Gerald Stourzh

Gerald Stourzh

Gerald Stourzh (* 15. Mai 1929 in Wien) ist ein österreichischer Historiker und Politikwissenschaftler, der sich besonders mit der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, der politischen Ideengeschichte und der österreichischen Geschichte beschäftigt. Als Professor lehrte er von 1964 bis 1969 an der Freien Universität Berlin, von 1967 bis 1968 an der Princeton University und ab 1969 bis zu seiner Emeritierung 1997 an der Universität Wien.

Inhaltsverzeichnis

Leben und akademische Karriere

Gerald Stourzh wurde 1929 als Kind von Herbert und Helene Stourzh (geborene Anderle) in Wien geboren. Beide Eltern waren bürgerliche, protestantische Akademiker; seine Mutter, eine Gynäkologin hatte 1915 im Fach Medizin promoviert, sein Vater war Beamter und betätigte sich nebenher als Philosoph und Schriftsteller. Bereits 1934 warnte Herbert vor den Gefahren des „Nationalbestialismus“, wie er den Nationalsozialismus nannte; auch dem Austrofaschismus stand er ablehnend gegenüber. Nach dem Anschluss Österreichs bekam Herbert Stourzh Probleme mit der Gestapo, die ab 1940 gegen ihn ermittelte, härteren Schikanen entging er wahrscheinlich nur durch seinen Krebstod 1941. Der Antirassismus und Antinationalismus seines Vaters prägten Gerald Stourzh zeitlebens stark.[1][2]

Mit 21 Jahren ging Gerald Stourzh ins Ausland, um Geschichte zu studieren. Zunächst tat er dies an der Universität Clermont-Ferrand, später in Birmingham. Von 1951 bis 1958 verbrachte er schließlich an der American Foundation for Political Education in Chicago und absolvierte parallel dazu ein Postgraduate-Studium der Politikwissenschaft und Soziologie. Im Anschluss daran kehrte er nach Wien zurück, baute dort die Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik mit auf und fungierte bis 1962 als deren Generalsekretär.[1]

1964 erhielt Stourzh den Ruf an die Freie Universität Berlin, wo er bis 1969 als Professor lehrte. In den Jahren 1967/68 lehrte er parallel dazu auch an der Princeton University. Im Jahr 1969 nahm er schließlich eine Professur an der Universität Wien an, die er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997 ausfüllte.[1]

Werk

Gerald Stourzh hat ein umfangreiches Werk vorzuweisen, das sich vor allem mit der Geschichte Österreichs vom Zusammenbruch der Doppelmonarchie bis zum Österreichischen Staatsvertrag und der Entstehung eines neuen Österreichischen Nationalbewusstseins beschäftigt. Daneben publizierte er auf englisch auch Bücher zur politischen Theorie und zur Geschichte der Vereinigten Staaten. Vor allem sein Buch Geschichte des Staatsvertrages: 1945-1955. Österreichs Weg zur Neutralität von 1980 gilt als Schlüsselwerk zu diesem Themenkomplex.[1]

Von Stourzh herausgegebene oder verfasste Schriften sind unter anderem:[3]

  • Benjamin Franklin and American foreign policy (1954)
  • Alexander Hamilton and the idea of republican government (1970)
  • Vom Widerstandsrecht zur Verfassungsgerichtsbarkeit (1974)
  • Kleine Geschichte des Österreichischen Staatsvertrages (1975)
  • Geschichte des Staatsvertrages 1945–1955 (1980)
  • Die Gleichberechtigung der Nationalitäten in der Verfassung und Verwaltung Österreichs 1848–1918 (1985)
  • Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft. (1986)
  • Spuren einer intellektuellen Reise: drei Essays (2009)
  • Der Umfang der österreichischen Geschichte: Ausgewählte Studien 1990-2010 (2011)

Würdigungen

Stourzh hat die Ehrendoktorwürde der Universitäten Graz und Chicago inne, zudem ist er Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich und des Goldenen Ehrenzeichens des Landes Wien.[1]

Quellen und Verweise

Literatur

  • Gerald Stourzh, Margarete Grandner: Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 1986. ISBN 3486529714, S. 365.
  • Gerald Stourzh: Spuren einer intellektuellen Reise: drei Essays. Böhlau Verlag Wien, Wien 2009. ISBN 3205783581.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Zeithistoriker Gerald Stourzh wird 80 Kleine Zeitung online, www.kleinezeitung.at, 15. Mai 2009. Abgerufen am 5. Jänner 2011.
  2. Stourzh 2009, S. 16.
  3. Stourzh & Grandner 1986, S. 365.

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