Helmut Kentler

Helmut Kentler

Helmut Kentler (* 2. Juli 1928 in Köln; † 9. Juli 2008 in Hannover) war ein deutscher Psychologe und Professor für Sozialpädagogik an der Universität Hannover.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur wollte Helmut Kentler zunächst Theologie studieren, um Pfarrer zu werden. Sein Vater hingegen verlangte von ihm eine technische Berufsausbildung. So machte Kentler zunächst eine Schlosserlehre bei der Lokomotivfabrik Henschel in Kassel und bekam anschließend einen Studienplatz in Elektrotechnik an der RWTH Aachen. Nach dem Tod des Vaters brach er das Studium in Aachen ab. 1953 bis 1954 machte er eine Dolmetscherausbildung in Englisch und Französisch[1]. Danach studierte er in der Schweiz und in Freiburg im Breisgau Psychologie, Medizin, Pädagogik und Philosophie. 1960 bestand er die Diplomhauptprüfung für Psychologie. Schon während seines Studiums beteiligte er sich an einem mehrjährigen Feldversuch mit Arbeiterjugendlichen, den er in seinem Buch über Jugendarbeit in der Industriewelt dokumentierte und reflektierte. Nach Beendigung seines Studiums war er zunächst als Jugendbildungsreferent an der Evangelischen Akademie Arnoldshain tätig. Im Anschluss daran arbeitete er von 1962 bis 1965 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und 'erster Pädagoge' im Studienzentrum für Evangelische Jugendarbeit in Josefstal bei Neuhaus am Schliersee. Die maßgeblich von ihm mit entwickelte Theorie einer emanzipatorischen Jugendarbeit machte ihn bundesweit bekannt.[2] Im Folgejahr war er als Assistent von Klaus Mollenhauer an der PH Berlin. Danach wurde er Abteilungsleiter für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung am Pädagogischen Zentrum Berlin und von 1967 bis 1974 ebendort Abteilungsdirektor. 1975 promovierte er in Hannover und erhielt 1976 einen Ruf als Hochschullehrer für die Ausbildung von Berufsschullehrern für Sonderpädagogik an die Universität Hannover, an der er bis zu seiner Emeritierung 1996 lehrte.

Kentler war ledig und hatte drei Adoptivsöhne.

Leistungen

Kentler gehörte zu den Befürwortern einer »emanzipatorischen« Jugendarbeit und zählt zu den Vertretern der Sexualaufklärung der 1960er und 1970er Jahre. In seiner Tätigkeit als Gerichtsgutachter und Experte für Kinder- und Jugendsexualität erreichte er in Fachkreisen Bekanntheit. Von 1979 bis 1982 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, später war er Beirat der Humanistischen Union.

Theorie und Praxis gehörten für Helmut Kentler zeitlebens eng zusammen. Aus der Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen während seines Studiums und in den fünf Berufsjahren in kirchlichen Bildungseinrichtungen erwuchsen seine Einsichten in eine Theorie emanzipatorischer Jugendarbeit. Er machte in Theorie und Praxis erfahrbar, was Gruppenpädagogik und was Teamarbeit als vertrauensvolle und respektvolle Zusammenarbeit von Pädagogen mit unterschiedlicher Fachkompetenz und was die Einsicht in psychosoziale Zusammenhänge für den Lern- und Emanzipationsprozeß für Jugendliche und Erwachsene bedeutet.[3] Dies war in den 1960er Jahren eine Neuerung für die kirchliche Bildungsarbeit. Er wirkte neben seinen beruflichen Aufgaben auch beratend und lehrend in verschiedenen pädagogischen Praxisfeldern mit, so von 1970-74 im pädagogischen Beirat der ersten vom Berliner Senat geförderten Wohngemeinschaft für Trebegänger und entlaufene Fürsorgezöglinge am Maxdorfer Steig.[4]

Während der Studentenunruhen in Berlin nahm er als Polizeipsychologe in beratenden Funktion eine wichtige Vermittlerrolle ein. Aus den sexuellen Befreiungsversuchen der Berliner Studenten in Kommunen und Wohngemeinschaften resultierte sein Eintreten für eine emanzipatorische Sexualerziehung schon im Elternhaus[5], das sich in seiner Dissertation 1975 auch wissenschaftlich niederschlug und ihn im weiteren Verlauf seines Berufslebens zum Experten für Sexualerziehung werden ließ.

Schriften (Auswahl)

  • Jugendarbeit in der Industriewelt. Bericht von einem Experiment, Juventa Verlag München 1962
  • Was ist Jugendarbeit?, zus. mit C. W. Mueller, K. Mollenhauer und H. Giesecke, Juventa München 1964
  • Jugendarbeit mit emanzipierter Jugend, in: Deutsche Jugend, 1969, Heft 5
  • Eltern lernen Sexualerziehung; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1995
  • Leihväter. Kinder brauchen Väter; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
  • Sexualwesen Mensch; München: Piper, 1988
  • Die Menschlichkeit der Sexualität; München: Kaiser, 1983
  • Taschenlexikon Sexualität; Düsseldorf: Schwann, 1982
  • Sexualerziehung; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1981
  • Urlaub, einmal anders; Düsseldorf (Hrsg. DGB-BuVo, Abt.Jug,) 1975
  • Texte zur Sozio-Sexualität; Opladen: Leske, 1973

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aus: Eltern lernen Sexualerziehung, Umschlagseite
  2. [1] abgerufen am 9.November 2011
  3. vgl. Jugendarbeit in der Industriewelt: Folgerungen für die Jugendarbeit
  4. vgl.: Neuer Rundbrief. Information über Familie, Jugend und Sport, Berlin, 3/1970, 2/1972 und 2/1974
  5. Eltern lernen Sexualerziehung, Rowohlt 1975

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