Finnisch-Sowjetischer Vertrag von 1948

Finnisch-Sowjetischer Vertrag von 1948

Der Finnisch-Sowjetische Vertrag von 1948, offiziell als Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (englisch: Agreement of Friendship, Cooperation, and Mutual Assistance) bezeichnet und wegen seiner finnischen Bezeichnung Ystävyys-, yhteistyö- ja avunantosopimus (YYA-sopimus) (Finnlandschwedisch: Vänskaps-, samarbets- och biståndsavtalet (VSB-avtalet)), auch als YYA Treaty bekannte Vertrag war ein Abkommen zwischen Finnland und der Sowjetunion aus dem Jahre 1948, das von 1948 bis 1992 die Grundlage für das Verhältnis zwischen beiden Staaten bildete.

Mit dem am 6. April 1948 unterzeichneten Vertrag beabsichtigte die Sowjetunion einen Angriff westlicher Streitkräfte auf ihr Staatsgebiet über finnisches Territorium zu verhindern. Ziel der Finnen war eine größere politische Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Der Vertrag, dessen erste Versionen bereits zu Beginn des Jahres 1945 durch Mannerheim verfasst wurden, sicherte den Bestand eines demokratisch verfassten finnischen Staates in relativ geringer Entfernung zu strategisch wichtigen Gebieten der Sowjetunion wie etwa der Halbinsel Kola und zu Leningrad, der alten Hauptstadt Sankt Petersburg.

Der Vertrag verpflichtete Finnland zu bewaffnetem Widerstand gegen Angriffe Deutschlands oder seiner Verbündeten auf finnisches Territorium oder über finnisches Territorium gegen die Sowjetunion, wobei ein potentieller Angreifer Deutschland aber stellvertretend für die Vereinigten Staaten verstanden wurde. Falls sich die Notwendigkeit ergab, musste Finnland in diesem Falle um militärische Unterstützung durch die Sowjetunion nachsuchen. Der Vertrag berücksichtigte auch Finnlands Bestreben, sich aus den Auseinandersetzungen der Großmächte herauszuhalten und im Kalten Krieg die Politik eines neutralen Staates betreiben zu können. Der Vertrag wurde noch vor Ablauf seiner ursprünglich zehnjährigen Laufzeit in den Jahren 1955, 1970 und 1983 jeweils um 20 Jahre verlängert.

Auf Grund des unbestimmten Zustands der finnisch-sowjetischen Beziehungen in den Jahren nach dem Fortsetzungskrieg orientierte sich Finnland an einer strikt wortgetreuen Auslegung des Vertrages und nahm gleich den Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes keine Förderung durch Mittel des Marshallplanes in Anspruch, was die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Landes im Vergleich zu anderen (West-)europäischen Staaten in der Nachkriegszeit verlängerte und auch eine größere wirtschaftliche Abhängigkeit von der Sowjetunion zur Folge hatte. Finnland unterhielt in Folge des Vertrages nur sehr begrenzte Beziehungen zu westlichen Streitkräften, dazu gehörten auch Militärbündnisse wie die NATO und das geplante Skandinavische Verteidigungsbündnis. Dadurch hoffte man auch, politischen Druck der Sowjetunion zu einer engeren Anbindung an den Warschauer Pakt zu vermeiden.

Der Finnisch-Sowjetische Vertrag gilt als Eckpfeiler der Außenpolitik des finnischen Präsidenten Paasikivi. Auch unter seinem Amtsnachfolger Kekkonen war dieser Vertrag in den Jahren 1956 bis 1981 quasi als Paasikivi-Kekkonen-Linie maßgeblich für die finnische Außenpolitik, die sich als neutraler Staat im Laufe der Zeit mehr einer aktiven Rolle zuwandte. Der Vertrag ermöglichte der Sowjetunion in der Nachkriegszeit auch einen gewissen Einfluss auf die Innenpolitik Finnlands, der unter dem Begriff Finnlandisierung sprichwörtlich wurde. Umstritten ist jedoch, inwieweit Kekkonen diesen Vertrag zur Erweiterung des eigenen Einflußes und zur Einschränkung seiner politischen Gegner nutzte.

Abgesehen von der offiziellen Politik gab es allerdings auch eine gewisse, wenn auch in geringerem Umfang bekannt gewordene Zusammenarbeit mit dem Westen. So überließ beispielsweise die Sozialdemokratische Partei Finnlands seismische Daten über Kernwaffentests gegen finanzielle Zuwendungen der CIA. Im Gegenzug betrieben allerdings auch Ostblockstaaten wie etwa die DDR in Finnland Spionagenetzwerke, beispielsweise über das Ministerium für Staatssicherheit .

Die Sowjetunion hatte mit vielen Staaten, die zwar nicht direkt mit ihr verbündet, aber doch stark auf ihre Unterstützung angewiesen waren, vergleichbare Abkommen abgeschlossen. Dazu gehörten seit 1961 Nordkorea. Indien seit 1971 (Indisch-Sowjetisches Abkommen über Freundschaft und Zusammenarbeit) oder seit 1978 auch Vietnam. Das erste Abkommen dieser Art war bereits 1943 mit dem Freien Frankreich geschlossen worden.

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