Hugh Ivan Gramatzki

Hugh Ivan Gramatzki

Hugh Ivan „John“ Gramatzki (* 12. August 1882 in Shillong (Indien); † 14. März 1957 in Kleinmachnow bei Berlin) war ein deutscher Astronom/Astrophysiker, Konstrukteur, Unternehmer und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gramatzkies aus Ostpreußen stammender Vater Emil Ludwig Gramatzki (1838–98) arbeite als Ingenieur für die Verwaltung von Shillong in Indien. Seine Mutter hieß Martha Catharina Gramatzki, geb. Hensel.

Wegen des Berufs seines Vaters verlebte Gramatzki seine Jugendzeit bis 1896 in Indien. Nach Rückkehr nach Deutschland ging er in München auf das Gymnasium. Er studierte bis 1907 naturwissenschaftliche Fächer an der Technischen Hochschule Karlsruhe, wurde Ingenieur und diente im Ersten Weltkrieg als Marineoffizier.[1]

Bereits während des Ersten Weltkriegs schrieb er Romane und Novellen. Hinzu kam nach dem Krieg das Verfassen von Drehbüchern für den Film sowie ab 1923 populärwissenschaftliche Radiosendungen zur Astronomie. 1929 erschien sein letztes Prosawerk.

1922 gründete Gramatzki zusammen mit Otto und Bielicki die Astro-Gesellschaft Bielicki & Co ("Astro-Berlin"), die astronomische Instrumente und Objektive für Film- und Still-Kameras produzierte. In Kleinmachnow stand ihm eine Privatsternwarte zur Verfügung. Trotz Zerfall der 1921 gegründeten "Gesellschaft der Liebhaberastronomen" leitete Gramatzki deren Berliner Ortsgruppe als "Berliner Astronomische Vereinigung" (aka Gramatzki-Gesellschaft[2] ) weiter.[3] Von 1922 bis 1933 veröffentlichte er acht Aufsätze in der Fachzeitschrift Astronomische Nachrichten. 1928 erschien sein erstes Buch zur astronomischen Beobachtung.

1932 heiratete er in Berlin Elsa Suchland. In den 1930er Jahren wandte Gramatzki sich zunehmend der Astrofotografie und der Photometrie zu - ein Bereich in dem er 1937 promoviert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Gramatzki als freier Mitarbeiter der (Ostberliner) Deutschen Akademie der Wissenschaften.[4]

Gramatzki, "der dichtende Physiker" galt den in den 1950er Jahren nach Kleinmachnow Zugezogenen als "[v]errückter Außenseiter", der jedoch zur Bekanntnheit seines Heimatorts beitrug.[5] Gramatzki starb 1957 mit 74 Jahren in Kleinmachnow. Er wurde auf dem dortigen Waldfriefhof begraben.[6]

Künstlerisch-mediales Wirken

Von Gramatski stammen die Romane "Der Kristall" (1916 oder 1917) und "Elavalill, Der Himmelsfahrer" (1923).[7] Das Filmportal weist vier von ihm verfaste Film-Drehbücher aus: "Das Todestelefon" (1918), "Wie das Schicksal spielt" (1919), "Die Frau im Delphin oder 30 Tage auf dem Meeresgrund" (1920) und "Das Geheimnis von Schloß Totenstein" (1920).[8] Gramatzki veröffentlichte 1929 das Buch "Das weiße Tier" über seine Kindheit in Indien (1929).

Teilweise nutzte er die Pseudonyme Jan Gramatzki und Ivan Gramatzki (Jan und auch Ivan etymologisch = John bzw. Johannes).[9]

Gramatzki verfasste 1923 einige der ersten deutschen populärwissenschaftlichen Radiobeiträge. Er behandelte dabei astronomische Themen, zu denen (im Sinne eines frühen "Multimedia") teilweise vorab Illustrationen in den einschlägigen Rundfunk-Programmheften erschienen.[10]

Gramatzlki war ein guter Klavierspieler, der auch Konzerte gab, und war zeitweise 2. Vorsitzender einer Richard-Wagner-Gesellschaft.

Wissenschaftliches Wirken

Der von H. I. Gramatzki erfundene Transfokator mit beweglichem Linsenelement "B"

H. I. Gramatzki arbeitete in mehreren wissenschaftlich-technischen Bereichen. Ausgehend von seinem Interesse an der Astronomie entstehen zunächst zwei empirische Arbeiten zum Helligheitsschwankungen des Polarsterns (1922) und zur spektroskopischen Bestimmung der effektiven visuellen Wellenlängen der helleren Fixsterne (1924), für die er ein neues Messinstrument konstruierte.

Bald rückten jedoch eher theoretische Arbeiten in den Mittelpunkt, die in die astrophysikalischen Auseinandersetzungen um die Deutung der Verschiebung von Spektrallinien durch (Dopplereffekte) eingreifen (1924, 1925) und sich mit der Wahrscheinlichkeit der Beobachtbarkeit von Doppelstern-Systemen beschäftigen (1928). Schließlich entwickelt Gramatzki eine "Nicht-Archimedische Mathematik", die als Grundlage einer neuen Mechanik und Physik sollte genutzt werden können (1928). In der nicht-archimedischen Mathematik gilt das Archimedische Axiom nicht, dennoch werden eine Reihe von Ergebnissen der Einstein'schen Relativitätstheorie - auf dieser alternativen Grundlage - rekonstruiert. Den Abschluss dieser Überlegungen bildet ein Artikel in der Zeitschrift für Astrophysik, der 1934 eine Methode entwirft, wie unterschieden werden kann, ob die Verschiebung der Spektrallinien entfernter Galaxien auf den Dopplereffekt beruht oder auf einer Abnahme der Lichtgeschwindigkeit mit der Zeit. Für den Zeitraum von 1921 bis 1932 sind mindestens fünf Briefe von Gramatzi an Albert Einstein in dessen Unterlagen dokumentiert.[11]

In den 1930er-Jahren verschiebt sich das wissenschaftliche Interesse Gramatzkis wieder auf stärker empirisch-technische Fragen, insbesondere auf die astronomische Fotografie (Astrofotografie) der Planeten (1930, 1933, 1937). In diesem Zusammenhang korrespondiert er u.a. Anfang der 1930er Jahre mit dem Erfinder der Schmidtkamera, Bernhard Schmidt.[12] Gramatzki machte die Erfindung Schmidts in einem Artikel in der DAZ (Deutsche Allgemeine Zeitung) 1931 dem breiten Publikum mit lobenden Worten bekannt.[13]

Schließlich wurde Gramatzki 1937 mit einer Arbeit „Zur Technik der photographischen Photometrie der Planetenoberfläche“ von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin - er war damals bereits Mitte Fünfzig - promoviert.

Für beobachtende Astronomen und andere "Praktiker" schrieb Gramatzki mehrere, teilweise einführende Handbücher. Die Bücher folgen seinen wissenschaftlichen Interessen: 1928 ein "Leitfaden der astronomischen Beobachtung", 1930 ein "Hilfsbuch der astronomischen Photographie", 1933 ein spezifischeres Werk zur Planeten-Fotografie. Schließlich überarbeitet er 1948 das von P. Hatschek begründete Handbuch "Optik für den Praktiker".

Als Konstrukteur schuf Gramatzki lichtstarke Photo- und Projektionsobjektive. Unter anderem konstruierte er 1928 einen Transfokator (britisches Patent Nr. 449434), ein Objektiv mit veränderlicher Brennweite, das als Vorläufer der modernen Zoomobjektive gilt.[14] [15] Der Transfokator besteht aus drei Linsen und wurde als Vorsatzlinse für Kameraobjektive von Siemens produziert.[16]

1953 wurde Gramatzki in die deutsche Astronomische Gesellschaft aufgenommen.[17] Das drei Jahre vor Gramatzkis Tod 1954 erschienene Fachbuch "Probleme der konstruktiven Optik und ihre mathematischen Hilfsmittel" entwickelt u.a. eine Theorie der Zoomobjektive.

Werke

Romane und Novellen

  • I. Gramatzki (1917) Der Kristall. Ein Roman. F. Lehman, Berlin. 407 S.[18]
  • I. Gramatzki (1923) Elavalill, der Himmelsfahrer: Ein Roman. Pyramiden-Verlag. 368 S.[19]
  • H. J. Gramatzki (1929) Das weisse Tier. Erlebnisse eines deutschen Knaben im Vorlande von Tibet. Illustrationen und Einband von Georg Walter Rößner. Hermann Schaffstein, Köln. 229 S.[20]

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

  • H. J. Gramatzki (1922) Der Lichtwechsel von Polaris. Astronomische Nachrichten 217(23):453-458 (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19222172303)
  • H. I. Gramatzki (1924) Dopplereffekt und ballistische Theorie des Lichtes. Astronomische Nachrichten 223(8):135-136 (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19242230806])
  • H. J. Gramatzki (1924) Die visuellen effektiven Wellenlängen der helleren Fixsterne. Gemessen mit Hilfe eines neuen Mikrometes nach der Gittermethode. Astronomische Nachrichten 222(19):149-156. (DOI: 10.1002/asna.19242221003)
  • H. I. Gramatzki (1925) Dopplereffekt und ballistische Theorie des Lichtes. Erwiderung auf Herrn M. LaRosas Entgegnung (AN 223.293). Astronomische Nachrichten 224(15):247–252.
  • H. I. Gramatzki (1928) Über die geometrische Sichtbarkeitswahrscheinlichkeit von Bedeckungsveränderlichen und ihre Bedeutung für die Statistik auch der δCephei-Veränderlichen. Astronomische Nachrichten 233(7):103-108. (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19282330703)
  • H. I. Gramatzki (1928) Über eine Nicht-Archimedische Mathematik als Grundlage einer neuen Mechanik und Physik (Limitentheorie). 234(2):17-32. (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19282340202)
  • H. J. Gramatzki (1928) Leitfaden der astronomischen Beobachtung. Ferd. Dümmlers Verlag, Berlin.
  • H. J. Gramatzki (1929) Über die theoretische Möglichkeit eines anomalen Dopplereffektes. Astronomische Nachrichten 235(4):103-106. (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19292350403)
  • H. J. Gramatzki (1930) Hilfsbuch der astronomischen Photographie. Ferd. Dümmler, Berlin
  • H. I. Gramatzki (1933) Photographische Beobachtungen des Planeten Jupiter. Astronomische Nachrichten 249(18):309-314 (http://dx.doi.org/10.1002/asna.19332491802)
  • H. J. Gramatzki (1937) Zur Technik der photographischen Photometrie der Planetenoberflächen: Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde genehmigt von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Dümmler, Berlin.
  • H. J. Gramatzki (1937) Planetenphotographie. F. Dümmler, Berlin.
  • H. J. Gramatzki (1937) Planetenphotographie. F. Dümmler, Berlin.
  • P. Hatschek (1948) Optik für den Praktiker. Neubearbeitet von Dr. Hugh John Gramatzki. 2. Auflage. Verlag von Wilhelm Knapp Halle (Saale). 218 S.
  • H. I. Gramatzki (1954) Probleme der konstruktiven Optik und ihre mathematischen Hilfsmittel. Akademie-Verlag. 139 S.
  • H. J. Gramatzki (1955) Über philosophische Fragen der modernen Physik. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 3:242-246.

Weblinks

  • Abblildungen eines Transfokators des System Astro 1,5-3 cm an einer Siemens-Filmkamera.

Quelle

Nicht durch Einzelnachweise oder Bezug auf die Werkliste belegten Angaben stammen nahezu sämtlich aus

  • E. Lau (1964) Gramatzki, Hugh Ivan. Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 737 f. (Onlinefassung, abgerufen am 16. August 2011)

Einzelnachweise

  1. A. Schirrmacher (2010) State-Controlled Multimedia Education for All? Science Programs in Early German Radio. Science & Education [0926-7220] (DOI 10.1007/s11191-010-9328-x)
  2. E. Mädlow (1989) Erinnerungen an die Berliner Astronomische Vereinigung (BAV), alias "Gramatzki-Gesellschaft". In: Beiträge zur Geschichte der Astronomie in Deutschland. S. 61-68.
  3. W. R. Dick (2000) 300 Jahre Astronomie in Berlin und Potsdam: ein Übeblick. In: W. R. Dick, K. Fritze (Hrsg.) 300 Jahre Astronomie in Berlin und Potsdam: eine Sammlung von Aufsätzen aus Anlass des Gründungsjubiläums der Berliner Sternwarte. Harri Deutsch Verlag. S. 11-43.
  4. P. Walther (2002) Musen und Grazien in der Mark: 750 Jahre Literatur in Brandenburg (Band II des Katalogs zur Ausstellung). Lukas-Verlag, Berlin. S. 141.
  5. H. Kretzschmar (2006) Kommen und Gehen: Kleinmachnow – eine Weltanschauung. Neues Deutschland Ausgabe vom 16. Dezember 2006. (Online verfügbar, abgerufen am 17. August 2011). Von
  6. W. R. Dick, A. Langkavel (2000) Gedenkstätten für Astronomen in Berlin, Potsdam und Umgebung. In: W. R. Dick, K. Fritze (Hrsg.): 300 Jahre Astronomie in Berlin und Potsdam. Eine Sammlung von Aufsätzen aus Anlaß des Gründungsjubiläums der Berliner Sternwarte. (Acta Historica Astronomiae Band 8). Deutsch Verlag, Thun/Frankfurt am Main. S. 188-209. Online verfügbar, abgerufen 17. August 2011
  7. P. Walther (2002) Musen und Grazien in der Mark: 750 Jahre Literatur in Brandenburg (Band II des Katalogs zur Ausstellung). Lukas-Verlag, Berlin. S. 141.
  8. P. Walther (2002) Musen und Grazien in der Mark: 750 Jahre Literatur in Brandenburg (Band II des Katalogs zur Ausstellung). Lukas-Verlag, Berlin. S. 141.
  9. P. Walther (2002) Musen und Grazien in der Mark: 750 Jahre Literatur in Brandenburg (Band II des Katalogs zur Ausstellung). Lukas-Verlag, Berlin. S. 141.
  10. A. Schirrmacher (2010) State-Controlled Multimedia Education for All? Science Programs in Early German Radio. Science & Education [0926-7220] (DOI 10.1007/s11191-010-9328-x)
  11. Einstein Archives Online (Ergebnis einer Datenbankabfrage, abgerufen am 17. August 2011).
  12. B. Dufner (2002) Den Himmel fest im Blick: eine wissenschaftliche Biografie über den Astro-Optiker Bernhard Schmidt. Franz Steiner Verlag. S. 329
  13. B. Dufner (2002) Den Himmel fest im Blick: eine wissenschaftliche Biografie über den Astro-Optiker Bernhard Schmidt. Franz Steiner Verlag. S. 82
  14. F. G. Back, H. Lowen (1958) Generalized Theory of Zoomar Systems. Journal of the Optical Society of America 48(3): 149-153.
  15. Digitalisat der britischen Patentschrift Nr. 449434 (DPATISnet, abgerufen am 17. August 2011)
  16. R. Kingslake (1946) A Classification of Photographic Lens Types. Journal of the Optical Society of America 36(5):151-155.
  17. Anonymus (1953) Bericht über die Versammlung der Astronomischen Gesellschaft in Bremen, 8. bis 10. Oktober 1953. Mitteilungen der Astronomischen Gesellschaft 5:5-8. Online verfügbar, abgerufen 17. August 2011.
  18. abgerufen am 17. August 2011
  19. , abgerufen am 17. August 2011
  20. abgerufen am 16. August 2011

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gramatzki — ist der Familienname folgender Personen: Alfred von Gramatzki (1834–1887), preußischer Beamter, Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen (1884–1887) Archibald von Gramatzki (1837–1913), Landrat und Mitglied des Deutschen Reichstags Hugh Ivan… …   Deutsch Wikipedia

  • Astro-Berlin — Pan Tachar 1,8/50 mm mit M39 (Leica ) Anschluss Die Astro Gesellschaft Bielicke Co (später: GmbH Co. KG), Berlin, ist ein deutsches Pionierunternehmen der optischen Kameratechnik und Kinematografie. Astro Berlin wurde im Jahre 1922 vom Deutsch… …   Deutsch Wikipedia

  • Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne — Die Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für Veränderliche Sterne (BAV) e. V. ist eine der ältesten überregionalen amateurastronomischen Vereinigungen in Deutschland. Gegenwärtig hat sie etwa 200 Mitglieder. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Ziel 3 …   Deutsch Wikipedia

  • Zoomobjektiv — Aufnahmen mit einem Zoomobjektiv Das Resultat einer Brennweitenverstellung mit dem Zoomobjektiv während einer Aufnahme Ein Zoomobjektiv oder kurz Zoo …   Deutsch Wikipedia

  • Willy F. Bielicke — (auch William Friedrich Bielicke) (* 1881 in Deutschland; † im 20. Jahrhundert) war ein bedeutender deutsch amerikanischer Optikkonstrukteur und unternehmer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Paul Hatschek — (* 11. März 1888; † 15. Mai 1944 in Brandenburg Görden) war ein tschechisch deutscher promovierter Ingenieur für Optik und Filmtechnik. Hatschek war Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Werk 2 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”