Frauenkirche (Dresden, romanischer Vorgängerbau)

Frauenkirche (Dresden, romanischer Vorgängerbau)

Die romanische Frauenkirche ist der erste, durch bauliche Überreste nachgewiesene Vorgängerbau der Frauenkirche in Dresden.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Bereits 1728 stellte Christian August Freyberg, Rektor der Dresdner Annenschule, fest, „daß im Grunde gar keine Nachricht von der Fundation der Kirche anzutreffen gewesen“[1] – bis heute fehlen zur Gründung der zeitigsten Frauenkirche schriftliche oder bildliche Überlieferungen.

Im Jahr 968 war das Bistum Meißen gegründet worden, das dem Erzbistum Magdeburg unterstand. Von Meißen aus begannen die geistlichen Helfer des Meißner Bischofs, die im heute sächsischen Raum lebenden Sorben zu missionieren. Zu diesem Zweck entwickelte sich bis zum Jahr 1000 eine Kirchenorganisation mit zahlreichen Missionskirchen, die zwar als Königskirchen galten, jedoch zumeist auf Initiative der Bischöfe, aber auch der Markgrafen gegründet wurden.[2] Als wahrscheinlich gilt, dass die Frauenkirche im damaligen Gau Nisan von einem Meißner Bischof gegründet wurde,[3] der auch das Patronat über das Gotteshaus besaß. Die Frauenkirche lag zu dem Zeitpunkt erhöht nahe einer Flussüberquerung auf dem linken Elbufer und damit an der Altstraße, die Dohna mit Meißen verband. Eine slawische Siedlung, die später Dresden genannt wurde, kann zu dieser Zeit nur für eine rechtselbische Siedlung angenommen werden,[4] während das linkselbische Ufer um die Frauenkirche weitgehend unbesiedelt war. In die Frauenkirche eingepfarrt waren zu Beginn rund 30 rechts- und linkselbisch gelegene sorbische Dörfer, die bis zu zehn Kilometer von der Kirche entfernt lagen.[5] Mit der sorbischen Dorfsiedlung Poppitz, die heute südwestlich der Annenkirche läge, besaß die Frauenkirche zudem ein Dos, das ihr zur materiellen Ausstattung bei der Gründung übereignet worden war.

Gründung und mögliche erste Frauenkirchbauten

Historiker gehen davon aus, dass die erste Frauenkirche zunächst als „Missionsstation ohne festen Sprengel“[6] bestand und abseits eines Burgwardmittelpunkts lag. Angrenzend waren westlich der Burgward Briesnitz mit einer eigenen Kirche und der Weißeritzburgward, der sich östlich des Burgwards Briesnitz befand. Die Erbauungszeit der ersten Frauenkirche muss angesichts des Missionsstatus Ende des 10. beziehungsweise Anfang des 11. Jahrhunderts gelegen haben. Um 1590 soll an die Kirchendecke geschrieben worden sein, dass die Kirche 560 Jahre alt sei; eine Gründung der Kirche „um 1020“ wurde daher von Chronisten des 17.[7] und 18.[8] Jahrhunderts als möglich angegeben. Archäologe Reinhard Spehr legte das Erbauungsjahr der Frauenkirche auf die Zeit „um 1060“;[9] seine im Jahr 1987 durchgeführte Grabungen auf dem ehemaligen Frauenkirchhof legten Gräberreste vermutlich aus dem 11. oder frühen 12. Jahrhundert frei, die auf eine zugehörige ältere Kirche schließen lassen.[9] Da es von dieser Kirche keine baulichen Überreste gibt und der Steinbau zu dieser Zeit noch weitgehend unbekannt war, wird es sich bei der ersten Frauenkirche um einen Sakralbau aus Holz gehandelt haben.[10]

Der romanische Steinbau

Im Laufe des 12. Jahrhunderts muss die Frauenkirche mit ihrem Friedhof an Bedeutung und Reichtum gewonnen haben beziehungsweise die umliegenden Siedlungen müssen derart gewachsen sein, dass der Plan einer steinernen Kirche in die Tat umgesetzt wurde. Im Jahr 1987 freigelegte Wandfundamente dieses Baus waren 1,05 Meter dick und bestanden aus in Lehm verlegtem Plänerschiefer.[9] Fundamentmauern ausschließlich aus Plänerschiefer wurden in Dresden unter anderem im Bereich der Stadtmauer und der mittelalterlichen Burg gefunden und datieren in das letzte Viertel des 12. Jahrhunderts. Erst beim Bau der Dresdner Brücke, der um 1173 begann, ist erstmals die Verwendung von Sandstein nachgewiesen, der in der Folgezeit zunehmend zum Bau benutzt wurde. Dies sowie kleine Scherbenfunde im Baulehm der Plänermauern, die grob auf das 12. Jahrhundert datiert werden können, lassen einen Bau der ersten steinernen Frauenkirche vor 1170 wahrscheinlich sein.[11]

Die Stiftskirche in Wurzen – ein möglicherweise ähnliches Kirchenschiff wie das der ersten steinernen Frauenkirche

Der Steinbau besaß eine äußere Breite von 21 Metern, deretwegen Spehr im Bau eine dreischiffige Basilika vermutete.[9] Auch Heinrich Magirius geht, architekturtypologischen Überlegungen folgend, davon aus, dass es sich bei der hochmittelalterlichen Frauenkirche um eine querschiffslose Kurzbasilika gehandelt haben könnte, die in Sachsen ähnlich unter anderem für Geithain, Rochlitz und Rötha nachgewiesen ist. Sie war dabei länger als breit, geht man davon aus, dass für den Nachfolgebau die Stelle des Triumphbogens gleich blieb und die Breite des Mittelschiffs von rund acht Metern übernommen wurde, wie dies bei Kirchenbauten des Mittelalters durchaus gängig war.[12] Mittelpfeiler lassen sich für diesen Sakralbau nicht nachweisen, auch wenn die Seitenschiffe in Basiliken des Mittelalters in der Regel durch Arkadenbögen vom Mittelschiff abgeteilt waren.[12] Die Ausbildung des Chors ist nicht bekannt, da der Westabschluss durch den Bau einer Kanalisation an dieser Stelle zerstört wurde.

Der über Analogien und archäologische Funde rekonstruierte Bau dürfte Ähnlichkeit mit der 1114 geweihten Stiftskirche St. Marien in Wurzen aufgewiesen haben: Bei beiden Bauten war das Langhaus breiter als lang; auch in der Stiftskirche sind die Seitenschiffe vom Mittelschiff über zwei Pfeiler mit drei Arkaden abgeteilt. Die Breite des Mittelschiffs beträgt acht Meter, sodass das Raumgefühl der Stiftskirche im Ansatz das des ersten Frauenkirchsteinbaus widerspiegeln dürfte.

Im 14. Jahrhundert wurde die romanische Frauenkirche durch den gotischen Nachfolgebau umbaut. Der gotische Bau umgab den romanischen Bau dabei wie eine Glocke.[11]

Literatur

  • Manfred Kobuch: Die Anfänge der Dresdner Frauenkirche. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2002. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2002, ISBN 3-7400-1189-0, S. 47–52.
  • Reinhard Spehr: Grabungen in der Frauenkirche von Nisan/Dresden. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen. Konrad Theiss, Stuttgart 1994, S. 206–217.

Einzelnachweise

  1. Christian August Freyberg: Historie der Frauen-Kirche in Neu-Dresden. Bodenehrn, Dresden 1728, S. 1.
  2. Walter Schlesinger: Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter. Band 1: Von den Anfängen kirchlicher Verkündigung bis zum Ende des Investitutstreits. Böhlau, Köln 1962, S. 147.
  3. Manfred Kobuch: Die Anfänge der Dresdner Frauenkirche. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2002. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2002, S. 47.
  4. Die aktuelle Forschung bezieht diesen Ansatz auf die sorbische Bezeichnung der Siedlungsbewohner „Drežďany“, in dem das altsorbische Wort „drezga“ (Wald, Dickicht) enthalten ist. Die Waldbewohner lassen sich direkt auf die Bewohner einer rechtselbischen Seite beziehen, die von der Dresdner Heide bewachsen war, nicht jedoch auf den unbewaldeten linkselbischen Teil. Vgl. Manfred Kobuch: Die Anfänge der Dresdner Frauenkirche. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2002. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2002, S. 49.
  5. Heinrich Magirius: Die Dresdner Frauenkirche von George Bähr. Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 2005, S. 12.
  6. Walter Schlesinger: Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter. Band 1: Von den Anfängen kirchlicher Verkündigung bis zum Ende des Investiturstreits. Böhlau, Köln 1962, S. 198.
  7. Anton Weck: Der Chur-Fürstlichen Sächsischen weitberuffenen Residentz und Haupt-Vestung Dresden Beschreib- und Vorstellung. Joh. Hoffmann, Nürnberg 1680, S. 13, 245.
  8. Johann Gottfried Michaelis: Dreßdnische Inscriptiones und Epitaphia. Schwencke, Alt-Dresden 1714, [S. 19/678].
  9. a b c d Reinhard Spehr: Grabungen in der Frauenkirche von Nisan/Dresden. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen. Konrad Theiss, Stuttgart 1994, S. 211.
  10. Manfred Kobuch: Die Anfänge der Dresdner Frauenkirche. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2002. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2002, S. 52.
  11. a b Reinhard Spehr: Grabungen in der Frauenkirche von Nisan/Dresden. In: Judith Oexle (Hrsg.): Frühe Kirchen in Sachsen. Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen. Konrad Theiss, Stuttgart 1994, S. 212.
  12. a b Heinrich Magirius: Die Kirche „Unser Lieben Frauen“ in Dresden – Der Vorgängerbau der Frauenkirche George Bährs. In: Die Dresdner Frauenkirche. Jahrbuch 2002. Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2002, S. 65.

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