Farbenlehre (Goethe)

Farbenlehre (Goethe)
Farbenkreis, aquarellierte Federzeichnung von Goethe, 1809, Original: Freies Deutsches Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum

Die auf Johann Wolfgang von Goethe zurückgehende Farbenlehre ist in Goethes Werk Zur Farbenlehre enthalten. Er stellte darin die während vieler Jahre gemachten Überlegungen und Versuche über das Wesen der Farbe dar. Goethe versuchte, das Phänomen Farbe in seiner Gesamtheit – das heißt nicht lediglich einseitig physikalisch oder von einem ästhetischen oder anderen Standpunkt aus – zu erfassen und zu beschreiben. Anerkennung erreichte er aber nur mit dem Abschnitt „Physiologische Farben“, der die Erkenntnisse zur Farbwahrnehmung enthält. Er irrte speziell im Abschnitt „Physische Farben“, der von ihm als Widerlegung der vorwiegend von Isaac Newton stammenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse gedacht war. Goethe selbst schätzte die Ergebnisse seiner Forschungen zur Farbe höher ein als die seines gesamten literarischen Schaffens.

Inhaltsverzeichnis

Das Werk

Kantenspektren
links: dunkler Streifen auf hellem Hintergrund
rechts: heller Streifen auf dunklem Hintergrund

Die Arbeit besteht aus einer Sammlung von Einzelarbeiten:

  • Beiträge zur Chromatik
    • Versuch, die Elemente der Farbenlehre zu entdecken
    • Von den farbigen Schatten
  • Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt
  • Erfahrung und Wissenschaft
  • Entwurf einer Farbenlehre

1820 erschien noch ein Nachsatz:

Dieses umfangreichste seiner Werke schätzte Goethe mindestens so hoch wie sein poetisches Werk und er bemühte sich zeitlebens intensiv um die Verbreitung und wissenschaftliche Anerkennung seiner Farbenlehre, etwa durch Schopenhauer und Lichtenberg. Doch während die Farbenlehre Goethes bei Künstlern wie Philipp Otto Runge und William Turner Anklang fand, konnten sich Goethes Ansichten gegen Isaac Newtons bereits etablierte Theorie des Lichtes in der Wissenschaft seiner Zeit nicht durchsetzen. Newton hatte Farben als Bestandteile des weißen Lichtes korrekt verstanden, dagegen versuchte Goethe zu zeigen, dass das weiße Licht nicht zusammengesetzt ist und sich Farben aus einer Wechselwirkung von Licht und Finsternis ergeben. In diesem Sinne deutete er die sogenannten Kantenspektren, die er beim Betrachten dunkler Streifen auf hellem Hintergrund und heller Streifen auf dunklem Hintergrund durch ein Prisma sah. Dieses Experiment war für ihn das entscheidende Erlebnis dafür, seine eigene Farbenlehre zu entwickeln.

Geistesgeschichtlich und wissenschaftshistorisch bedeutsam ist die Farbenlehre bis heute deshalb, weil sie Goethes ganzheitlichen Ansatz der Naturbetrachtung und seine Beobachtungsgabe dokumentiert. Sie belegt seine Bevorzugung der Anschauung gegenüber der Abstraktion. Aus dieser Anschauung und dem subjektiven Empfinden leitete er auch die psychologischen Wirkungen der Farben auf den Menschen ab und entwickelte damit eine Art Farbenpsychologie.

Goethe nahm an vielen naturwissenschaftlichen Entdeckungen seiner Zeit regen Anteil und befand sich mit vielen Forschern seiner Zeit in brieflichem oder persönlichem Kontakt. Für das naturwissenschaftliche Interesse Goethes ist der Einfluss von Johann Gottfried Herder (1744–1803) bedeutend.

Die Erstausgabe von Zur Farbenlehre erschien am 16. Mai 1810 in einer Auflage von 500 Stück auf weißem und 250 Stück auf grauem Papier in der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung.[1]

Zum wissenschaftshistorischen Hintergrund

Während man sich zwar schon in der Antike mit dem Problem der Brechung beschäftigte, da deren Verständnis für die richtige Positionsbestimmung von Gestirnen in der Astronomie wichtig war, kann als Begründer der modernen Optik Johannes Kepler mit seiner Schrift Paralipomena ad Vitllionem von 1604 gelten. Schon vor 1600 kam es zu vielfältigen Erklärungsversuchen zur Entstehung der Farben des Regenbogens durch Brechung – etwa bei Roger Bacon und Dietrich von Freiberg – allerdings ohne eine exakte Formulierung des Brechungsgesetzes, das erst durch Willebrord van Roijen Snell und René Descartes richtig formuliert wurde.

Zur Erklärung des Sehens und des Lichtes existierten bis in das 17. Jahrhundert im Wesentlichen drei verschiedene Modelle, die sich – je nach dem, welches Phänomen es zu erklären galt, und obwohl sich widersprechend – immer wieder nebeneinander (etwa bei Descartes) herangezogen wurden:

  • Sehstrahlen die das Auge aussendet, tasten die Objekte in der Umgebung ähnlich einem Blindenstock oder einem modernen Radar ab. Diese Auffassung war in der Antike verbreitet und wurde schon durch den bedeutenden arabischen Gelehrten Alhazen um 1000 n. Chr. widerlegt. Allerdings fanden dessen Erkenntnisse erst spät durch die Vermittlung Keplers und Witelos im Abendland Verbreitung. Auch die Herleitung der Prinzipien der Perspektive in der Renaissance fand teilweise noch am Modell der Sehstrahlen statt.
  • Ein unendlich fluider Lichtäther erklärt die Welleneigenschaften des Lichtes, die sich vor allem bei Beugungsphänomen zeigen (siehe auch Huygenssches Prinzip). So waren bereits in der Antike die Vorstellungen vorhanden, dass sich von den Dingen beständig Abbilder lösen und im Auge zu einer Wiedergabe der Dinge führen.
  • Licht wird als eine Menge sehr schneller Teilchen verstanden, die von einer Lichtquelle emittiert werden, vergleichbar mit Kanonenkugeln (siehe auch Korpuskeltheorie). Newton lieferte hier die Erklärung der Aufspaltung des Lichtes im Prisma wie im Regenbogen mittels Dispersion.

Zu Newtons Zeiten war es noch Thema kontroverser Diskussionen, ob Licht nun korpuskularen oder wellenartigen Charakter besitze. Das Rätsel der überzähligen Bögen beim Regenbogen veranlasste 1801 Thomas Young zur Durchführung seines berühmten Doppelspaltexperimentes. Er wies damit die Wellennatur des Lichtes nach und konnte im Gegenzug 1804 das Geheimnis durch die Betrachtung von Interferenzerscheinungen lüften.

Auf das Jahr 1800 datiert die Entdeckung des Infrarot durch William Herschel, die Goethe nachweislich beachtete. 1802 folgte die Ultraviolettstrahlung durch Johann Wilhelm Ritter, den Goethe in dieser Zeit persönlich kennenlernte. Nicht belegt ist, ob sich Goethe und Ritter über diese Entdeckung unterhielten, auch wenn es wahrscheinlich ist. Zumindest führten sie wohl verschiedene optische Experimente gemeinsam durch.

Um Goethes Werk zu verstehen, ist es wichtig, sein Verständnis von der „Einheit der Natur“ zu Grunde zu legen. Aus heutiger Sicht wird die Vermischung von psychischen (also der Farbwahrnehmung) und physikalischen (also den optischen) Aspekten zur Ursache seines Widerspruchs zur Auffassung Newtons.

Goethe gibt selbst eine Beschreibung, wie er Newtons Experiment zur Zerlegung des Lichts durch ein Prisma durchführte. Anstatt einen weißen Lichtstrahl durch das Prisma zu beobachten, blickte er jedoch nur auf eine weiße Wand, die auch weißes Licht aussendet, aber nicht notwendigerweise ein kontinuierliches und vollständiges Spektrum. Er sah keine Spektralfarben und hielt Newtons Theorie damit für widerlegt.

„Ob man nicht indem von den Farben gesprochen werden soll, vor allen Dingen des Lichtes zu erwähnen habe, ist eine ganz natürliche Frage, […] Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden. In diesem Sinne können wir von denselben Aufschlüsse über das Licht erwarten. Farben und Licht stehen zwar untereinander in dem genauesten Verhältnis, aber wir müssen uns beide als der ganzen Natur angehörig denken, denn sie ist es ganz, die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will.“

Goethe: Zur Farbenlehre, Didaktischer Teil, Vorwort, Weimar 1808

Noch im hohen Alter sagte Goethe zu Johann Peter Eckermann: „Auf alles, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. […] Daß ich aber in meinem Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzige bin, der das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zugute […].“[2] Dies spricht allerdings eher dafür; wie schwer er sich damit getan hat, den Kunstmalern ein Arbeitsinstrument zu geben. Die Hilfsmittel die Goethe zur Verfügung standen und insbesondere seine Literaturarbeit für den „historischen Teil“ bilden die Grundlage seiner zeitgemäßen Darlegungen. Durch bessere Geräte und weitere Forschungen zur Farbenlehre wurden die Grenzen seiner Thesen, insbesondere in seiner Gegnerschaft zu Newton, offensichtlich.

Vorarbeiten zur Farbenlehre

Goethes intensive Beschäftigung mit dem Thema Farbe begann spätestens 1777, als er farbige Schatten in der Abendsonne auf Schnee am Brocken wahrnahm. Etwa 1790 sah er bei einem zufälligen Blick durch ein Prisma Kantenspektren (siehe Prismenexperiment), deren etablierter naturwissenschaftlicher Deutung er seine eigene Auffassung über die Natur des farbigen Lichtes unter dem Titel Beiträge zur Chromatik entgegen setzte. Sie steht am Anfang der 1810 erschienenen und 1820 erweiterten Schrift Zur Farbenlehre, wurde aber schon 1791/95 unter dem Titel Beiträge zur Optik vorab veröffentlicht.

Ein Zitat zu seiner Harzreise erschließt die emotionale Basis für das Interesse Goethes an den Farben.

„Auf einer Harzreise im Winter (29. November bis 16. Dezember 1777) stieg ich gegen Abend vom Brocken herunter, die weiten Flächen auf- und abwärts waren beschneit, die Heide von Schnee bedeckt, alle zerstreut stehenden Bäume und vorrangenden Klippen, auch alle Baum- und Felsenmassen völlig bereift, die Sonne senkte sich eben gegen die Oderteiche hinunter.
Waren den Tag über, bei dem gelblichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerklich gewesen, so mußte man sie nun für hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Teilen widerschien. Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte und ihr durch die stärkeren Dünste höchst gemäßigter Strahl die ganze, mich umgebende Welt mit der schönsten Purpurfarbe überzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner Schönheit einem Smaragdgrün verglichen werden konnte.
Die Erscheinung ward immer lebhafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich in die zwei lebhaften und so schön übereinstimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterscheinung sich in eine graue Dämmerung und nach und nach in eine mond- und sternhelle Nacht verlor.“

Rückblick

Derartige Beobachtungen finden sich gleichfalls auf der Reise nach Italien. Hier beschäftigte er sich wohl während seiner Italienreise (1786–88) aus künstlerischem Interesse mit dem Kolorit in der Malerei. Er aquarellierte selbst und studierte die italienische Landschaftsmalerei.

Erste wissenschaftliche Vorarbeiten zur späteren Farbenlehre stellen die Beiträge zur Chromatik dar, die 1791 und 1792 zunächst noch als Beyträge zur Optik im Verlag des Industrie-Comptoirs Weimar erschienen und in den Entwurf einer Farbenlehre dann Eingang fanden.

Im Versuch, die Elemente der Farbenlehre zu entdecken, einem Manuskript aus dem Jahre 1794, eruiert Goethe die „ Schwierigkeit, sich zu erklären und zu vereinigen, was man unter Weiß verstehe [2, 90]. … Newton sagt, die weißen und alle grauen Farben zwischen Weiß und Schwarz können aus Farben zusammengesetzt werden.“ (2, 87) Das Problem der Entstehung von Weiß stellt für Goethe auch später den Schlüssel zum Verständnis der Farben dar und er führt eine Reihe von Sachverhalten an.

„Wir haben aber noch auf einen merkwürdigen Umstand acht zu geben. Sobald wir alle Farben des Schemas in einer gewissen Proportion zusammenmischen, so entsteht eine Unfarbe daraus …, welche auf weißes Papier gestrichen, uns völlig den Begriff von Grau ergibt (2, 83)“ … und widerspricht damit Newton: „Ich darf dreist sagen: man erdenke sich Versuche, von welcher Art man wolle, so wird man niemals imstande sein, aus farbigen Pigmenten ein weißes Pigment zusammenzusetzen, das neben oder auf vollkommen reinem Schnee oder Pulver nicht grau oder bräunlich erscheine.“

2,86

Dieser Disput beruhte auf den unterschiedlichen Annahmen beider. Während Newton die additive Farbsynthese von Licht untersuchte, beschäftigte Goethe sich mit der subtraktiven Farbsynthese der Farbmittel. Der Aufsatz Von den farbigen Schatten, eine weitere Vorarbeit zur Farbenlehre, stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1792.

Als eine methodische und programmatische Vorarbeit im weiteren Sinne kann der Aufsatz Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt gelten, der erst 1823 im Druck vorlag. Obwohl Goethe sich als schlechten Mathematiker bezeichnete, hat sein Vorgehen durchaus die methodische Strenge der Mathematik.

Entwurf einer Farbenlehre

Das Hauptwerk zu Goethes Farbenlehre stellt der Entwurf einer Farbenlehre von 1810 dar. Das Werk besteht im Wesentlichen aus drei Hauptteilen: einem didaktischen, der seine eigenen Erkenntnisse präsentiert, einem polemischen, der sich gegen Newtons Farbenlehre wendet, und einem historischen, der die verschiedenen historischen Theorien zu Farbe und Licht rekapituliert.

Alle folgenden Zitate nach Ott, Proskauer, 1992 werden in diesem Artikel in der Form (– Band, Seite) angegeben. Das Buch enthält 15 teilweise farbige Tafeln, die das Verständnis des Textes unterstützen (2, 231-276).

I. Didaktischer Teil

Goethe unterscheidet zunächst drei Arten von Farbe und Farbwirkung.

Physiologische Farben

Physiologische Farben werden nach Goethe

„bemerkt als flüchtige Wirkung und Gegenwirkung des Auges selbst.“

1, 250

Er schreibt weiter:

„Diese Farben, welche das Fundament der ganzen Lehre machen … wurden bisher … als Täuschung und Gebrechen betrachtet.“

1, 63

Zunächst werden Scheinfarben, Augentäuschungen, Gesichtsbetrug und pathologische Farben (1, 64) besprochen.

Physische Farben

Physiche Farben versteht Goethe

„als vorübergehende Wirkung farbloser, durchscheinender, durchsichtiger, undurchsichtiger Körper auf das Licht.“

1, 250

Er leitet die Abteilung über physische Farben wie folgt ein:

„Dergleichen Farben werden also in unserm Auge durch solche äußere bestimmte Anlässe erzeugt.“

1, 104

und erläutert seinen Begriff „das Trübe“ – als unendlich viele Graustufen auf der Schwarz-Weiß-Skala.

Eine Vielzahl von Experimenten wird beschrieben, die mit Pergamentpapier, Opalglas, konkaven und konvexen Linsen, Prismen – teilweise mit Wasserfüllung, schwarzen Scheiben, verschiedenen einfarbigen Vierecken und auch Öffnungen im Fensterladen sowie Seifenblasen bei reflektiertem oder auch durchfallendem Licht anzustellen sind.

Chemische Farben

Körperfarben herrschen nach Goethe vor,

„wo wir sie als dauernd, als den Körpern wirklich einwohnend zuversichtlich ansprechen können.“

1, 250

„Das Gelb und Gelbrote widmet sich den Säuren, das Blau und Blaurote den Alkalien.“

1, 203

II. Gegen die Newtonsche Optik

Schon beim Erscheinen des Werkes gab es in der zeitgenössischen Fachwelt einen konträren Disput über die Ansichten von Goethe und Newton. Für Newton besteht das weiße Licht aus einzelnen Bestandteilen, die durch die Spektralfarben charakterisiert sind. Newton sagte aber auch: “The rays are not colored.” Für Goethes Streben nach Einheit der Welt ist auch das Licht eine Einheit, Farben als Eigenschaft des Lichtes können damit nur das Ergebnis der Mischung von Helligkeit und Dunklem sein.

Die grundlegende Frage war also: Ist das Licht nach Newton ein zusammengesetztes Phänomen und verschiedene Qualitäten führen zur Farbe oder ist Licht eine „Einheit“, wie Goethe es vertrat, und Farbe ist ein Phänomen verschiedener Qualität.

Goethe stellt seine eigene Farbenlehre der Farbentheorie von Newton im Kapitel Enthüllung der Theorie Newtons gegenüber (3, 208/209):

Eigenschaft des weißen Sonnenlichts Newton Goethe
Homogenität Licht ist zusammengesetzt (heterogen). Licht ist eine Einheit (homogen).
Spektrum Weißes Licht ist aus farbigen Lichtern zusammengesetzt. Weißes Licht ist das Primäre. Das Helle kann nicht aus Dunkelheit zusammengesetzt sein.
Wechselwirkung mit Materie Das Licht wird durch Refraktion, Inflexion und Reflexion dekomponiert. Refraktion, Inflexion und Reflexion können ohne Farberscheinungen existieren.
Analyse [Weißes Licht] wird in sieben [reine], vielmehr in unzählige Farben dekomponiert. Es gibt nur zwei reine Farben, Blau und Gelb. Das übrige sind Stufen dieser Farben oder unrein.
Synthese Wie es [das weiße Licht] dekomponiert worden, kann es wieder zusammengesetzt werden. Weder aus apparenten [sichtbaren] Farben kann farbloses Licht, noch aus farblosen Pigmenten ein weißes zusammengesetzt werden.

III. Historischer Teil

Goethe hat die der gelehrten Welt seinerzeit greifbare Literatur zur Farbenlehre intensiv studiert und teilweise kommentiert. Darüber hinaus hat er die Arbeiten großer Naturwissenschaftler (Galilei, Kepler, Descartes …) zum Thema durchforscht und manchmal sogar Aussagen zum menschlichen Charakter des jeweiligen Wissenschaftlers gewagt.

Es war üblich, wenn sich ein Werk als grundlegend verstand, die Ansichten der bisherigen Autoritäten zu referieren – oft in der Antike beginnend. So wies sich der Autor zum einen als Fachmann seines Gebiets aus und zum anderen ermöglichte es ihm, seine Ansichten durch die Autorität anerkannter Forscher zu stützen.

René Descartes' Farbentheorie der Lichtkügelchen beschäftigt Goethe. Eine Beschreibung des Lichts als unteilbare Teilchen wird auch in der modernen Physik (Photon) neben der Wellenbeschreibung verwendet, beobachtbar ist dieser Teilchencharakter jedoch erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Athanasius Kirchers, Nikolaus Malebranches und Robert Boyles Werk werden besprochen. Markus Marcis Werk über den Regenbogen zeugt nach Goethe

„von dem Ernst, Fleiß und Beharrlichkeit des Verfassers; [aber es habe] im ganzen etwas Trübseliges.“

Hookes Werk hat Goethe zwar auf dem experimentellen, nicht aber auf dem theoretischen Gebiet weitergeholfen (4, 251). Die Versuchsauswertung in Johann Christoph Sturms Farbenlehre kann vor Goethe nicht bestehen.

Goethe bespricht die Schriften zur Farbenlehre von Thomas Sprat, Edme Mariotte, Voltaire, Tobias Mayer, Johann Heinrich Lambert, Benjamin Franklin, Joseph Priestley, Jean-Paul Marat, Anton Raphael Mengs, Christian Westfeld und Robert Blair. Letztlich werden noch die Verteidigung der Farbenlehre Newtons durch den Physikprofessor Johann Theophilus Desaguliers (5, 356 – 362) und die Lobrede Bernard le Bovier de Fontenelles (5, 386 – 392) auf Newton erörtert.

Ergänzungen zur Farbenlehre. Entoptische Farben

Diese Arbeit stammt aus dem Jahre 1820. Goethe ersinnt raffinierte Versuchsanordnungen und beobachtet

„[…] durch das höchst interessante Seebeckische Doppelspatprisma [die entoptischen Farben] bei der Doppelrefraktion des Sonnenlichts. Diese Farben wurden entoptische genannt, weil sie innerhalb gewisser Körper zu schauen sind.“

2, 167

Das allereinfachste Experiment zu dieser doppelten Strahlenbrechung wird, lapidar gesagt, so vorbereitet

„Man zerschneide eine mäßig starke Spiegelscheibe in mehrere anderhalbzöllige Quadrate, diese durchglühe man und verkühle sie geschwind. Was davon bei dieser Behandlung nicht zerspringt, ist nun fähig, entoptische Farben hervorzubringen.“

2, 168

Die ganze Versuchsanordnung findet sich auf Seite (2, 217) skizziert.

„Äußere Grundbedingung [ist eine] reine, wolkenlose, blaue Atmosphäre […]. Zu Johanni um die Mittagsstunde ist der hellste Moment. Bei Kulmination der Sonne erscheint ein weißes Kreuz rings um den Horizont.“

2, 169 und 2, 174

Wie stellen wir uns dieses weiße Kreuz vor?

„Alle geistreiche, mit Naturerscheinungen einigermaßen bekannte Personen, sobald sie unsern entoptischen Kubus zwischen den Spiegeln erblickten, riefen jedes mal die Ähnlichkeit mit den Chladnischen Figuren, ohne sich zu besinnen, lebhaft aus.“

2, 199

Literatur

  • Rupprecht Mathaei u.a. (Hrsg.): Goethe – Die Schriften zur Naturwissenschaft. Hermann Böhlaus Nachf., Weimar 1951, Vollständige mit Erläuterungen versehene Ausgabe herausgegeben im Auftrage der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. ISBN 978-3-7400-0024-0
    • Dritter Band: Beiträge zur Optik und Anfänge der Farbenlehre, 1961
    • Vierter Band: Zur Farbenlehre, Didaktischer Teil und Tafeln, 1973
    • Fünfter Band: Zur Farbenlehre, Polemischer Teil, 1958
    • Sechster Band: Zur Farbenlehre, Historischer Teil, Ergänzungen und Erläuterungen, 1959
    • Siebenter Band: Zur Farbenlehre, Tafelband
  • Gerhard Ott / Heinrich O. Proskauer (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe: Farbenlehre. Stuttgart 1992, ISBN 3-7725-0702-6 (Bd. 1–3), ISBN 3-7725-0838-3 (Bd. 4–5).
  • Wolfgang Buchheim: Der Farbenlehrestreit Goethes mit Newton in wissenschaftsgeschichtlicher Sicht. Berlin 1991, ISBN 3-05-501275-5 (Bd. 123, H. 1).
  • Wilfried Liebchen: Goethes Farbenlehre. Sandberg-Kilianshof 1999, ISBN 3-9802142-6-5.
  • Felix Höpfner: Wissenschaft wider die Zeit. Goethes Farbenlehre aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht. Heidelberg 1989.
  • M. Martin: Die Kontroverse um die Farbenlehre. Novalis 1979
  • Albrecht Schöne: Goethes Farbentheologie. München 1987, ISBN 3-406-32361-8.
  • Reinhold Sölch: Die Evolution der Farben – Goethes Farbenlehre in neuem Licht. Ravensburger Verlag, 1998, ISBN 3-363-00699-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Goethe-Gesellschaft (Weimar): Goethe-Jahrbuch, Band 123, Seite 120
  2. Zitiert nach Hans Wohlbold (Herausg.): Goethes Farbenlehre. Eugen Diederichs, Jena 1928.

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