Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
Basisdaten
Titel: Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
Kurztitel: Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz
Abkürzung: RBEG
Art: Bundesgesetz (Deutschland)
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Erlassen aufgrund von: Art. 74 I Nr. 7 GG
Rechtsmaterie: Sozialrecht, Besonderes Verwaltungsrecht
Fundstellennachweis: 8601-5
Datum des Gesetzes: 24. März 2011
(BGBl. I S. 453)
Inkrafttreten am: 1. Januar 2011
GESTA: G022
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG) regelt seit seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 2011 die Bedarfsermittlung für die Höhe der pauschalierten monatlichen Leistung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe in Deutschland. Es ersetzt die Regelsatzverordnung, in der zuvor die Zusammensetzung und Ermittlung der Leistungshöhe normiert war. Das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz wird nach § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II in entsprechender Weise auch für die Anpassung des Regelbedarfs von Beziehern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zugrunde gelegt.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzgebungsverfahren

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 die Bemessung der Regelsätze für verfassungswidrig befunden und den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens Ende des Jahres eine neue gesetzliche Regelung hierzu zu schaffen. Das Gericht entschied im Wesentlichen, das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sichere jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Der Gesetzgeber müsse dieses, dem Grunde nach unverfügbare und einzulösende Grundrecht in einem formellen Gesetz konkretisieren und stetig aktualisieren, indem er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichte. Dabei stehe ihm ein Gestaltungsspielraum zu. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs habe der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen. Der typische Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums könne durch einen monatlichen Festbetrag gedeckt werden, für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf müsse ein zusätzlicher Leistungsanspruch eingeräumt werden. Die Regelung müsse insgesamt „folgerichtig“ ausgestaltet sein.[1][2][3]

Der Gesetzgeber war dieser Vorgabe nicht fristgemäß nachgekommen. Während des Sommers 2010 entspannte sich eine lebhafte innenpolitische Diskussion um die Fortentwicklung der sozialen Sicherung.[4] Sie wurde in den Massenmedien einerseits bestimmt durch die umstrittenen Ausführungen von Thilo Sarrazin (SPD) zum Thema in seinem Buch Deutschland schafft sich ab, andererseits durch die Äußerungen von Guido Westerwelle zur angeblichen Gefahr einer „spätrömischen Dekadenz“ bei Hilfebedürftigen für den Fall, dass die Regelsätze zu hoch bemessen würden.[5] In diesem Zusammenhang wurde auch erwogen, Bildungsleistungen für Kinder und Jugendliche nur über eine Chipkarte als Sachleistung zu gewähren. Der Vorschlag ist später fallengelassen worden, weil er nicht praktikabel war.[6]

Der vom Bundestag diskutierte und erst im Dezember 2010 auch beschlossene Gesetzentwurf[7] war zustimmungsbedürftig und stieß bei den Oppositionsparteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, die den Bundesrat dominierten, auf Widerspruch.[8] Die Grünen forderten einvernehmlich mit mehreren Sozialverbänden und Armutsforschern, die Regelleistung auf 420 Euro anzuheben, die Linke sprach sich für eine Erhöhung auf 500 Euro monatlich aus.[9] Deshalb kam es zu einem langwierigen Verfahren im Vermittlungsausschuss.[10] Dabei waren die Neufassung der Bestimmungen über die Höhe der Regelsätze nur ein Verhandlungspunkt unter mehreren. Insbesondere musste auch eine Neuregelung für die Organisation der Grundsicherungsbehörden gefunden werden, denn das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Jahr 2007 das Modell der Jobcenter wegen der dabei praktizierten Mischverwaltung ebenfalls für verfassungswidrig befunden. Das Ende der Übergangsregelung zur Bewältigung der Organisationsreform und der Stichtag, bis zu dem die Bestimmungen über die Regelbedarfe neu zu fassen waren, fielen beide auf den 31. Dezember 2010.[11]

Die Verhandlungen wurden zunächst von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Manuela Schwesig (SPD) geführt. Später traten als Verhandlungsführer auch die Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), Wolfgang Böhmer (CDU) und Horst Seehofer (CSU) auf.[12]

Erst Ende Februar 2011 kam es zu einer Einigung. Bundestag und Bundesrat stimmten den umfangreichen Gesetzesänderungen einschließlich der Neuregelung des Regelbedarfs in ihren Sitzungen am 25. Februar 2011 zu.[13]

Das RBEG wurde als Artikel 1 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch unter dem 24. März 2011 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt I am 29. März 2011 verkündet.[14]

Neuregelung der Regelbedarfe

Neuer Rechtsbegriff des „Regelbedarfs“

Der bisherige Begriff des Regelsatzes bzw. der Regelleistung wurde mit der Neuregelung durch den Rechtsbegriff des Regelbedarfs ersetzt.

Statistikmethode

Wie auch schon in der alten Regelsatzverordnung stellt der Gesetzgeber weiterhin auf die sogenannte Statistikmethode ab, die die früher im Fürsorgerecht verwendete Warenkorbmethode abgelöst hat.[15][16]

Grundlage für die Bestimmung der Bedarfe sind gemäß § 28 SGB XII mehrere Sonderauswertungen zur Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, die das Statistische Bundesamt und die Statistischen Landesämter erstellen.[17] Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) wird alle fünf Jahre erhoben. Von den hierzu herangezogenen Haushalten werden zur Auswertung die Daten derjenigen abgesetzt, in denen Personen leben, die Leistungen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II oder die Elterngeld beziehen oder die im Erhebungszeitraum Anspruch auf eine Eigenheimzulage hatten. Aus den verbleibenden Haushalten werden die unteren 15 % der Einpersonen- und die unteren 20 % der Mehrpersonenhaushalte in die Auswertung einbezogen.

Aus den dann vorliegenden Zahlen werden im weiteren Verlauf noch einige Posten abgesetzt, die aus politischen Gründen nicht zu den zu deckenden Bedarfen gezählt werden. Die danach verbleibenden „regelbedarfsrelevanten“ Ausgaben von Erwachsenen, die in Einpersonenhaushalten leben, sowie von Kindern und Jugendlichen (bis zur Vollendung des sechsten bzw. des 14. Lebensjahrs bzw. zwischen dem Beginn des 15. und dem Ende des 18. Lebensjahrs) in Mehrpersonenhaushalten werden in den § 5, § 6 RBEG gesetzlich festgesetzt. Nach der EVS ergab sich etwa für alleinstehende Erwachsene nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung ein Regelbedarf ohne Miet- und Heizkosten von 535,33 Euro pro Monat. Hiervon wurden aber lediglich 361,81 Euro als regelbedarfsrelevant vom Gesetzgeber anerkannt.[18] Demnach setzt sich der Regelbedarf für einen Erwachsenen in einem Einpersonenhaushalt folgendermaßen zusammen:

Nr. EVS-Abteilung und Einzelposten Euro
1 Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke 128,46
2 Alkoholische Getränke, Tabak und Drogen 000,00
3 Bekleidung und Schuhe 030,40
4 Wohnen, Energie und Instandhaltung 030,24
5 Innenausstattung, Haushaltsgeräte u. -Gegenstände 027,41
6 Gesundheitspflege 015,55
7 Verkehr 022,78
8 Nachrichtenübermittlungen 031,96
9 Freizeit, Unterhaltung, Kultur 039,96
10 Bildung 001,39
11 Beherbergungs- und Gaststättenleistungen 007,16
12 Andere Waren und Dienstleistungen 026,50
Summe 361,81

Diese jeweiligen Beträge werden auf den 1. Januar 2011 fortgeschrieben und gerundet. Hieraus ergeben sich gemäß § 8 RBEG in Verbindung mit der Anlage zu § 28 SGB XII sechs sogenannte Regelbedarfsstufen von je monatlich

  • 364 Euro für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die als alleinstehende oder alleinerziehende Person einen eigenen Haushalt führt;
  • 328 Euro für zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten, Lebenspartner, in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führen;
  • 291 Euro für eine erwachsene leistungsberechtigte Person, die weder einen eigenen Haushalt führt noch als Ehegatte, Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt führt;
  • 275 Euro für eine leistungsberechtigte Jugendliche oder einen leistungsberechtigten Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres;
  • 242 Euro für ein leistungsberechtigtes Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres und
  • 213 Euro für ein leistungsberechtigtes Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.

Abweichend hiervon wurden die Zahlungen für Kinder und Jugendliche der drei zuletzt genannten Stufen leicht angehoben auf 287, 251 bzw. 215 Euro.

Die regelmäßige Anpassung der Regelbedarfe an die geänderten Verhältnisse ist nicht im RBEG geregelt, sondern in § 28a SGB XII, auf den auch § 20 Abs. 5 Satz 1 SGB II verweist. Dabei werden demnach in einem Mischindex zu 70 % die Preisentwicklung und zu 30 % die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter zu Grunde gelegt. Die Anpassung erfolgt zum 1. Januar eines jeden Jahres, und sie ist im vorhergehenden November im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Nach § 138 SGB XII werden die Regelbedarfsstufen hiervon abweichend nur zum 1. Januar 2012 zusätzlich zu der regelmäßigen Anpassung mit einer Veränderungsrate von 0,75 % fortgeschrieben. Diese weitere Anpassung ergibt sich aus der Veränderungsrate des Mischindexes für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 gegenüber dem Jahresdurchschnittswert aus dem Jahr 2009. Das führt zu einer zusätzlichen Anhebung des jeweiligen Regelbedarfs um 3 Euro. Die letztgenannte Regelung ging auf die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss zurück und war eine Forderung der SPD.[12]

§ 10 RBEG bestimmt, dass die Sonderauswertung auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 bis zum 1. Juli 2013 vorzunehmen ist. Hierüber hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Bericht zu unterbreiten, in dem auch die Weiterentwicklung der Auswertung im einzelnen zu diskutieren sein wird.

Die Neuregelung der Regelbedarfe ist gemäß Artikel 14 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453, 496) rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Soweit die Leistungen aufgrund eines früher erlassenen Bescheids nicht erbracht worden waren, besteht ein Anspruch auf Nachzahlung für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten und der Verkündung des Gesetzes. Gleiches gilt auch für die neu eingeführten Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche („Bildungspaket“) sowie für die nunmehr aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zu erbringenden Kosten der Warmwasserbereitung. Alle übrigen Änderungen traten mit Wirkung ab dem 1. April 2011 in Kraft.[19]

Anpassung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2012

Im September 2011 wurde bekanntgegeben, wegen der hohen Inflationsrate in dem Referenzzeitraum sollten die Regelbedarfe ab Januar 2012 um insgesamt 10 Euro für die Regelbedarfsstufe 1 auf 374 Euro monatlich erhöht werden (Regelbedarfsstufe 2: 337 Euro; Regelbedarfsstufe 3: 299 Euro; Regelbedarfsstufe 6: 219 Euro). Die Regelbedarfsstufen 4 und 5 für Kinder und Jugendliche sollen unverändert bleiben. Dem Beschluss des Bundeskabinetts hat der Bundesrat zugestimmt.[20][21].

Kritik

Das neue Recht führte zu einer Erhöhung des Regelbedarfs für alleinstehende Erwachsene um fünf Euro, während die Geldleistungen für Kinder nicht angehoben wurden. Ihnen sollen stattdessen Sachleistungen zur Bildung und Teilhabe zuteil werden, die allerdings von den Eltern gesondert beantragt werden müssen, was häufig unterbleibt.[22][23] Deshalb wurde kritisiert, diese letztlich nur geringfügigen Änderungen hätten die Lage der Hilfebedürftigen nicht verbessert, insbesondere durch die unmittelbar vorhergehende Spargesetzgebung der Bundesregierung sei den Betroffenen unter dem Strich mehr genommen als gegeben worden.[24]

Bündnis 90/Die Grünen trugen den Kompromiss nicht mit, weil sie ihn für verfassungswidrig hielten. Sie schieden deshalb unter der Führung von Renate Künast aus den Verhandlungen aus.[25][26] Ebenso wie die Linke,[27] teilte auch die SPD die verfassungsrechtlichen Bedenken, unterstützte die Einigung aber dennoch.[26][12]

Die verfassungsrechtliche Kritik betrifft mehrere Elemente des gesetzlichen Programms zur Regelbedarfsermittlung sowie dessen Zustandekommen im Vermittlungsausschuss.

Zunächst wurde darauf hingewiesen, dass die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ursprünglich nicht dafür konzipiert worden war, der Bestimmung von Regelbedarfen zu Grunde gelegt zu werden.[6] Die Anhebung der Regelsätze sei willkürlich gewesen und der vorangegangenen innenpolitischen Diskussion geschuldet gewesen: „Die Union hatte fünf, die SPD elf Euro vorgeschlagen – am Ende einigte man sich in der Mitte.“[9] Für einige Beobachter hatte sich zudem der Eindruck ergeben, bei der Bemessung der Leistungen seien Rechentricks angewandt worden, um die Ausgaben für soziale Zwecke nicht noch deutlicher anheben zu müssen.[18] Auch wurde kritisiert, dass die „verdeckte Armut“ von Personen, deren Einkommen nur unwesentlich unterhalb des Regelbedarfs liege und die deshalb darauf verzichteten, Leistungen zu beantragen, nicht aus der Statistik herausgerechnet werde. Dies führe zu einer Verzerrung der Bedarfsermittlung.[28] Beispielsweise würden auch Aufstocker, die ergänzende Leistungen zum Lebensunterhalt als Arbeitslosengeld II beziehen, weil ihr Arbeitseinkommen unterhalb des Regelbedarfs zuzüglich der Kosten für die Wohnung und der Mehrbedarfe liegt, nicht aus der Statistik herausgerechnet.[6] Die Erhöhung des Bedarfs um fünf Euro pro Monat sei mit anderen Elementen der Neufassung verquickt worden und deshalb „eine Mogelpackung“. Außerdem werde viel Geld, das der Bund ab 2013 einsetzen werde, um die Ausgaben der Kommunen zu begrenzen, der Bundesarbeitsagentur zur Erfüllung ihrer Aufgaben fehlen, was sozialpolitisch verfehlt sei.[23] Auch der Deutsche Verein kritisierte unmittelbar nach dem Zustandkommen des Gesetzes, die „Regelbedarfsermittlung weise erhebliche Schwächen auf, die bis zum Juli 2013 durch weitergehende Untersuchungen behoben werden solten.“[29]

Die regelmäßige Anpassung der Leistungen über einen Mischindex, der auf der Preisentwicklung und auf der Entwicklung der Nettolöhne beruht, ist kritisiert worden, weil hierbei Verzerrungen in den statistischen Berechnungen erfolgen können. Wenn die Nettolöhne stagnieren, wirke sich dies auch auf die Ausgaben und damit auf die Ergebnisse der Einkommen- und Verbraucherstichprobe aus. Es wäre deshalb sachgerechter gewesen, die Anpassung der Leistungen ausschließlich an die Preisentwicklung zu binden.[30]

Weiterhin wurde die inkonsequente Anwendung des Statistikmodells kritisiert. Wenn aus dem statistisch ermittelten Bedarf einzelne Punkte als nicht „regelbedarfsrelevant“ herausgerechnet würden – so etwa Ausgaben für Alkohol, Tabak, Schnittblumen, Hundefutter oder die chemische Reinigung –, führe das zu einer Mischung von Statistik- und Warenkorbmethode, wodurch es zu einer zu niedrigen Schätzung des Existenzminimums kommen könne.[18] Auch erfolge der Inflationsausgleich bei dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren zu spät. Deshalb sei der tatsächliche Bedarf der Betroffenen auch durch die Neuregelung nicht sichergestellt.[31][32]

Literatur

  • Peter Becker: Grundsicherung für Arbeitsuchende 2.0: Die Neuregelungen durch das RBEG vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtslage und Rechtsprechung. In: ZfSH/SGB. 2011, S. 185–197.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. BVerfG: Urteil – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09. 9. Februar 2011, abgerufen am 2. September 2011.
  2. BVerfG, Pressestelle: Regelleistungen nach SGB II („Hartz IV- Gesetz“) nicht verfassungsgemäß. 9. Februar 2011, abgerufen am 6. September 2011 (Pressemitteilung).
  3. Zu dem Urteil vgl. ausführlich: Stephan Rixen: Verfassungsrecht ersetzt Sozialpolitik? „Hartz IV“ auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts. In: Sozialrecht aktuell. 2010, S. 81–87, abgerufen am 9. September 2011 (beruht auf der Urteilsanmerkung des Autors in: SGb 2010, 240).
  4. Jutta Roitsch: Grundrechte – nur gegen Bezugsschein. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. Februar 2011, S. 29–32, abgerufen am 13. September 2011.
  5. Guido Westerwelle: Hartz-IV-Debatte: An die deutsche Mittelschicht denkt niemand. In: welt.de. 11. Februar 2011, abgerufen am 7. September 2011: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“
  6. a b c Rudolf Martens: Die Hartz-IV-Abrechnung. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. November 2010, S. 5–8, abgerufen am 13. September 2011.
  7. Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. Deutscher Bundestag, 29. November 2010, abgerufen am 6. September 2011 (BT-Drs. 17/3958).
  8. Zur Diskussion im Deutschen Bundestag vgl.: kgp/dpa/dapd: Koalition paukt Hartz-IV-Reform durch den Bundestag. In: Spiegel online. 3. Dezember 2010, abgerufen am 7. September 2011.
  9. a b Martin Staiger: Lehrstück Hartz IV. In: Blätter für deutsche und internationale Politik. April 2011, S. 12–15.
  10. Johannes Münder: Sozialgesetzbuch II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. In: Johannes Münder (Hrsg.): Lehr- und Praxiskommentar. 4. Auflage. Nomos Verlag, Baden Baden 2011, ISBN ISBN 978-3-8329-5429-1 (Einleitung, Rn. 26 m.w.N.).
  11. BVerfG: Urteil – 2 BvR 2433/04 – 2 BvR 2434/04. 20. Dezember 2007, abgerufen am 7. September 2011.
  12. a b c Matthias Bartsch, Christoph Hickmann: „In Berlin wird zu viel taktiert“. In: Der Spiegel. Nr. 9, 2011, S. 30–33 (Interview mit Kurt Beck: „Der Regelsatz wird ja 2012 um weitere drei Euro erhöht, wir haben dann insgesamt eine Erhöhung um acht Euro. … Gemessen daran, dass es sonst gar keine Lösung gegeben hätte, bin ich mit diesem Kompromiss zufrieden. … Ich habe durchaus Zweifel. … Wir hätten es wie die Grünen machen und aussteigen können. Aber das wäre nur zu Lasten der Schwächsten der Gesellschaft gegangen.“).
  13. SGB II/SGB XII-Redaktion: Editorial: Änderungen zum SGB II/SGB XII in dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. In: info also. 2011, S. 51.
  14. Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. In: Bundesgesetzblatt I. Nr. 12, 2011, S. 453–456.
  15. Anne Lenze: Sozialgesetzbuch II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. In: Johannes Münder (Hrsg.): Nomos Kommentar. Reihe Lehr- und Praxiskommentare. 4. Auflage. Nomos Verlag, Baden Baden 2011, ISBN 978-3-8329-5429-1 (Anhang zu § 20 SGB II, Rn. 1–5).
  16. Zum älteren Recht vgl.: Bernd Schulte, Peter Trenk-Hinterberger: Sozialhilfe. Eine Einführung. 2., neubearbeitete Auflage. C. F. Müller, Heidelberg 1986, ISBN 3-8114-6585-6 (S. 153ff.).
  17. Vgl. hierzu ausführlich: Anne Lenze: Sozialgesetzbuch II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. In: Johannes Münder (Hrsg.): Nomos Kommentar. Reihe Lehr- und Praxiskommentare. 4. Auflage. Nomos Verlag, Baden Baden 2011, ISBN 978-3-8329-5429-1 (Anhang zu § 20 SGB II, Rn. 6–8).
  18. a b c Ute Kötter: Nach der Reform ist vor der Reform? – Die Neuregelung der Regelbedarfe im SGB II und SGB XII. In: info also. Abgerufen am 7. September 2011 (2011, 99–106).
  19. SGB II/SGB XII-Redaktion: Was gilt jetzt eigentlich – und wenn ja, ab wann? Inkrafttreten der Änderungen zum SGB II/SGB XII in dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch. In: info also. 2011, S. 51–53.
  20. Zeit online, AFP, dpa: Zehn Euro mehr für Langzeitarbeitslose ab 2012. In: zeit.de. 14. September 2011, abgerufen am 14. September 2011.
  21. Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nummer 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 – RBSFV 2012) vom 17. Oktober 2011, BGBl. I, S. 2090
  22. Lisa Caspari: Nur wenige haben Interesse am Bildungspaket. Die staatlichen Vereins- oder Nachhilfegutscheine für Kinder stoßen bisher auf wenig Resonanz. Die Jobcenter wissen, wieso das so ist. In: zeit.de. 28. Juni 2011, abgerufen am 7. September 2011: „Die Sozialverbände sehen sich dennoch in ihrer grundsätzlichen Kritik am Gutschein-System bestätigt: Es sei zu kompliziert, zu bürokratisch und gehe an der ‚Lebensrealität‘ völlig vorbei, sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, Ulrich Schneider. Hinzu kommt, dass die Gutschein-Regelung voraussetzt, dass die Betroffenen von sich aus aktiv werden. Sie müssen zum Amt gehen und sich zu den Leistungen durchfragen. Wenn es den Eltern psychisch oder körperlich schlecht geht, passiert dies oft nicht – und die Leistungen kommen gerade bei den Kindern nicht an, die sie vielleicht am nötigsten brauchen.“
  23. a b Ursula Engelen-Kefer: Arbeitslose bezahlen Hartz-IV-Reform. Die Kommunen bekommen viel Geld, damit sie den Hartz-IV-Kompromiss umsetzen. Es wird der Bundesagentur für Arbeit fehlen. In: freitag.de. 4. März 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  24. Kolja Rudzio: Zu wenig, zu spät. Der Hartz-IV-Kompromiss leidet an schwarz-gelber Knausrigkeit. Und Kinder in Problemfamilien werden weiterhin zu wenig gefördert. In: zeit.de. 23. Februar 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  25. dpa, Reuters, AFP: Grüne steigen aus Hartz-IV-Verhandlungen aus. Die Unterhändler der Grünen haben überraschend die Gespräche im Hartz-IV-Streit verlassen. Eine verfassungskonforme Einigung sei nicht mehr möglich gewesen. In: zeit.de. 21. Februar 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  26. a b faz.net: SPD sieht „nicht alle Zweifel ausgeräumt“. 21. Februar 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  27. dpa, Reuters, AFP: Bundestag und Bundesrat stimmen Hartz-IV-Reform zu. In: zeit.de. 25. Februar 2011, abgerufen am 7. September 2011.
  28. Anne Lenze: Expertin kritisiert Neuregelung: „Das Hartz-IV-Gesetz wird so nicht standhalten“. In: tagesschau.de. 1. April 2011, abgerufen am 7. September 2011 (Interview): „Es wurde an allen möglichen Stellschrauben zu Lasten der Leistungsempfänger gedreht, um ja die Geldleistung nicht zu erhöhen. Dahinter steckt eine gewisse Absicht: Denn nach Berechnungen einiger Wohlfahrtsverbände würden jedem Erwachsenen mindestens 420 Euro zustehen, hätte man die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eins zu eins übertragen. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit gäbe es dann auch zwei Millionen mehr Leistungsempfänger, die zusätzlich zu ihrem niedrigen Einkommen auch Anspruch auf Hartz-IV hätten, weil sie heute im Niedriglohnsektor arbeiten. Das würde die prekären Arbeitsverhältnisse vieler Menschen in Deutschland sichtbar machen. Das will die Regierung natürlich nicht, denn man würde nach außen etwas zugeben, was man lieber verdeckt halten möchte.“
  29. Jonathan I. Fahlbusch: Aus der Arbeit des Deutschen Vereins: Arbeitskreis „Grundsicherung und Sozialhilfe“. In: NDV. 2011, S. 234–236.
  30. Anne Lenze: Sozialgesetzbuch II. Grundsicherung für Arbeitsuchende. In: Johannes Münder (Hrsg.): Nomos Kommentar. Reihe Lehr- und Praxiskommentare. 4. Auflage. Nomos Verlag, Baden Baden 2011, ISBN 978-3-8329-5429-1 (§ 20 SGB II, Rn. 43 m.w.N.).
  31. Hans-Böckler-Stiftung: Neues Gutachten: Neue Regelungen zu Hartz-IV-Sätzen: in wesentlichen Punkten verfassungsrechtliche Probleme. 5. September 2011, abgerufen am 7. September 2011 (Pressemitteilung).
  32. Irene Becker, Johannes Münder: Sind die neuen Regelbedarfe des SGB II und SGB XII verfassungsgemäß? In: SozSich. Abgerufen am 7. September 2011 (Sonderausgabe September 2011).
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