Helmut Schanze

Helmut Schanze

Helmut Schanze (* 7. August 1939 in Frankfurt am Main) ist ein deutscher Germanist und Medienwissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schanze studierte nach dem Abitur Philologie, Philosophie und Politische Wissenschaft an der Universität Frankfurt u.a. bei Theodor W. Adorno und Heinz Otto Burger. Dort wurde er 1965 mit einer Arbeit über Romantik und Aufklärung bei Friedrich Schlegel und Novalis promoviert.[1] 1966 bis 1972 arbeitete Schanze als wissenschaftlicher Assistent an der RWTH Aachen, wo er sich 1971 mit einer Untersuchung über das Theater im bürgerlichen Realismus habilitierte.[2]

Seit 1972 war Schanze dann Professor an der RWTH Aachen und ab 1987 bis zu seiner Emeritierung Professor an die Universität Siegen. Dort gehörte Schanze zu den Initiatoren des Sonderforschungsbereich 240 [1] „Bildschirmmedien“, dem er ab 1992 auch als Sprecher vorstand. Er leitete dort Forschungsprojekte zur Intermedialitätsforschung über 'Fernsehgeschichte der Literatur', 'Europäische Kinokunst im Zeitalter des Fernsehens' sowie zur Erforschung der Neuen Medien ('Textsysteme und Veränderungen des Literaturbegriffs', 'Interaktive Medien und ihre Nutzer') und zur Medienwertungsforschung ('Medienwissenschaften und Medienwertung'). 2004 wurde Schanze emeritiert. Er lebt in Aachen und Siegen.

Werk

Schanzes wissenschaftliche Arbeit umfasst Veröffentlichungen zur Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts, [3], [4], zur Rhetorik und Rhetorikgeschichte [5], zur Mediengeschichte und -theorie sowie zur Kulturinformatik. 1966 erscheint seine Dissertation zu Friedrich Schlegel und Novalis, die versucht, das Werk der beiden Romantiker hinsichtlich einer ‚Dialektik der Aufklärung’ zu lesen. [1], S. xxx In diesem Sinn löst sich Schanze von der älteren Novalis-Forschung und stößt dabei zu neuen, komplexen Einsichten vor. Bücher zum Drama im bürgerlichen Realismus [2], zu Goethes Dramatik [6] sowie zu Goethes Faust [7] sollten folgen. Aber auch der Romantik-Forschung bleibt Schanze weiterhin verbunden: 1994 gibt er das Romantik-Handbuch [8] heraus, das heute als Standardwerk gilt.

Zugleich gehört Schanze zu der Generation von Germanisten, die sich schon sehr frühzeitig auf medienwissenschaftliche Problemstellungen einlassen. Schanzes Medienkunde für Literaturwissenschaftler [9], die bereits 1974 erscheint, betritt diesbezüglich ebenfalls Neuland, insofern sie sich noch vor dem Aufstieg der Medienwissenschaften aus dem Geist der Germanistik (Jochen Hörisch, Friedrich Kittler, Helmut Kreuzer, S.J. Schmidt, Wetzel) mit den möglichen Fragestellungen und Grundlagen einer ‚medienkundlich’ informierten Literaturwissenschaft befasst. In der Folge intensiviert und erweitert Schanze diesen Zweig seiner Lehr- und Forschungstätigkeit und wird darin zum ausgewiesenen Fachmann für die Theorie und Praxis des Fernsehens. [10], [11], [12] Aber auch der von Schanze geprägte Begriff der „digitalen Plattform“ [13], [14], das von ihm herausgegebene Handbuch der Mediengeschichte (2001) [15] sowie das Lexikon Medientheorie/Medienwissenschaft (2002) [16] zeugen von der von Schanze auf diesem Gebiet vorangetriebenen Grundlagenforschung – beide Bücher zählen zu den Standardwerken medienkulturwissenschaftlicher Forschung.

Zudem gilt Schanzes Interesse von Anfang an einer ‚medienreflexiven’ Literatur, d.h. einer Literatur, die sich nicht nur den Medien zuwendet, sondern auch die eigene Medialität zu reflektieren in der Lage ist. Einen weiteren Fokus von Schanzes Arbeit bildet daher nicht zufällig die Rhetorik und Rhetorikforschung. Hier macht er sich mit Publikationen zur Rhetorik im Allgemeinen, zu Rhetorik und Philosophie sowie zu Nietzsches Rhetorik[17] einen Namen. Schanze ist außerdem Mitherausgeber der Buchreihen „Figuren“, „Indices zur deutschen Literatur“ und „Medien und Fiktionen“.

Publikationen (Auswahl)

  • Romantik und Aufklärung. Untersuchungen zu Friedrich Schlegel und Novalis. Nürnberg 1966.
  • Drama im bürgerlichen Realismus (1850–1890). Theorie und Praxis. Frankfurt a. Main 1973.
  • Medienkunde für Literaturwissenschaftler. Einführung und Bibliographie. München 1974.
  • Rhetorik – Beiträge zu ihrer Geschichte in Deutschland vom 16.–20. Jahrhundert. Frankfurt a. Main 1974 (Hg.).
  • Goethes Dramatik. Theater der Erinnerung. Tübingen 1989.
  • Rhetorik und Philosophie. München 1989 (Mhg.).
  • Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland. Perioden – Zäsuren – Epochen. Heidelberg 1991 (Mhg.).
  • Romantik-Handbuch. Stuttgart 1994 (Hg.).
  • Das Fernsehen und die Künste. München 1994 (Mhg.)
  • Nietzsche oder „Die Sprache ist Rhetorik“. München 1994 (Mhg.)
  • Fernsehgeschichte der Literatur. Voraussetzungen – Fallstudien – Kanon. München 1996 (Hg.)
  • Interaktive Medien und ihre Nutzer. 4 Bände. Opladen 1998–2002 (Mhg.).
  • Faust-Konstellationen. Mythos und Medien. München 1999.
  • Handbuch der Mediengeschichte. Stuttgart 2001 (Hg.).
  • Lexikon Medientheorie/Medienwissenschaft. Ansätze – Personen – Grundbegriffe Stuttgart/Weimar 2002 (Hg.).
  • Medienwertung. München 2001 (Mhg.).
  • Theorien der Neuen Medien. Kino – Radio – Fernsehen – Computer. Paderborn 2007 (Mitautor).
  • Goethe – Musik. Paderborn 2009.
  • Grundkurs Medienwissenschaften. Uni-Wissen Germanistik. Stuttgart 2009.

Einzelnachweise

  1. a b Schanze, Helmut: Romantik und Aufklärung. Untersuchungen zu Friedrich Schlegel und Novalis. Nürnberg 1966.
  2. a b Schanze, Helmut: Drama im bürgerlichen Realismus. Frankfurt am Main 1973.
  3. Schanze, Helmut (Hrsg.): Die andere Romantik. Frankfurt am Mai 1967.
  4. Schanze, Helmut: Index zu Novalis: Heinrich von Ofterdingen Frankfurt am Main 1968
  5. Schanze, Helmut: Rhetorik. Beiträge zu ihrer Geschichte in Deutschland vom 16. - 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1974
  6. Schanze, Helmut: Goethes Dramatik. Theater der Erinnerung. Tübingen 1989.
  7. Schanze, Helmut: Faust-Konstellationen. Mythos und Medien. München 1999
  8. Schanze, Helmut (Hrsg.): Romantik-Handbuch. Stuttgart 1994
  9. Schanze, Helmut: Medienkunde für Literaturwissenschaftler. München 1974
  10. Schanze, Helmut: Fernsehgeschichte der Literatur. Voraussetzungen, Fallstudien, Kanon. München 1996.
  11. Schanze, Helmt (Hrsg.): Fernsehgeschichte - Fernsehgeschichten. Siegen 1997.
  12. Schanze, Helmut: Das Fernsehen und die Künste. München 1994. (=Kreuzer, Helmut (Hrsg.): Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2)
  13. Schanze, Helmut: Forum und Theater: Anmerkungen zu einem rhetorikgeschichtlichen Thema. In: Oesterreich, Peter L.; Sloane, Thomas O.(Hrsg.): Rhetorica Movet: Studies in Historical and Modern Rhetoric in Honour of Heinrich F. Plett. Leiden 1999, S. 499.
  14. Rusch, Gebhard; Schanze, Helmut; Schwering, Gregor: Theorien der Neuen Medien. Kino - Radio - Fernsehen - Computer. Paderborn 2007, S. 99ff.
  15. Schanze, Helmut: Handbuch der Mediengeschichte. Stuttgart 2001.
  16. Schanze, Helmut (Hrsg.): Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft. Stuttgart 2002.
  17. Kopperschmidt, Josef; Schanze, Helmut (Hrsg.): Nietzsche oder 'Die Sprache ist Rhetorik'. München 1994.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Helmut Recknagel — Helmut Recknagel …   Deutsch Wikipedia

  • Helmut Hadwiger — Nation Osterreich  Österreich Ge …   Deutsch Wikipedia

  • Paul-Ausserleitner-Schanze — Paul Ausserleitner Schanze …   Deutsch Wikipedia

  • Dudenrother Schanze — p3 Dudenrother Schanze Dudenrother Sc …   Deutsch Wikipedia

  • Tonbildschau — Die Tonbildschau, heute Slideshow, ist eine Vorführung vertonter Dias oder digitaler Fotos, deren Projektion durch mindestens einen Beamer (Projektor) auf ein Bildfeld erfolgt. Durch den Einsatz mehrerer Projektoren sind spezielle Effekte wie… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Persönlichkeiten der Stadt Aachen — Die folgende Liste enthält Personen, die in Aachen geboren wurden sowie solche, die zeitweise dort gelebt und gewirkt haben, jeweils chronologisch aufgelistet nach dem Geburtsjahr. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.… …   Deutsch Wikipedia

  • Medienforschung — Medienwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Medien, insbesondere den Massenmedien, und der öffentlichen Kommunikation. Die Medienwissenschaft gründet in der sprach und geisteswissenschaftlichen Beschäftigung mit den Medien… …   Deutsch Wikipedia

  • Medienlinguistik — Die Medienlinguistik ist eine noch junge Teildisziplin der Linguistik, die sich mit der Sprache und dem Sprachgebrauch in medialer Kommunikation befasst und an der Schnittstelle zwischen Sprachwissenschaft und Medienwissenschaft steht.… …   Deutsch Wikipedia

  • Medienwissenschaftler — Medienwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Medien, insbesondere den Massenmedien, und der öffentlichen Kommunikation. Die Medienwissenschaft gründet in der sprach und geisteswissenschaftlichen Beschäftigung mit den Medien… …   Deutsch Wikipedia

  • Wolfgang Preisendanz — (* 28. April 1920 in Pforzheim; † 29. September 2007) war ein deutscher Germanist und maßgeblicher Literaturwissenschaftler. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Wirken 3 Werke (Auswahl) …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”