Carl von Noorden (Historiker)

Carl von Noorden (Historiker)
Carl von Noorden

Carl Friedrich Johannes von Noorden (* 11. September 1833 in Bonn; † 25. Dezember 1883 in Leipzig) war ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Carl Friedrich Johannes von Noorden war ein deutscher Historiker, Enkel von Christian Friedrich Nasse. Er studierte in Bonn, bei u.a. bei Ernst Moritz Arndt, Friedrich Christoph Dahlmann, Johann Wilhelm Löbell, weiterhin in Marburg und Berlin insbesondere bei Leopold von Ranke Sprachwissenschaft und Literatur, dann Geschichte, habilitierte sich 1863 als Privatdozent der Geschichte in Bonn mit einer Arbeit zu Hinkmar, Erzbischof von Reims, wurde 1868 ordentlicher Professor der Geschichte in Greifswald, 1870 in Marburg, 1873 in Tübingen, 1876 in Bonn und 1877 in Leipzig. Er wurde Nachfolger von Heinrich Wuttke, mit der auch eine Umbenennung des Lehrstuhles für die Historischen Hilfswissenschaften in den für Mittlere und Neuere Geschichte einherging.

Sein Leichnam wurde nach Bonn überführt und sein Grab befindet sich auf dem dortigen Alten Friedhof. Vor seinem akademischen Amt als Geschichtsprofessor war von Noorden auch literaturwissenschaftlich tätig und veröffentlichte musikwissenschaftliche Beiträge und Kritiken.

Noorden war Mitglied der Königlich Sächsischen Gesellschaft für Wissenschaften zu Leipzig und seit 1874 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

Bedeutung Noordens

Noorden, der ebenfalls wie sein Freund Wilhelm Maurenbrecher, Schüler bei Heinrich von Sybel war, schrieb dezidiert politische europäische Geschichte als Universalgeschichte. Sein unvollendetes Hauptwerk widmete sich der neueren Geschichte Spaniens, welche nur wenig Aufmerksamkeit fand. Die von ihm geschriebenen Bände behandeln den Spanischen Erbfolgekrieg. Seine Arbeitsfelder waren hauptsächlich die Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts und das Zeitalter Kaiser Karls V.. Seine historischen Vorträge gaben zu erkennen, dass er seine historischen Forschungen auf die gesamte Geschichte Europas ausdehnte. So erschienen von ihm Beiträge oder Vorträge u. a. zu Frau Maintenon, Wilhelm III. von Oranien oder Lord Bolingbroke, also zur politischen Geschichte Englands, Frankreichs und der Niederlande. Die genannten Vorträge sind in einem Sammelband durch Maurenbrecher herausgegeben worden. Ein nicht unwichtiger Aufsatz zu Ranke und Macaulay, in: Historische Zeitung 17 (1867), S. 87–138, schildert Tendenzen zur Geschichtsschreibung Englands und vermittelt zugleich einen Eindruck seines kritischen Urteilsvermögens und seines Gerechtigkeitssinnes.

Eine nachhaltige Bedeutung hatten seine geschichtswissenschaftlichen Arbeiten kaum, obwohl an deren wissenschaftlichen Wert niemals wirklicher Zweifel aufkam. Selbst sein Hauptwerk wurde verhältnismäßig wenig zitiert, obwohl es umfangreich war. Wenngleich die wissenschaftliche Bedeutung durch seine Zeitgenossen höher bewertet wurde, so blieb ihre Nachwirkung gegenüber zeitgenössischen Fachkollegen wie Wilhelm Maurenbrecher, Moriz Ritter, Heinrich von Treitschke oder auch Georg Voigt zurück. Daran mag auch sein frühes Ableben schuld sein, das ihm die Vollendung der weiteren von ihm geplanten Bände zu seiner europäischen Geschichte nicht gestattete. Wahrscheinlicher ist wohl, dass nach ihm stärker auf die spanische Geschichte eingegangen wurde, als es zu seiner Zeit der Fall war. Als weiterer wichtigen Vertreter der deutschen Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, der sich mit der neueren Geschichte Spaniens beschäftigte, gilt Hermann Baumgarten.

Noorden war der Urheber der Gründung des Königlich-Sächsischen Historischen Seminars an der Universität Leipzig im Jahre 1877. Auch in Tübingen war er maßgeblich an der Institutionalisierung eines historischen Seminars beteiligt. Der Geschichtsunterricht an dieser Universität wurde vorher nur von privaten Historischen Gesellschaften durchgeführt, die staatlich sanktioniert waren. Damit bekam die Geschichtsausbildung in Leipzig auch ihren institutionellen Rahmen verbunden mit geregelter finanzieller Ausstattung und mit einer Institutsbibliothek. In dieser Eigenschaft dürfte seine größte Bedeutung für die Geschichtswissenschaft, wenigstens für die Leipziger, gelegen haben. Heute ist er außer in Fachkreisen nahezu unbekannt. Sein Nachfolger auf seinem Lehrstuhl in Leipzig wurde 1884 Maurenbrecher. Noorden hielt auch Vorträge im „Kaufmaenischen Verein“ zu Leipzig. Maurenbrecher hob den lebendigen kräftigen Stil der Vorträge Noordens hervor. Der wohl bedeutendste Schüler Noordens war Karl Lamprecht, der bei ihm und dem Nationalökonomen Wilhelm Roscher mit „Beiträgen zur Geschichte des französischen Wirtschaftslebens im 11. Jahrhundert“ promovierte.

Schriften

  • Die Sage von Helgi, Bonn 1857.
  • Hinkmar, Erzbischof von Reims, Bonn 1863.
  • Europäische Geschichte im 18. Jahrhundert, 1. Abteilg.: Der spanische Erbfolgekrieg, Bd. 1–3 Düsseldorf 1870 bis 1882.
  • Historischen Vorträge, eingeleitet und herausgegeben von Wilhelm Maurenbrecher, Leipz. 1884. Dieser Band enthält eine Lebensbeschreibung Noordens durch Maurenbrecher wie auch ein vollständiges Schriften- und Semesterverzeichnis.

Literatur

  • Gustav BuchholzNoorden, Karl von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 23, Duncker & Humblot, Leipzig 1886, S. 768–772.
  • Willi Kahl: Carl von Noorden als Musikschriftsteller., In: Deutsches Jahrbuch der Musikwissenschaft 2 (1958), S. 85–96.
  • Leo Philippsborn: Carl von Noorden. Dissertation. Universität Göttingen 1963. Diese Dissertation gibt eine Biographie aufgrund erhaltener Abschriften des Briefwechsels zwischen Maurenbrecher und Noorden durch den Sohn Werner von Noorden.
  • Werner Fläschendräger: „Den besten Theil der Wirksamkeit ... verdanke ich der Errichtung eines seminaristischen Instituts“. Zur Vor- und Gründungsgeschichte des Historischen Seminars an der Universität Leipzig im Spiegel der Quellen. In: Leipziger Beiträge zur Universitätsgeschichte. 3, 1989, S. 78–89.
  • Max Braubach: Carl von Noorden. In: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Band 5: Geschichtswissenschaften. Bouvier, Bonn 1968, S. 162–169 (150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818–1968 Band 2, 5).
  • Markus Huttner: Die Geschichtswissenschaft an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert (1809–1909/15). Ein Habilitationsprojekt am Historischen Seminar der Universität Leipzig. In: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Berichtsjahr 1997. München 1998, S. 29–35. (online)
  • Markus Huttner: Disziplinentwicklung und Professorenberufung. Das Fach Geschichte an der Universität Leipzig im 19. Jahrhundert. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte. 71, 2000, S. 171–238.
  • Markus Huttner: Historische Gesellschaften und die Entstehung historischer Seminare – zu den Anfängen institutionalisierter Geschichtsstudien an den deutschen Universitäten des 19. Jahrhunderts. In: M. Middell, G. Lingelbach, F. Hadler (Hrsg.): Historische Institute im internationalen Vergleich. Leipzig 2001, S. 39–83. (= Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur im 20. Jahrhundert. Band 3.)

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