Howard Vernon

Howard Vernon

Howard Vernon (* 15. Juli 1908 als Mario Lippert in Baden bei Zürich; † 25. Juli 1996 in Issy-les-Moulineaux, Frankreich) war ein schweizerisch-amerikanischer Schauspieler mit langjähriger, internationaler Tätigkeit in Rollen sadistischer Edelschurken und kalter NS-Uniformträger sowie späterer Karriere beim europäischen Trashfilm.

Inhaltsverzeichnis

Die frühen Jahre im Hotelgewerbe

Der Sohn eines Schweizers und einer US-Amerikanerin verbrachte seine Kindheit und Jugend überwiegend in den USA, bevor er 1927 in die Schweiz zurückkehrte. Vernon ging in Bern und Nizza zur Schule (bzw. Handelsschule), wo der perfekt deutsch- und englischsprachige Künstler auch die französische Sprache erlernte. Anschließend wechselte er in die Hotel-Branche. Von 1932 bis 1934 arbeitete Howard Vernon an der Rezeption diverser Luxushotels in der Schweiz (Luzern, St. Moritz), in Frankreich und Ägypten.

Erste Kontakte zur Schauspielerei

Anschließend ging er nach Berlin und ließ sich dort zum klassischen Schauspieler ausbilden. Wieder in Zürich, setzte er seine Lehrzeit unter dem in die Schweiz geflohenen Schauspieler Erwin Kalser fort und absolvierte erste (noch winzige) Theaterauftritte. Einen frühen kleinen Erfolg feierte der 1938 für einige Zeit nach London übergesiedelte Vernon mit einer eigens einstudierten Bühnennummer, bis er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Paris geholt und als Entertainer an das ‘Casino de Paris’ verpflichtet wurde. Anschließend an das Revuetheater ‘Alcazar’ engagiert, hatte er vor allem mit der Revue ‘Beauté des femmes’ bis zum Spätherbst 1940 Erfolg. Während des Besatzungszeit blieb der als neutraler Staatsbürger ungefährdete Vernon in Paris, gab u.a. Englisch-Unterricht und trat an diversen Cabarets der Hauptstadt auf.

Beginn der Filmlaufbahn

Vernons Abenteuer- und Vagabundierlust trieb ihn noch während des Krieges erneut nach Großbritannien, wo er sich 1944 bei der Londoner BBC als Sprecher verdingte. Gleich nach der Befreiung von Paris stand er schon wieder auf dortigen Bühnen und erzielte mit seiner Rolle des Deutschen in dem dramatischen Stück ‘Un ami viendra ce soir’ einen Achtungserfolg. Diese Rolle wiederholte Vernon wenige Monate später auch im Film, bei dem er ab 1945 Unmengen kleinerer und mittelgroßer Rollen, gelegentlich auch Hauptrollen spielen sollte. Vor allem sein mit besten Manieren ausgestatteter, die französische Kultur liebender deutscher Wehrmachtsleutnant Werner von Ebrennac in Jean-Pierre Melvilles Umsetzung des Vercors-Romans „Le silence de la mer“ machte ihn in Frankreich schlagartig bekannt: Es sollte seine eindringlichste Leistung werden.

In den darauffolgenden Jahren wirkte Vernon vor allem in französischen, aber auch in einigen spanischen Produktionen mit. Als sich Mitte der 50er Jahre auch das bundesdeutsche Kino für ihn zu interessieren begann, nahm ihn die Münchner Filmagentur Palz unter Vertrag. Vernon war durch seine Rollentypisierung fortan auf jede Art formvollendeter Schurken mit Glacéhandschuhen abonniert. Er spielte immer wieder eiskalte Verbrecher, denen der Hochmut ins Gesicht geschrieben schien. Regelmäßig sah man den Schweizer auch NS-Offiziere oder einfache Wehrmachtssoldaten spielen.

Karriere als Trashfilm-Star

Ab 1965 nahm seine Karriere eine entscheidende Wendung. Vernon, der bereits vier Jahre zuvor in Jesús Franco Maneras erstem Gruselfilm-Erfolg „Gritos en la noche“ an zentraler Stelle mitgewirkt hatte, konzentrierte sich in den kommenden anderthalb Jahrzehnten primär auf die Mitwirkung in billigen und bisweilen drittklassigen Horrorfilmen, die im Laufe der Jahre bei einer treuen Fangemeinde schließlich Kultfilmstatus erreichen sollten, sowie auf voyeuristische, sadomasochistische Sexstreifen -- regelmäßig inszeniert vom Trashfilm-Spezialisten Franco Manera. Der Spanier betraute Vernon fast durchgehend mit Hauptrollen und ließ ihn sadistische Dunkelmänner und düstere Schloßbesitzer sowie sinistre, skrupellose und durchweg amoralische Verbrechergenies, dämonische Mediziner, Folterknechte, gruselige Grafen und Pseudowissenschaftler spielen.

Trotz kontinuierlicher Mitwirkung in C-Streifen wie Die Nacht der offenen Särge“, „Mädchen für intime Stunden“ und Frauen für Zellenblock 9 unternahm Vernon aber auch immer mal wieder Ausflüge in das gehobene, intellektuelle Kunstkino (Jean-Marie Straubs „Der Tod des Empedokles“) und stand selbst auf der Besetzungsliste sublimer Meisterwerke wie Jean-Pierre Jeunets skurril-makaberem Kannibalenspaß Delicatessen.

Filmografie (Auswahl)

  • 1945: Un ami viendra ce soir
  • 1945: Boule de suif
  • 1945: Jéricho
  • 1946: Les Chouans
  • 1946: La foire aux chimères
  • 1947: Das Spiel ist aus (Les jeux sont faits)
  • 1947/48: Le silence de la mer
  • 1948: Ritter seines Königs (Du Guesclin)
  • 1948: Der hinkende Teufel (Le diable boiteux)
  • 1948: Der Mann auf dem Eiffelturm (The Man on the Eiffel Tower)
  • 1949: Der schwarze Jack (Black Jack)
  • 1950: Das dunkelrote Siegel (The Elusive Pimpernel)
  • 1950: Rhythmus der Nacht (Boîte de nuit)
  • 1950: Die Taverne von New Orleans (The Adventures of Captain Fabian)
  • 1951/52: Das Mädchen mit der Peitsche / Das Geheimnis vom Bergsee
  • 1952: Sommernächte mit Manina (Manina, la fille sans voile)
  • 1952/53: Lucrezia Borgia (Lucrèce Borgia)
  • 1952/53: Im Banne des blonden Satans (Le môme vert le gris)
  • 1953: Versailles -- Könige und Frauen (Si Versailles m'était conté)
  • 1954: Das Phantom des großen Zeltes
  • 1954: Napoleon (Napoléon)
  • 1955: Drei Uhr nachts
  • 1955: 08/15 – In der Heimat
  • 1956: Piraten im Frack (Alerte aux Canaries)
  • 1956: Hyänen unter sich (Jusqu’au dernier)
  • 1958: Dr. Crippen lebt
  • 1958: Guten Tag, ich bin ihr Mörder (Sursis pour un vivant)
  • 1959: Nathalie spielt Geheimagentin (Nathalie, agent secret)
  • 1959: Interpol contra X (Interpol contre X)
  • 1960: Division Brandenburg
  • 1960: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse
  • 1961: Geheime Wege (The Secret Ways)
  • 1961: Eva und der Priester (Léon Morin, prêtre)
  • 1961: Zorro, das Geheimnis vom Alamos (La venganza del Zorro)
  • 1961: Gritos en la noche
  • 1962: Laster und Tugend (Le vice et la vertu)
  • 1963: Der Zug
  • 1964: Lemmy Caution gegen Alpha 60
  • 1964: Was gibt’s Neues, Pussy?
  • 1965: Der Zug zur Hölle (Le train d’enfer)
  • 1965: Der Mord als schöne Kunst betrachtet (De l’assassinat considéré comme un des beaux-arts)
  • 1965: Erotik in der Folterkammer (Solo un ataud)
  • 1965: Das Geheimnis des Dr. Z. (Le diabolique docteur Z.)
  • 1965: Mohn ist auch eine Blume
  • 1966: Die Beute (La curée)
  • 1966: Spion zwischen zwei Fronten
  • 1966: Die Nacht der Generale
  • 1966: Renn nicht ins offene Messer (Le chien fou)
  • 1966: Necronomicon -- Geträumte Sünden
  • 1967: Im Schloss der blutigen Begierde
  • 1967/68: Mayerling (Mayerling)
  • 1968: Marquis de Sade: Justine
  • 1969: Die geschändete Rose (La rose écorchée)
  • 1969: Der Hexentöter von Blackmoor
  • 1970: In den Krallen des Unsichtbaren (La vie amoureuse de l’homme invisible)
  • 1970: Der letzte Tanz des blonden Teufels (Un beau monstre)
  • 1970: Sie tötete in Ekstase
  • 1970: Der Teufel kam aus Akasawa
  • 1970: X 312 -- Flug zur Hölle
  • 1971: Jungfrauenreport
  • 1971: Robinson und seine wilden Sklavinnen
  • 1971: Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies
  • 1972: Das Auge des Bösen (Casa d'appuntamento)
  • 1972: Die Nonnen von Clichy (Les démons)
  • 1972: Die Nacht der offenen Särge
  • 1973: Plaisirs à trois
  • 1973: La comtesse perverse
  • 1974: Mädchen für intime Stunden (Célestine, bonne à tout faire)
  • 1974: Die letzte Nacht des Boris Gruschenko
  • 1975: L’assassin musicien
  • 1977: Frauen für Zellenblock 9
  • 1978: Nur drei kamen durch (Da Dunkerque alla vittoria)
  • 1980: Dr. Jekyll et les femmes
  • 1981: Loin de Manhattan
  • 1982: El siniestro Dr. Orloff
  • 1983: Die Rache des Hauses Usher (Neurosis)
  • 1983: Der Narr des Königs / Der Tiefflieger (Le fou du roi)
  • 1984: Sac de nœuds
  • 1986: Letzter Sommer in Tanger (Dernier été à Tanger)
  • 1986: Angel of Death (Commando Mengele)
  • 1986: Der Tod des Empedokles
  • 1987: Les prédateurs de la nuit
  • 1988: Les champignons des Carpathes
  • 1990: Delicatessen
  • 1990: Im Banne der Schlange (La part du serpent)
  • 1991: Faux rapports
  • 1993: Hey Stranger
  • 1995: Le rocher d’Acapulco
  • 1995: Banqueroute (UA: 2000)

Literatur

Weblinks


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