Fensterhandwerker

Fensterhandwerker
Fensterhandwerker bei der Restaurierung von Kirchenfenstern.

Fensterhandwerker ist das aus Schweden stammende Berufsbild eines selbständigen Restaurators historischer Fenster (Fönsterhantverkare[1]). Fensterhandwerker setzen historische Fenster mit traditioneller Handwerkskunst instand unter der Verwendung historischer Materialien, moderner Geräte und neuen Handwerkmetoden.[2]

Inhaltsverzeichnis

Tätigkeit

Die von Allbäck für das Fensterhandwerk erfundene „Kittlampe“[3] ermöglichte als erstes Gerät die substanzschonende Entfernung spröder Kittfasen durch Infrarotstrahlung.

Die Instandsetzung historischer Fenster durch die Fensterhandwerker folgt der in Schweden entwickelten Instandsetzungsmethode der Fönsterhantverkare. Fensterhandwerker verwenden Materialien und Techniken aller Arbeitsschritte, die mit der Herstellung historischer Fenster verbunden waren. Die Arbeit der Fensterhandwerker beinhaltet daher historische Handwerksmethoden von Tischler, Maler, Glaser und Schmiede.[4] Alle Bestandteile und Materialien eines historischen Fensters können so von einem Handwerker repariert und gepflegt werden.[5] Die Entwicklung dieses Berufsbildes eines spezialisierten Fensterrestaurators ist mit der Erfindung spezieller Geräte verbunden: die von Allbäck erfundene „Kittlampe“[6] ermöglicht die substanzschonende Entfernung von altem Fensterkitt durch gezielte Infrarotstrahlung. Auch durch diese Erfindung wurde die Reparatur und Pflege historischer Fenster nach der Methode der Fensterhandwerker wegweisend für die authentische Erhaltung, bzw. Wiederherstellung unter Denkmalschutz stehender Fensterbestände in Deutschland.[7] Die denkmalgerechte, klar definierte Fensterinstandsetzung, bzw. Fensterrestaurierung muss heute von der unpräzisen und mehrdeutigen Fenstersanierung unterschieden werden.[8] Irreversible Veränderungen, die in die Substanz historischer Fenster eingreifen oder der komplette Ausbau historischer Fenster werden heute unter der Bezeichnung Fenstersanierung angeboten.[9][10] Diese Veränderungen an historischen Fenstern sind mit den Rechtsgrundlagen des Denkmalschutzes in den deutschen Bundesländern jedoch nicht vereinbar.[11] Die Arbeitsweise der Fensterhandwerker und ihre Grundsätze der Instandsetzung historischer Fenster[12] entspricht den Denkmalschutzgesetzen der Bundesländer.[13] Fensterhandwerker arbeiten daher eng mit den Denkmalbehörden zusammen.[14]

Das Berufsbild

Der Begründer des Fensterhandwerks Hans Allbäck und ein Seminarteilnehmer arbeiteten in der Malerwerkstatt der Bjäresjö Skola.

Das Berufsbild des Fönsterhantverkare wurde von Hans und Sonja Allbäck 1982 und 1983 entwickelt. Ab 1985 wurden die ersten Fensterhandwerker in Ystad, Schweden ausgebildet. Seit dem Jahre 1995 ist das Berufsbild in Deutschland bekannt[15] und seit dem Jahr 2000 wird der Beruf des selbständigen Fensterhandwerkers auch in Deutschland ausgeübt.[16] Das Fensterhandwerk ist in Deutschland nicht als Handwerksrolle in den Anlagen der Handwerksordnung aufgeführt.

Die wichtigsten Merkmale des Fensterhandwerks:

  • Nach dem Konzept der Begründer des Fensterhandwerks arbeiten Fensterhandwerker selbständig, unabhängig, eigenverantwortlich und kooperieren miteinander.
  • Fensterhandwerker reparieren und pflegen alte Fenster aus Holz und Eisen unter der ausschließlichen Verwendung bewährter traditioneller Materialien. Zur Konservierung von Holz und Metall werden daher nur hochwertiges rohes und gekochtes Leinöl, sowie Leinölfarbe ohne Lösungsmittel verwendet.
Ausbildung im Fensterhandwerk in der Bjäresjö Skola von Hans und Sonja Allbäck in Ystad.
  • Fensterhandwerker betrachten die Instandsetzung historischer Fenster als eine unteilbare Aufgabe. Sämtliche Schritte der Fensterinstandsetzung erfolgen aus einer Hand.
  • Fensterhandwerker beachten die Werte und Vorgehensweise bei der Konservierung und Restaurierung von Denkmalen, wie sie 1964 in der Charta von Venedig festgehalten wurden.
  • Fensterhandwerker entfernen keine historische Substanz wo es nicht für die Wiederherstellung eines historischen Fensters unbedingt erforderlich ist. Maßnahmen, die der funktionalen Verbesserung von Fensterverschlüssen dienen, werden von Fensterhandwerkern reversible ausgeführt.

Ursprünge

Das Berufsbild wurde in Schweden entwickelt, wo heute ungefähr 200 Fensterhandwerker arbeiten. Die Ausbildung zum selbständigen Fensterhandwerker begann in der von Hans und Sonja Allbäck in Ystad (Schweden) im Jahr 1985 gegründeten "Bjäresjö Skola"[17]. Anfang dieses Jahrhunderts wurden Teile der Ausbildung zum Fensterhandwerker von Schweden nach Finnland verlegt.[18] Die Grundlagen und Prinzipien des in Schweden entwickelten und praktizierten Fensterhandwerks, sowohl in Bezug auf die Restaurierung historischer Fenster als auch in Bezug auf das Berufsbild des "selbständigen und unabhängigen Fensterhandwerkers", werden auch in Werkstätten von Fensterhandwerkern vermittelt.

Situation in Deutschland

„Baufenster“ mit Dämmfolie schließen im Winter die Fensteröffnungen während der Instandsetzung. Die Flügel werden in den Werkstätten der Fensterhandwerker restauriert.

Im Jahr 1997 wurde das Fensterhandwerk von Allbäck in Deutschland eingeführt: die Stadt Leipzig ermöglichte Allbäck ein Pilotprojekt in dem die Methode der Fensterinstandsetzung der Fensterhandwerker exemplarisch vorgeführt wurde[19].

Im Gefolge wurde das Fensterhandwerk in Deutschland von Handwerkern des Tischler- und Malerhandwerks weiter entwickelt. Die Besonderheiten im deutschen historischen Fensterbau wurden bei der Weiterentwicklung des Fensterhandwerks mit berücksichtigt, da schwedische Fenster aus nordischer Fichte konstruiert wurden, während in Deutschland traditionell Eiche und Lärche verwendet wurden. Aus diesen Handwerkern haben sich selbständige Fensterhandwerker im Sinne des schwedischen Berufsbildes Fönsterhantverkare entwickelt, die seit dem Jahr 2000 eigene Werkstätten gegründet haben. Über die Zahl der in Deutschland tätigen Fensterhandwerker, deren Berufsbild mit dem schwedischen Berufsbild Fönsterhantverkare identisch ist, liegen keine verlässlichen Quellen vor. Selbständige Fensterhandwerker in Deutschland vermitteln Handwerkern unterschiedlicher Handwerksberufe, die eine Berufsausbildung abgeschlossen und das 18. Lebensjahr erreicht haben, das Fensterhandwerk. Diese Fortbildung zum selbständigen Fensterhandwerker, der ausschließlich historische Fenster instand setzt und instand hält, ist in Deutschland nicht institutionell reguliert. Der Beruf "Fensterhandwerker" ist in Deutschland gesetzlich nicht geschützt und wird als Fortbildung an privaten Bildungseinrichtungen weitervermittelt. Da der Beruf des Fensterhandwerkers in Deutschland nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, erhalten ausgebildete Fensterhandwerker, die in Deutschland ihren Beruf ausüben möchten, gemäß § 8 oder § 9 der Handwerksordnung nach einer bestandenen Prüfung durch die Handwerkskammer in der Regel eine unbefristete Ausnahmebewilligung in einem zulassungspflichtigen Handwerk. Diese Zulassung entspricht dem Meisterbrief, ist jedoch zumeist beschränkt auf die Instandsetzung und Instandhaltung historischer Fenster, Türen und Klappläden.

Literatur

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Fensterhandwerker – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Schrader, Mila: Fenster, Glas und Beschläge als historisches Baumaterial - Ein Materialfaden und Ratgeber. EDITION:anderweit, Suderburg 2001, S. 109 f ISBN 3-931824-04-7
  2. Allbäck, Sonja und Hans: Fensterhandwerk aus Schweden, In: Der Holznagel, Heft 3, Mai/Juni 2008, S. 33 ff.
  3. Allbäck, Sonja; Fredlund, Bertil: Windowcraft - Part One. In: Journal of Architectural Conservation. Volume 10, Number 2, July 2004, S. 56
  4. Schrader, Mila: Fenster, Glas und Beschläge als historisches Baumaterial - Ein Materialfaden und Ratgeber. EDITION:anderweit, Suderburg 2001, S. 109 f ISBN 3-931824-04-7
  5. Pearson, David: Naturarchitektur - Auf der Suche nach einer natürlichen Architektur. Vorwort von Victor Papanek. Wiese Verlag, Basel 1995; S. 146; ISBN 3-909164-36-6
  6. http://www.allbackpaint.com/pdf/artikel_referenser/allback_paper_part_one_2004.pdf
  7. Landesamt für Denkmalpflege Hessen: Bauberater-Fenster in Hessen. Arbeitsblatt I-Erhaltung und Ergänzung. Wiesbaden 2001/2005
  8. Wolf Schmidt: Reparatur historischer Holzfenster. In: Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2004, S. 21, ISSN 1617-3147
  9. Tobias Huckfeldt, Hans-Joachim Wenk: Holzfenster - Konstruktion, Schäden, Sanierung, Wartung. Köln 2009, S. 260, ISBN 978-3-481-02504-5
  10. Wolf Schmidt: Reparatur historischer Holzfenster. In: Denkmalpflege Informationen. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München 2004, S. 21, ISSN 1617-3147
  11. Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland. Arbeitsblatt 8, Hinweise für die Behandlung historischer Fenster bei Baudenkmälern, Wiesbaden, 1991
  12. http://www.die-fensterhandwerker.de/Die_Fensterhandwerker/Die_Grundsatze_der_Fensterrestaurierung.html
  13. http://www.denkmalliste.org/denkmalschutzgesetze.html
  14. Landesamt für Denkmalpflege Hessen: Bauberater-Fenster in Hessen. Arbeitsblatt I-Erhaltung und Ergänzung. Wiesbaden 2001/2005
  15. Pearson, David: Naturarchitektur - Auf der Suche nach einer natürlichen Architektur. Vorwort von Victor Papanek. Wiese Verlag, Basel 1995; S. 146; ISBN 3-909164-36-6
  16. Susanne Ruhrländer: In Stand setzen statt austauschen? Fensterhandwerker - ein neues Berufsbild in Schweden. In: Glas + Rahmen. Verlagsanstalt Handwerk GmbH, Düsselberg 2000, S. 44 ff
  17. [1]
  18. http://www.ikkunaentisoijat.com/svhantverk.htm
  19. http://www.allbackpaint.com/pdf/artikel_referenser/allback_paper_part_one_2004.pdf S.59
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