Herbie Hess

Herbie Hess

Herbie Hess (* 28. Oktober 1933 in Altenburg als Kurt Herbert Hess) ist ein deutscher Jazzmusiker (Klavier, Klarinette, Tenorsaxophon) und Lehrer.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Kurt Herbert Hess kam in Altenburg zur Welt, wo seine Eltern zu dieser Zeit wohnten, weil der Vater ein vorübergehendes berufliches Engagement an den Bühnen in Gotha wahrnahm – einziger Bezug zu seiner Geburtsstadt, da die Familie eigentlich in Frankfurt am Main ansässig war. Das Erlernen des Klavierspiels war ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Zunächst erhielt er Privatunterricht, ab 1943 besuchte er Dr. Hoch's Konservatorium. Dort bekam er die Auswirkungen des Luftangriffs vom 4. Oktober mit, bei dem das Gebäude in der Eschersheimer Landstraße 4 völlig zerstört wurde. Sein Klavierunterricht fand weiterhin statt, nun jedoch im Passavant-Gontard'schen Palais zwischen Hauptwache und Rossmarkt, bis zu dessen Zerstörung am 8. Februar 1944.

Seine Eltern, Maria (geb. Maurer) und Herbert Hess, waren beide im klassischen Gesangfach zuhause, so dass er es als Jugendlicher und zudem Einzelkind nicht ganz leicht hatte, sich mit seiner Vorliebe für den weniger konformen Jazz durchzusetzen. Diese entstand bei ihm in den unmittelbaren Nachkriegsjahren insbesondere durch den Einfluss der US-amerikanischen Besatzungssoldaten und deren Hörfunksender AFN. Als Initialzündung darf sein erstes Jazz-Hörerlebnis gelten, das er im Alter von etwa 12 oder 13 Jahren im Kurpark von Bad Nauheim hatte, wo eine Jazz-Band auftrat. Ab 1952 lernte er durch Privatunterricht Klarinette.[2] Nach dem Besuch der Frankfurter Musterschule studierte er ab Ende der 1950er Jahre Musik und Geschichte an der Frankfurter Musikhochschule und der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, wo er das Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen ablegte.

Ausschlaggebend für die Aufnahme seines Studiums und seine Berufswahl war ein Schlüsselerlebnis während einer mehrmonatigen musikalischen Tournee in Marokko, das ihn davon überzeugte, dass ein rein musikalisch-künstlerisch geprägter Berufsweg vermutlich sehr ungeordnet, schwer kalkulierbar und somit unsicher sein würde.

Während des Studiums und seiner Referendarzeit spielte er unter anderem in diversen Offiziersklubs der US-amerikanischen Streitkräfte Jazz, wo er sehr bald als Herbie Hess bekannt wurde und nebenbei die englische Sprache mit amerikanischem Einschlag beherrschen lernte.

Beim Jazz spielte Hess Klavier und Klarinette, später kam Tenorsaxophon hinzu. Seine bevorzugte Stilrichtung war der hauptsächlich in den 1920er Jahren geprägte Chicago-Jazz, aber auch der Swing und der New-Orleans-Jazz; er bewunderte die Performance von Größen wie Count Basie, Bix Beiderbecke, Duke Ellington, Benny Goodman und Jack Teagarden. Von 1955 bis 1957 gehörte er neben Ata Berk, Carlo Bohländer, Herbert Christ, Joki Freund, Emil Mangelsdorff und Werner Rehm zu den von Günter Boas gegründeten Two Beat Stompers, eine der wichtigsten Traditional-Bands der Nachkriegszeit, die bis in die 1960er Jahre bekannteste deutsche Band dieser Stilrichtung war.[3] Mit den Two Beat Stompers trat er unter anderem im Jazzkeller Frankfurt auf und nahm am Deutschen Jazz-Festival teil. Während dieser Phase wurde Hess 1956 beim Düsseldorfer Amateur-Jazzfestival als bester Pianist ausgezeichnet.[4] Mit den Two Beat Stompers nahm er seine erste Komposition „Herbie’s First Blues“ auf, der später die bedeutendere „Blues For Bix“ folgte, die er auch komplett arrangierte.

Im Jahr 1957 lernte er seine spätere Ehefrau kennen, die er im Jahr darauf heiratete. Mit ihr bekam er drei Kinder, zwei Söhne (*/†1958, *1959) und eine Tochter (*1966). Bis 1963 spielte er mit verschiedenen Jazz-Bands, unter anderem den New Orleans Ramblers (mit Gustl Mayer).

Ab 1969 war er hauptberuflich im Staatsdienst an diversen Schulen als Lehrer (Oberstudienrat) in der Sekundarstufe II tätig, so an der Frankfurter Carl-Schurz-Schule (Gymnasium), an der Helmholtzschule (Gymnasium) sowie außerhalb Frankfurts an der Bertha-von-Suttner-Schule (Gesamtschule) in Nidderau und zuletzt an der Goetheschule (Gymnasium) in Neu-Isenburg. Er lehrte Musik und Geschichte, vertretungsweise auch Englisch. Er initiierte Musik-AGs, an denen sich interessierte Schüler in den Nachmittags- oder Abendstunden freiwillig beteiligten. Aus diesen Musik-AGs ergaben sich teilweise gemeinsame öffentliche Konzerte, an denen sich unterstützend auch einige seiner Bandmitglieder beteiligten.

Nebenberuflich war er in Frankfurter Jazz-Bands wie den Hot Swingers und den New Orleans Jazz-Babies aktiv. In den 1970er Jahren trat er häufig in Clubs wie dem Frankfurter Sinkkasten, dem Jazz Life Podium und dem Jazzlokal Down by the Riverside am Main, aber auch überregional in vielen Städten auf, so beispielsweise gemeinsam mit Rolf Hetebrüg, Conny Jackel, Klaus Lohfink, Gustl Mayer, Bill Ramsey oder Roland Schneider.[5] Mit den New Orleans Jazz-Babies und den Hot Swingers entstanden in den 1970er Jahren Schallplatten.

Herbie Hess wohnte jeweils über Jahrzehnte zunächst in den Frankfurter Stadtteilen Nordend, Bornheim und Seckbach. Seit 2008 lebt er in Bad Homburg vor der Höhe.

Hörfunk und Fernsehen

Beim Hessischen Rundfunk und beim ZDF entstand eine Vielzahl von Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen, an denen Hess musikalisch mitwirkte, so beispielsweise an zwei Fernsehproduktionen des hr mit den Titeln Mainstream (Bill Ramsey & Hot Swingers) und Boogie & Blues (Bill Ramsey, Gottfried Böttger, Roland Schneider) im Jahr 1978. In den späten 1970er Jahren bestritt er innerhalb der Band regelmäßig die musikalischen Intermezzi für die hr-Sendereihe "Erfinderbörse" mit Joachim Bublath und Barbara Dickmann sowie mehrere Auftritte zur Internationalen Funkausstellung in Berlin. Er begleitete Gesangsinterpreten wie Katja Ebstein, Joan Falkner und Bill Ramsey.

Kompositionen

  • „Herbie’s First Blues“ (comp), aufgenommen mit den Two Beat Stompers
  • „Blues For Bix“ (comp, arr) inkl. komplettes Arrangement, aufgenommen mit den Two Beat Stompers

Festival-Teilnahme

  • Amateur-Jazzfestival Düsseldorf
  • Deutsches Jazz-Festival, Frankfurt am Main

Auslandsaufenthalte

Teils mehrmonatige musikalische Tourneen führten Herbie Hess u. a. nach Frankreich, nach Marokko, Spanien und in das Vereinigte Königreich.

Diskographie

  • diverse mit Two Beat Stompers: N. N., Brunswick
  • Two Beat Stompers: "Das ist Dixieland!", Brunswick 10054EBP, Aufnahme 8. April 1956 in Berlin, Besetzung Werner Rehm (tp), Dick Simon (tb), Emil Mangelsdorff (cl), Herbert Hess (p), Gerd Schuttrumpf (bj), Joki Freund (tu), Horst Lippmann (d)[6]
  • Hot Swingers: "Dixieland Party Namber Wann" (LP), CBS 81258, Besetzung Roland Schneider (vl), Klaus Lohfink (trb), Ata Berk (dr), Rolf Hetebrüg (tp), Herbie Hess (cl), Jo Schomann (b), Gustl Mayer (sax)
  • New Orleans Jazz-Babies: "The Entertainer Rag" (LP), biton Frankfurt am Main, BIT2113, Aufnahme 22./23. November 1974, Besetzung: Herbert Christ (tp), Harald Blöcher (trb), Klaus Pehl (cl), Herbie Hess (p), Helmut Grahl (bjo, git, voc), Ernst Schneider (b), Peter Hermann (dr)

Auszeichnungen

  • 1956 – Bester Pianist, Amateur-Jazzfestival Düsseldorf

Literatur

Einzelnachweise

  1. The Jazz Discography
  2. Carlo Bohländer, Karl Heinz Holler und Christian Pfarr: Reclams Jazzführer. Stuttgart 1970. 5. Auflage, Stuttgart 2000. S.
  3. Michael Rauhut und Reinhard Lorenz (Hrsg.): Ich hab den Blues schon etwas länger: Spuren einer Musik in Deutschland, Ch. Links Verlag. Berlin 2008. S. 268.
  4. Jürgen Schwab: Der Frankfurt Sound, Societätsverlag, Frankfurt am Main 2004. S. 129f.
  5. Jürgen Schwab: Der Frankfurt Sound, Societätsverlag, Frankfurt am Main 2004. S. 213.
  6. Two Beat Stompers, Brunswick 10054EBP

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