas. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG),90 (1936), S. 119-120
  12. Siehe das Vorwort der 1. Auflage, S. 35-36
  13. In der 2. Auflage (Kairo 1924) sind Vorwort und Einleitung der nicht mehr vorhandenen 1. Auflage vom 4. Januar 1914 abgedruckt
  14. Siehe: Friedrich Stummer: Bemerkungen zum Götzenbuch des Ibn al-Kalbī. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 98 (1944), S. 377-394
  15. H. S. Nyberg: Bemerkungen zum Buch der Götzenbilder. In: Le Monde Oriental. Jahrgang 1939. S. 366; Rosa Klinke-Rosenberger (1941), S. 26–27 (Einleitung)
  16. Rosa Klinke-Rosenberger, S. 26 (Einleitung)
  17. Das Götzenbuch. Kitāb al-aṣnām des Ibn al-Kalbī. Über das Buch des Ibn al-Kalbī, einschließlich Rezensionen zur Edition, siehe: Fuat Sezgin: Geschichte des arabischen Schrifttums.Brill, Leiden 1967 Bd. 1. S. 270.
  18. The Book of Idols (Kitab Al-Asnam) by Hisham Ibn Al-Kalbi

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ibn al-Kalbi — Hicham ibn al Kalbi Hicham ibn al Kalbi, connu aussi sous le nom Ibn al Kalbi, (737 819) est un historien arabe compilateur des traditions orales des bédouins et des conteurs professionnels. Sommaire 1 Biographie 2 Notes et références 3 Annexes …   Wikipédia en Français

  • Hicham ibn al-Kalbi — Hicham ibn al Kalbi, connu aussi sous le nom Ibn al Kalbi, (737 819) est un historien arabe compilateur des traditions orales des bédouins et des conteurs professionnels. Sommaire 1 Biographie 2 Notes et références 3 Annexes 3.1 …   Wikipédia en Français

  • Hisham Ibn al-Kalbi — (737 819), también conocido como Ibn al Kalbi fue un historiador árabe, originario de Irak.[1] Su nombre completo era Abu al Mundhir Hisham bin Muhammed bin al Sa ib bin Bishr al Kalbi. Nacido en la ciudad de Kufa, pasó la mayor parte de su vida… …   Wikipedia Español

  • Hisham Ibn Al-Kalbi — Hisham Ibn Al Kalbi, full name Abu al Mundhir Hisham b. Muhammed b. al Sa ib b. Bishr al Kalbi ( ca. 819) was an Arab historian.Al Kalbi was born in Kufa, but spent much of his life in Baghdad. Like his father, on whose authority he relied… …   Wikipedia

  • Hishām ibn al-Kalbī — ▪ Arab scholar in full  Hishām ibn Muḥammad ibn al Kalbī , also called  Abū al Mundhir   born before 747, Al Kūfah, Iraq died 819/821, Al Kūfah       scholar of the customs, lineage, and battles of the early Arabs.       Hishām s father was a… …   Universalium

  • Kalbi — bezeichnet: Kalbi (Kaste), indische Kaste Galbi, Gericht der koreanischen Küche Salleh Kalbi, malaysischer Politiker al Kalbi bezeichnet: Emire der Kalbiten auf Sizilien: Hassan al Kalbi (Regierungszeit: 948–954) Dschabir al Kalbi (982–983)… …   Deutsch Wikipedia

  • Ibn Ishaq — Abû Abd Allah Muhammad ben Ishâq ben Yasâr ben Khyâr[1] ou simplement Ibn Ishaq est un historien au sens qu Ibn Khaldun donne à ce mot musulman arabe (Médine vers 704 Bagdad vers 767). Il est connu pour avoir rédigé la Sîrat Rasûl Allah, c est à… …   Wikipédia en Français

  • Ibn Juzayy — Abū ʿAbdallāh Muḥammad ibn Muḥammad ibn Ahmad Ibn Juzayy al Kalbi (1321 1357) (in Arabic, محمد بن محمد بن أحمد بن عبد الله بن يحيى بن يوسف بن عبد الرحمن بن جزي الكلبي الغرناطي) was a scholar, writer of poetry, history, and law from Al Andalus. He …   Wikipedia

  • Ibn Yuzayy — Muḥammad ibn Muḥammad ibn Aḥmad ibn ʿAbd Allāh ibn Yaḥyà ibn Yūsuf ibn ʿAbd ar Raḥmān ibn Ŷuzayy al Kalbī al Garnāṭī (en árabe, محمد بن محمد بن أحمد بن عبد الله بن يحيى بن يوسف بن عبد الرحمن بن جزي الكلبي الغرناطي) fue un intelectual andalusí,… …   Wikipedia Español

  • 'Amr ibn Luhay — (arabe : عمرو بن لحي) est une personnalité importante de la période pré islamique car selon la tradition musulmane, c est lui qui aurait introduit le paganisme au sein de La Mecque, plusieurs siècles avant l avènement de l islam. La… …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”