Gefährliche Körperverletzung (Deutschland)

Gefährliche Körperverletzung (Deutschland)

Bei der in § 224 StGB geregelten „gefährlichen Körperverletzung“ handelt es sich um eine Qualifikation. Bei bestimmten Arten der Körperverletzung, die durch genauere Merkmale definiert sind, wird die Strafandrohung erheblich erhöht, weil diese Begehungsweisen als in hohem Maße gefährlich eingestuft werden:

Inhaltsverzeichnis

Objektiver Tatbestand

(1) Wer die Körperverletzung
1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.

§ 224 nennt katalogartig einige Begehungsformen für die gefährliche Körperverletzung. Die gefährliche Körperverletzung verlangt zuerst eine Körperverletzung nach § 223. Dabei muss der Täter mit Vorsatz bezüglich der Körperverletzung handeln. Zu unterscheiden ist dieser Körperverletzungsvorsatz vom Vorsatz für die Begehungsformen der gefährlichen Körperverletzung. Von der gefährlichen Körperverletzung ist die schwere Körperverletzung nach § 226 StGB zu unterscheiden.

Durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen

Gift ist jede organische oder anorganische Substanz, die unter bestimmten Bedingungen durch ihr chemisches oder chemisch-physisches Wirken dazu geeignet ist, die Gesundheit in erheblichen Maße zu beschädigen. Andere gesundheitsschädliche Stoffe sind solche, die durch mechanische oder thermische Wirkung in der Lage sind, einen erheblichen pathologischen Zustand des Körpers hervorzurufen oder zu steigern. Darunter fallen unter anderem Alkohol (in hohen gesundheitsschädlichen Mengen), Bakterien, Viren (so z.B. auch HI-Viren[1]), heiße Flüssigkeiten und gesplittertes Glas. Beibringen erfordert das Herstellen einer Verbindung zwischen dem Gift beziehungsweise dem anderen Stoff und dem Körper, so dass sich die gesundheitsschädigende Wirkung entfalten kann.[2]

Der Täter muss dabei auch vorsätzlich gehandelt haben, also gewusst haben, dass der zugeführte Stoff giftig ist und die Gesundheit des Opfers schädigt, und auch gewollt haben, dass der giftige Stoff dem Opfer beigebracht wird und im Körper des Opfers seine Wirkung entfaltet.

Mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs

Als Waffe gelten Objekte, die nach Art ihrer Anfertigung nicht nur geeignet, sondern auch dazu bestimmt sind, Menschen durch ihre Wirkung zu verletzen[3]. Sie bilden damit eine Untergruppe der gefährlichen Werkzeuge, womit alle Gegenstände gemeint sind, mit denen aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und der konkreten Benutzungsweise erhebliche körperliche Verletzungen hervorgerufen werden können[4]. So können bei entsprechender Anwendung auch eine Holzlatte oder ein Baseballschläger darunter fallen. Auch das Ausdrücken einer brennenden Zigarette im Gesicht eines Menschen[5] kann besonders schlimme Folgen herbeiführen und wird deshalb dazu gezählt. Körperteile fallen nicht darunter, sehr wohl aber Prothesen, wenn sie als Schlagwerkzeug eingesetzt werden. Auch der beschuhte Fuß wird allgemein als gefährliches Werkzeug (wegen des Schuhs) angesehen. Nicht ausreichend ist das mittelbare Benutzen von körperlichen Gegenständen, wie das Schubsen gegen eine Mauer o.ä. Am 6. September 1968 entschied der BGH[6] hierzu unter Bezug auf den damaligen §223a:

"Werkzeuge im Sinne des § 223 a StGB sind nur solche Gegenstände, die durch menschliche Einwirkung in Bewegung gesetzt werden können. Eine mit dem Gebäude fest verbundene Wand ist kein Werkzeug in diesem Sinne."

Im selben Urteil wird darauf hingewiesen, dass chemisch wirkende Mittel und ein auf den Menschen gehetzter Hund (vgl. BGH, 26. Februar 1960 - 4 StR 582/59) als gefährliches Werkzeug gelten. Eine Ausdehnung auf feste Wand, gewachsener Boden und Fels wird abgelehnt. Das natürliche Sprachempfinden würde sich dagegen wehren. Auch "das Antragserfordernis bildet kein entscheidendes Hindernis, da bei erheblicheren Verletzungen in der Regel das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen sein wird.". Es wird dabei also auf den Erfolg verwiesen. Aber auch ohne tatsächlich eingetretene schwere Folge kann eine Strafbarkeit begründet sein, denn es genügt vielmehr bereits die potentielle Gefährlichkeit des Werkzeugs im konkreten Fall[7].

Mittels eines hinterlistigen Überfalls

Ein hinterlistiger Überfall bezeichnet einen plötzlichen, unerwarteten Angriff auf einen Ahnungslosen (Überfall)[8], wobei der Täter seine wahren Absichten planmäßig verdeckt, um dem Opfer die Abwehr zu erschweren (hinterlistig)[9]. Ein solcher Überfall liegt in der Regel auch dann vor, wenn der Täter Gift nach § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB einsetzt. Er ist erst dann ausgeschlossen, wenn von dem Gift aufgrund des Geruchs schon im Vorfeld (also bei Versuchsbeginn) Kenntnis genommen wird.

Der BGH entschied[10], dass ein Angriff von hinten und unter Ausnutzung des Überraschungsmoments für Hinterlist nicht ausreicht. Der Täter fasste den Entschluss erst, nachdem das Opfer an ihm vorbeigegangen war, es fehlte daher die planmäßige Verdeckung der Tat.

Mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich

Mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich wird die Körperverletzung dann begangen, wenn der Täter am Tatort mit einer weiteren Person zusammenwirkt, die entweder als Mittäter, Teilnehmer oder Gehilfe fungiert[11]. Unbedingt erforderlich ist, dass der Mittäter oder Teilnehmer beim Angriff auch tatsächlich zugegen ist; denn der Angriff ist für das Opfer gerade deswegen gefährlicher, weil es sich einer Überzahl von Angreifern gegenübersieht und damit der Attacke noch hilfloser entgegensteht. Entscheide des BGH dazu u.a.:

Das Zusammenwirken des Täters einer Körperverletzung mit einem Gehilfen kann zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes der "mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich" begangenen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) ausreichen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der am Tatort anwesende Gehilfe die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters bewußt in einer Weise verstärkt, welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist.[12]
Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch – unterstützt[13]

Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung

Eine das Leben gefährdende Behandlung liegt bei einer Einwirkung vor, die gemäß den konkreten Umständen in der Lage ist, das Leben des Opfers zu gefährden[14]. Es reicht dabei nach herrschender Ansicht die generelle Lebensgefährlichkeit. Eine tatsächliche Lebensgefährdung des Opfers muss nicht eintreten. Schläge an besonders gefährdete Stellen, wie Kehle oder Bauchbereich, die insbesondere im Hinblick auf Weichteilblutungen gefährdet sind, reichen somit aus. Eine davon abweichende Mindermeinung verlangt eine tatsächliche (konkrete) Lebensgefährdung. Der Vorsatz des Täters muss dabei nur die Umstände erfassen, die objektiv das Urteil der Lebensgefährlichkeit tragen, ohne selbst sein Vorgehen als lebensgefährdend einschätzen zu müssen; dann nämlich wäre in aller Regel schon Tötungsvorsatz gegeben. Der BGH sieht eine das Leben gefährdende Behandlung:

"... angesichts des Würgegriffs, des festen rückwärtigen Hochziehens des Kopfes und des Knebelungsversuchs gegen das bäuchlings am Boden liegende, dort mit Kniedruck in den Rücken fixierte Opfer".[15]

Auch Tritte gegen den Bauch einer Schwangeren sind Handlung im Sinne von § 224 I Nr. 5.[16]

Historischer Überblick

Der Tatbestand als gefährliche Körperverletzung wurde als Qualifikation im Jahre 1876 in das Reichsstrafgesetzbuch eingeführt. Grund war der zwischen der einfachen und der schweren Körperverletzung klaffende Strafunwert. Gerade wenn der Handlungsunwert besonders hoch lag, allerdings kein Erfolg im Sinne der schweren Körperverletzung eingetreten war, schien der Strafrahmen des § 223 StGB zu knapp. § 223a StGB lautete in der Fassung der Einführung (RGBl. 1876, S. 25, 37): Ist die Körperverletzung mittels einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, oder mittels eines hinterlistigen Ueberfalls (sic!), oder von Mehreren gemeinschaftlich, oder mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter zwei Monaten ein. Im Juni 1912 wurde dem § 223a StGB ein weiterer Absatz angefügt. § 223a Abs. 2 StGB (RGBl. 1912 I S. 395, 396) enthielt eine Fassung, die der Misshandlung von Schutzbefohlenen ähnelte, wobei sich hier der Fall auf eine gebrechliche oder wegen Krankheit behandlungsbedürftige Person im Schutzbereich des Täters beschränkte. Diese Vorschrift ging alsbald im § 223b StGB, dem späteren § 225 StGB, auf. Zwischenzeitlich zeigte der Radbruchsche Strafgesetzentwurf eine Ausdifferenzierung und neuerliche Beschränkung des § 223a StGB auf (§§ 260, 261, 266, 267 StGB-Entwurf). Die Fassung des § 223a StGB bestand bis 1998 fort. Die Versuchsstrafbarkeit wurde als § 223a Abs. 2 StGB mit dem EGStGB zum 1. Januar 1975 eingeführt.

Einzelnachweise

  1. LG Würzburg JuS 2007, S.772 ff.
  2. BGHSt 32, 130, 133
  3. BGHSt 4, 125, 127
  4. BGH NStZ 2007, 405
  5. BGH NStZ 2002, 30
  6. BGH 4 StR 320/68
  7. Schmidt/Priebe, Strafrecht BT I, 6.Aufl. 2007, Rn. 326
  8. Ellbogen, JuS 2002, 151 ff.
  9. BGH NStZ 2004, 93
  10. Entscheidung vom 8. Mai 2007, 4 StR 173/07
  11. BGH NStZ 2003, 86 f.
  12. BGH, 3. September 2002, 5 StR 210/02
  13. BGH, 22. Dezember 2005, 4 StR 347/05
  14. BGHSt 2, 160 ff.
  15. BGH-Entscheidung vom 3. Juli 2007, 5 StR 37/07
  16. BGH-Entscheidung vom 22. Juni 2007, 2 StR 203/07
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