Formose

Formose

Formose ist ein Gemisch von Zuckern, das durch die Selbstkondensation von Formaldehyd an basischen Katalysatoren (Oxide und Hydroxide von Ca,Ba,Tl und Pb, jedoch nicht NaOH ) in Anwesenheit von CH-aktiven Verbindungen entsteht. Es wird vermutet, dass die Formosereaktion die Schlüsselreaktion bei der Entstehung der ersten Biomoleküle aus der Ursuppe war und somit die Basis für den Ursprung des Lebens darstellt.[1][2]

Durch sie entstehen zentrale Biomoleküle des Stoffwechsels (Glycerinaldehyd, Pentosen, Hexosen) aus dem einfachen C1-Baustein Formaldehyd (CH2O). Die Pentosen sind die Grundlage der RNA, dem der Träger der genetischen Information in der präbiotischen Phase der Evolution (Origin of Live).

Die Reaktion wurde von Butlerow 1861 entdeckt[3] und ihr komplexer Mechanismus wurde über viele Chemikergenerationen hinweg untersucht.[1][2][4]

Inhaltsverzeichnis

Reaktion

Bild 1.)
Cannizzaro Reaktion

Der springende Punkt bei dieser Reaktion ist die erste CC-Verknüpfung. Formaldehyd kann nicht unkatalysiert mit sich selbst reagieren, weil ein Elektrophil nicht mit einem anderen Elektrophil reagiert und im Formaldehyd gibt es nur ein Kohlenstoffatom. In einer reinen, alkalischen Formalinlösung läuft normalerweise nur die Cannizzaro-Reaktion ab, die Methanol und Ameisensäure liefert (Bild 1.).

Für eine CC-Verknüpfung wird eines der beiden Kohlenstoffatome, zumindest zwischenzeitlich umpolen. Dies geschieht auf elegante Weise im Formosezyclus (Bild 2.).

Bild 2.)
Autokatalytischer Zyclus der Formose Reaktion

Wird eine alkalische Formalinlösung mit einer kleinen Menge einer α-Hydroxycarbonylverbindung, wie zum Beispiel Glycolaldehyd angeimpft, schaukelt sich innerhalb kurzer Zeit ein autokatalytischer Prozess hoch, der die Reaktion in eine ganz andere Richtung lenkt. Durch eine Aldoladdition entsteht aus Glycolaldehyd Glycerinaldehyd, welcher über die Lobry-de-Bruyn-Alberda-van-Ekenstein-Umlagerung in Dihydroxyaceton überführt wird. Diese Verschiebung der Carbonylgruppe ist ganz wesentlich für den weiteren Aufbau der Kohlenstoffkette, denn dadurch wird das Reaktivitätsmuster umgepolt. Während im Glycerinaldehyd C1 elektrophil und C2 nukleophil war. wird im Dihydroxyaceton C2 elektrophil und C1 beziehungsweise C3, das formal aus dem vorher elektrophilen Formaldehyd stammt, nukleophil, so dss dort eine weitere Aldoladdition und somit eine weitere Kettenverlängerung stattfinden kann. Durch eine nochmalige van Ekensteinumlagerung wird das Reaktivitätsmuster wieder zurückgeschoben, so dass durch eine Retroaldolspaltung zwei Mole Glycol gebildet werden, die in den autokatalytischen Zyclus zurückfließen.

Bild 3.)
Zucker Halbacetale

Nach dem ersten Umlauf verdoppelt sich die Glycolaldehydmenge, nach dem zweiten vervierfacht, nach dem 10. vertausendfacht, nach dem 20. Umlauf liegt der Faktor bei einer Million, nach dem 30. bei einer Milliarde usw. (Bild 3.)

Die niederen Zucker Glycolaldehyd und Glycerinaldehyd können ihrerseits über Aldolkondensationen C5- oder C6-Zucker bilden. Sobald die Zucker die Größe von 5 oder 6 Kohlenstoffatomen erreicht haben, können sie zyklische Halbacetale ausbilden und werden somit als Carbonylverbindungen weitgehend außer Gefecht gesetzt, so dass keine höheren Kondensationsprodukte entstehen und somit die in der Natur weit verbreiteten Pentosen und Hexosen die stabilen Endprodukte der Reaktion sind.

Technisch kann diese Reaktion zur Herstellung von künstlichen Zuckern und nach deren Hydrogenolyse zur Herstellung von Glycolen (Ethylenglycol, Propylenglycol) verwendet werden.[4]

Selektive Formen der Formose-Reaktion

Mittels Vitamin B1 analogen Umpolungskatalysatoren auf der Basis von Thiazoliumyliden[5], Triazoliumyliden[6][7] und Peridiuniumyliden[8] kann die Formosereaktion selektiv zu Glycolaldehyd beziehiungsweise Dihydroxyaceton gelenkt werden.

Katalytische Umpolung
Thiazolium Katalyse Triazolium Katalyse Perimidinium Katalyse
Thiazolium Katalyse Triazolium Katalyse Perimidinium Katalyse

Technische Bedeutung der Formose-Reaktion

Angesichts der begrenzten Erdölreserven und der beinahe unbegrenzten Vorräten an C1-Quellen (Methanhydrat aus der Tiefsee, Kohle, Biogas) wurde seit den 1990er Jahren in der Chemischen Industrie die Forschung auf dem Gebiet der Formose Reaktion intensiviert, weil dies die einzigen selektiven Aufbaureaktionen auf C1-Basis sind und sie langfristig eine Umstellung der Rohstoffbasis ermöglichen.[9] [10]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Breslow, R. (1959). "On the Mechanism of the Formose Reaction". Tetrahedron Letters 21: 22–26.
  2. a b Albert Eschenmoser, „The search for the chemistry of life’s origin“, Tetrahedron 63 (2007) 12821–12844.
  3. Butlerov, A. M. (1861). "Einiges über die chemische Structur der Körper". Zeitschrift für Chemie 4: 549–560.
  4. a b DE4023255 Verfahren zur Herstellung von Glykolen, insbesondere Propylenglykol / EP 0468320 Process for the preparation of glycols from formaldehyde.
  5. DE000004122669A1 (1991) Verfahren zur Herstellung von Dihydroxyaceton.
  6. # DE000004212264A1 (1992) Verfahren zur katalytischen Herstellung von Kondensationsprodukten des Formaldehyds.
  7. DE000004230466A1 (1992) Verfahren zur katalytischen Herstellung von Kondensationsprodukten des Formaldehyds.
  8. DE000019536403A1 (1995) Perimidiniumsalze, ihre Herstellung und Verwendung.
  9. J. H. Teles, J.-P. Melder, K. Ebel, R. Schneider, E. Gehrer, W. Harder, S. Brode, Enders, K. Breuer, G. Raabe, Helvetica Chimica Acta 1996, 79, 61.
  10. Naturstoffchemie, von Gerhard G. Habermehl, Peter E Hammann, Hans C. Krebs, W. Ternes. books.google.de. Abgerufen am 2. Juni 2009.

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